Betreff
Bericht zur Flüchtlingsunterbringung
Vorlage
50/0784/XVI/2015
Art
Tischvorlage

Sachverhalt:

Wie aus den Medien bekannt, flüchten immer mehr Menschen in die Bundesrepublik Deutschland. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geht im Mai davon aus, dass bis Ende des Jahres voraussichtlich 400.000 Erst- und 50.000 Folgeasylanträge gestellt werden. Da bis Ende Juli bereits 300.000 Flüchtlinge nach Deutschland eingereist sind, ist diese Prognose wohl überholt. Nach Medienberichten wird der Bundesinnenminister heute die Prognose auf 700.000 – 800.000 Flüchtlinge erhöhen. Hauptherkunftsländer sind Syrien (22,3 %), Albanien (17,6 %) und Afghanistan. (Quelle: BAMF, Aktuelle Zahlen zu Asyl, Juni 2015).

 

Das Gesundheitsamt hat die ärztliche Versorgung sicherzustellen und die Ärztekammern um Hilfestellung gebeten und zudem versucht, Ärzte im Ruhestand zu aktivieren.

Es haben sich 12 Ärzte bereit erklärt zu helfen. Aufgrund von gesundheitlichen Beeinträchtigungen konnten 3 Ärzte reaktiviert werden.

 

Asylbewerber werden nach dem sogen. Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt (§ 45 AsylVfG). Hierbei werden Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl der einzelnen Länder berücksichtigt. Die Verpflichtung zur Aufnahme und Unterbringung von ausländischen Flüchtlingen ergibt sich aus §§ 23 ff des Aufenthaltsgesetzes des Bundes (AufenthG) sowie durch das Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW (FlüAG). Nach dem FlüAG sind die Städte und Gemeinden verpflichtet, die ihnen zugewiesenen ausländischen Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen. Es handelt sich um eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung. Nach der vorübergehenden Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung erfolgt die Zuweisung in NRW entsprechend dem Einwohneranteil der Gemeinden an der Gesamtbevölkerung des Landes (Einwohnerschlüssel) und entsprechend dem Flächenanteil der Gemeinde an der Gesamtfläche des Landes (Flächenschlüssel). 90 v. H. des Einwohnerschlüssels bilden mit 10 v. H. des Flächenschlüssels den Zuweisungsschlüssel. Rechtsgrundlage ist § 3 FlüAG.

 

Die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge werden zunächst in von den Ländern einzurichtenden Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Dort werden sie registriert und vom BAMF über ihre Fluchtgründe befragt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgestattung, bis über den Asylantrag entschieden wurde.

Spätestens nach 3 Monaten werden sie den Städten und Gemeinden zugewiesen.

 

Von den Städten und Gemeinden sind in ausreichender Zahl Unterkünfte für neu zugewiesene Flüchtlinge bereitzuhalten bzw. zu unterhalten. Für die Aufnahme und Unterbringung erhalten die Städte und Gemeinden Leistungen nach dem FlüAG für zugewiesene ausländische Flüchtlinge und nach dem Teilhabe- und Integrationsgesetz (TIG) eine Integrationspauschale für Spätaussiedler, jüdische Kontingentflüchtlinge und andere Personen mit Dauerbleiberecht (§ 11 TIG). Sozialleistungen an die Asylbewerber werden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu Lasten der Städte und Gemeinden gewährt.

Aus der Anlage 1 geht die Anzahl der Flüchtlinge im Rhein-Kreis Neuss zum 1.7.2015 außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen hervor (dauerhafte Zuweisung). Für die in Spalte 8 aufgeführten Flüchtlinge haben die Gemeinden zwar Leistungen nach AsylbLG zu erbringen, erhalten aber gar keine Refinanzierung durch das FlüAG.

 

Anders als die anderen Bundesländer decken die Pauschalzuweisungen des Landes NRW an die Kommunen die Ausgaben für die Flüchtlinge bei weitem nicht, sondern gerade einmal 20 – 25 % der Ausgaben.

Daher wird die finanzielle Belastung der Kommunen angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen weiter erhöhen.

Das Land stellt den Kommunen nach dem FlüAG jährlich pauschalierte Finanzmittel zur Verfügung. Berechnungsmaßstab hierfür ist die Anzahl der Flüchtlinge des Vorjahres. 2015 sind dafür insgesamt rund 215 Mio. EUR vorgesehen. Diese Landeszuweisungen werden sich 2016 entsprechend der gestiegenen Zahl ausländischer Flüchtlinge auf rund 432 Mio. EUR erhöhen. Für 2015 sind darüber hinaus weitere Mittelzuweisungen an die Gemeinden in Höhe von 162 Mio. EUR vorgesehen, die auf bereits erzielte Verständigungen zwischen Bund und Ländern über Finanzierungsbeiträge für die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern zurückgehen. Allerdings hat das Land nicht alle Bundesmittel an die Kommunen weitergegeben, sondern 54 Mio. € Bundesmittel einbehalten.

Aus der Anlage 2 gehen die Brutto- und Nettoausgaben der Kommunen für Leistungen nach dem AsylbLG für 2014 hervor. Die Nettoausgaben errechnen sich nach Abzug der Einnahmen (z. B. übergeleitete Unterhaltsansprüche, Leistungen von Sozialleistungsträgern). Die Einnahmen der Gemeinden nach dem FlüAG sind hierbei nicht berücksichtigt.

 

Die Städte Dormagen, Grevenbroich und Meerbusch sind im Wege der „Amtshilfe“ jetzt auch Standort für Erstaufnahmeeinrichtungen (sog. Notaufnahmeeinrichtungen), weil aufgrund des wachsenden Zustroms von Flüchtlingen die Kapazitäten der bisher vorhandenen  Erstaufnahmeeinrichtungen nicht mehr ausreichen bzw. wegen Windpockenfällen vorübergehend nicht nutzbar sind bzw. waren und das Land sich nicht mehr in der Lage sah, die ihm obliegende Aufgabe selbst zu erledigen.

 

Durch Verfügungen vom 27.07.2015 hat die Bezirksregierung Düsseldorf die Städte Dormagen und Grevenbroich aufgefordert, im Wege der Amtshilfe gemäß §§ 4 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz NRW mindestens für drei Wochen Unterbringungsmöglichkeiten für jeweils 150 Flüchtlinge bereitzustellen. Die Stadt Dormagen musste die Unterkunft bis 27.07.2015, 20 Uhr, mit einem Vorlauf von weniger als 8 Stunden, vorhalten, die Stadt Grevenbroich bis 29.07.2015, 18 Uhr. Durch Verfügung vom 30.07.2015 wurde die Stadt Meerbusch aufgefordert, bis 03.08.2015, 18 Uhr, Unterbringungsmöglichkeiten für 150 Flüchtlinge zu schaffen. Durch Verfügung vom07.08.2015 wurde das Amtshilfeersuchen an die Bürgermeister(innen) bis zum 15.10.2015 verlängert. In den Einrichtungen ist rund um die Uhr für eine Betreuung und Versorgung der zugewiesenen Personen zu sorgen sowie eine Bewachung sicherzustellen. Die Kosten für das Betreiben der Unterkünfte sollen vom Land NRW getragen werden. Unklar ist derzeit, ob auch das stadteigene Personal refinanziert wird.

Der Rhein-Kreis Neuss wurde aufgefordert, die genannten Städte bei der Unterbringung vollumfänglich zu unterstützen.

 

Die Standorte der Erstaufnahmeeinrichtungen sind:

  1. Grevenbroich, Alte Feuerwache, Schloßstr. 12 und Turnhalle, Schloßstr. 21
  2. Meerbusch, Turnhalle des Matare-Gymnasiums, Niederdonker Str. 32-36
  3. Dormagen, Turnhalle der Städtischen Realschule, Beethovenstraße.

 

Dort sind seit dem 27.07.2015 ca. 460 Asylbewerber aufgenommen worden. Es handelt sich überwiegend um Menschen aus Albanien, Mazedonien und Syrien. Ein Drittel besteht aus Kindern. Die Anzahl der in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebrachten Flüchtlinge wird auf die Anzahl der nach dem FlüAG von den Gemeinden aufzunehmenden Flüchtlinge angerechnet.

 

Die betroffenen Kommunen haben nicht nur Unterbringung und Verpflegung bereitzustellen, sondern müssen auch die medizinische Erstversorgung durchzuführen. Die medizinische Erstversorgung gliedert sich in 3 Bereiche. Zunächst müssen die Asylbewerber grob orientierend körperlich untersucht werden, um akute Krankheitsbilder und insbesondere Infektionen rechtzeitig zu erkennen. In einem weiteren Schritt ist gemäß Infektionsschutzgesetz eine Tuberkulose- Ausschlussdiagnostik entweder mittels Röntgenaufnahme des Brustkorbes oder Blutentnahme bzw. Hauttestung bei den unter 15-jährigen vorzunehmen. In einem dritten Teil folgt dann die Verabreichung unterschiedlicher Impfstoffe gemäß einer ministeriellen Vorgabe.

Der Landrat des Rhein-Kreises Neuss hat eine Koordinierungsgruppe unter der Leitung des Kreisdirektors, bestehend aus dem Ordnungsamt, dem Gesundheitsamt, dem Sozialamt und dem Presseamt eingerichtet.

 

Am 29.07.2015 hat der Landrat die Situation mit den Vertretern der Städte Dormagen und Grevenbroich besprochen. Am 31.07.2015 fand im Kreishaus Grevenbroich ein Treffen des Landrates mit den Bürgermeistern bzw. den Beigeordneten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden statt. Dort wurde das gemeinsame Vorgehen besprochen. Der Landrat stellte fest, dass die Unterbringung der Asylbewerber in der Bevölkerung eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst habe. Sein Lob und Dank galt auch den Hilfsorganisationen und Ehrenamtlern. Da der Flüchtlingsstrom nach Deutschland anhalte, sei damit zu rechnen, dass weitere Kommunen des Kreises im Wege der „Amtshilfe“ zur Erstaufnahme von Flüchtlingen in Anspruch genommen werden.

Auf Unverständnis stößt allgemein der Umstand, dass die Kasernen in Mönchengladbach und Düsseldorf sowie das Gebäude des ehemaligen Finanzamtes in Grevenbroich nicht als Notunterkünfte genutzt werden.

 

Zusammen mit niedergelassenen und Klinikärzten hat das Gesundheitsamt seit dem 27.07.2015 die beschriebenen Eingangsuntersuchungen, TBC-Ausschlussdiagnostik-Verfahren und Impfungen vorgenommen. 
Es wurde eine ganze Reihe von auffälligen Befunden erhoben bzw. Krankheiten festgestellt (Diabetes, Kopfschmerzen, Sprunggelenksfraktur, Borkenflechte, Infarktzeichen). Die Betreffenden wurden einer adäquaten Behandlung zugeführt. Zwei Tuberkulose-Verdachtsfälle haben sich glücklicherweise im Rahmen einer weiteren Klinikbehandlung nicht bestätigt.

 

Das Gesundheitsamt kann die medizinische Erstversorgung nur leisten, wenn es seine originären Aufgaben zurückstellt. Es ist daher dringend angezeigt, dass die Flüchtlinge medizinisch versorgt werden, bevor sie die Notunterkünfte erreichen. Dies wurde mit Fax vom 31.07.2015 sowohl der Bezirksregierung Düsseldorf als auch dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen mitgeteilt. Das Antwortschreiben liegt der Vorlage (Anlage 3) bei. Außerdem wurde die Zusage der Bezirksregierung angemahnt, infektiöse Tuberkulosekranke schnell und unbürokratisch in einem Wohnheim unterbringen zu können. Ferner wurde an das Versprechen des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter NRW erinnert, eine Unterbringungsmöglichkeit für TBC-Kranke zu schaffen. Das BAMT priorisiert die Verfahren von Asylbewerbern aus Ländern mit schlechter Bleibeperspektive und hat seit Juli mehr als 5000 Anträge entschieden. Dabei wurde in keinem einzigen Fall Asyl oder Flüchtlingsschutz gewährt.

 

In der zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes in Neuss wurden  aufgrund von Windpockenerkrankungen – nach Verlegung von 250 Personen in den Kreis Viersen – ausgiebige und intensive Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt, um die Einrichtung zeitnah neu belegen zu können. Ab dem 17.08.2015 wird die Gesamtkapazität von 500 auf 700 Plätze aufgestockt. Ab dem 21.09.2015 sollen 1000 Asylbewerber aufgenommen werden (Quelle: European Homecare).

 

Der Kreis verfolgt das Ziel, die Flüchtlinge mit Bleibeperspektive schnellst möglich in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft zu integrieren. Die Menschen insbesondere aus Syrien und den weiteren Kriegsgebieten sollen sich so bald wie möglich informieren, sich eine Wohnung suchen und für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Den Menschen soll die Möglichkeit eröffnet werden, schnellst möglich die die deutsche Sprache zu lernen.

 

Der Landrat hat hierzu am 11.08.2015 ein Gespräch mit der Leiterin der Arbeitsagentur, Frau Schoofs, den Hauptgeschäftsführern der IHK Mittlerer Niederrhein, Herrn Steinmetz, und der Handwerkskammer, Herrn Neukirchen, sowie am 12.08.2015 mit den DGB-Regionsgeschäftsführerin Sigrid Wolf und DGB-Regionalsekretär Klaus Churt geführt.

Es wurde ein gemeinsames Vorgehen verabredet und für den 03.09.2015 ein Treffen von Arbeitsagentur, den Kommunen, IHK, HWK und Gewerkschaften auch zur Entwicklung eines Modellprojektes im Kreis vorgesehen.

Bestandteil des Projektes soll insbesondere die beschleunigte Vermittlung der deutschen Sprache sein sowie die vermehrte Schaffung von Arbeitsgelegenheiten und Praktika als auch die beschleunigte Anerkennung von Berufsabschlüssen.