Sachverhalt:
Wie aus den Medien bekannt, flüchten immer
mehr Menschen in die Bundesrepublik Deutschland. Das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge (BAMF) geht im Mai davon aus, dass bis Ende des Jahres
voraussichtlich 400.000 Erst- und 50.000 Folgeasylanträge gestellt werden. Da
bis Ende Juli bereits 300.000 Flüchtlinge nach Deutschland eingereist sind, ist
diese Prognose wohl überholt. Der Bundesinnenminister hat am 19. August 2015
die Prognose auf 700.000 – 800.000 Flüchtlinge erhöht. Hauptherkunftsländer
sind Syrien (22,3 %), Albanien (17,6 %) und Afghanistan. (Quelle: BAMF,
Aktuelle Zahlen zu Asyl, Juni 2015).
Asylbewerber werden nach dem sogen.
Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt (§ 45 AsylVfG). Hierbei werden
Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl der einzelnen Länder berücksichtigt. Die
Verpflichtung zur Aufnahme und Unterbringung von ausländischen Flüchtlingen
ergibt sich aus §§ 23 ff des Aufenthaltsgesetzes des Bundes (AufenthG) sowie
durch das Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW (FlüAG). Nach dem FlüAG sind die Städte
und Gemeinden verpflichtet, die ihnen zugewiesenen ausländischen Flüchtlinge
aufzunehmen und unterzubringen. Es handelt sich um eine Pflichtaufgabe zur
Erfüllung nach Weisung. Nach der vorübergehenden Unterbringung in einer
Erstaufnahmeeinrichtung erfolgt die Zuweisung in NRW entsprechend dem
Einwohneranteil der Gemeinden an der Gesamtbevölkerung des Landes
(Einwohnerschlüssel) und entsprechend dem Flächenanteil der Gemeinde an der
Gesamtfläche des Landes (Flächenschlüssel). 90 v. H. des Einwohnerschlüssels
bilden mit 10 v. H. des Flächenschlüssels den Zuweisungsschlüssel.
Rechtsgrundlage ist § 3 FlüAG.
Die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge
werden zunächst in von den Ländern einzurichtenden Erstaufnahmeeinrichtungen
untergebracht. Dort werden sie registriert und vom BAMF über ihre Fluchtgründe
befragt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgestattung, bis über den Asylantrag
entschieden wurde.
Spätestens nach 3 Monaten werden sie den
Städten und Gemeinden zugewiesen.
Von den Städten und Gemeinden sind in
ausreichender Zahl Unterkünfte für neu zugewiesene Flüchtlinge bereitzuhalten
bzw. zu unterhalten. Für die Aufnahme und Unterbringung erhalten die Städte und
Gemeinden Leistungen nach dem FlüAG für zugewiesene ausländische Flüchtlinge
und nach dem Teilhabe- und Integrationsgesetz (TIG) eine Integrationspauschale
für Spätaussiedler, jüdische Kontingentflüchtlinge und andere Personen mit
Dauerbleiberecht (§ 11 TIG). Sozialleistungen an die Asylbewerber werden nach
dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu Lasten der Städte und Gemeinden
gewährt.
Aus der Anlage 1 geht die Anzahl der Flüchtlinge im Rhein-Kreis Neuss zum
1.7.2015 außerhalb von
Erstaufnahmeeinrichtungen hervor (dauerhafte Zuweisung). Für die in Spalte 8
aufgeführten Flüchtlinge haben die Gemeinden zwar Leistungen nach AsylbLG zu
erbringen, erhalten aber gar keine Refinanzierung durch das FlüAG.
Anders als die anderen Bundesländer decken
die Pauschalzuweisungen des Landes NRW an die Kommunen die Ausgaben für die
Flüchtlinge bei weitem nicht, sondern gerade einmal 20 – 25 % der Ausgaben.
Daher wird die finanzielle Belastung der
Kommunen angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen weiter erhöhen.
Das Land stellt den Kommunen nach dem FlüAG
jährlich pauschalierte Finanzmittel zur Verfügung. Berechnungsmaßstab hierfür
ist die Anzahl der Flüchtlinge des Vorjahres. 2015 sind dafür insgesamt rund
215 Mio. EUR vorgesehen. Diese Landeszuweisungen werden sich 2016 entsprechend
der gestiegenen Zahl ausländischer Flüchtlinge auf rund 432 Mio. EUR erhöhen.
Für 2015 sind darüber hinaus weitere Mittelzuweisungen an die Gemeinden in Höhe
von 162 Mio. EUR vorgesehen, die auf bereits erzielte Verständigungen zwischen
Bund und Ländern über Finanzierungsbeiträge für die Aufnahme und Unterbringung
von Asylbewerbern zurückgehen. Allerdings hat das Land nicht alle Bundesmittel
an die Kommunen weitergegeben, sondern 54 Mio. € Bundesmittel einbehalten.
Aus der Anlage 2 gehen die Brutto- und Nettoausgaben der Kommunen für
Leistungen nach dem AsylbLG für 2014 hervor. Die Nettoausgaben errechnen sich
nach Abzug der Einnahmen (z. B. übergeleitete Unterhaltsansprüche, Leistungen
von Sozialleistungsträgern). Die Einnahmen der Gemeinden nach dem FlüAG sind
hierbei nicht berücksichtigt.
Die
Städte Dormagen, Grevenbroich und Meerbusch sind im Wege der „Amtshilfe“ jetzt
auch Standort für Erstaufnahmeeinrichtungen (sog. Notaufnahmeeinrichtungen), weil aufgrund des wachsenden Zustroms von
Flüchtlingen die Kapazitäten der bisher vorhandenen Erstaufnahmeeinrichtungen nicht mehr
ausreichen bzw. wegen Windpockenfällen vorübergehend nicht nutzbar sind bzw.
waren und das Land sich nicht mehr in der Lage sah, die ihm obliegende Aufgabe
selbst zu erledigen.
Durch Verfügungen vom 27.07.2015 hat die
Bezirksregierung Düsseldorf die Städte Dormagen und Grevenbroich aufgefordert,
im Wege der Amtshilfe gemäß §§ 4 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz NRW mindestens
für drei Wochen Unterbringungsmöglichkeiten für jeweils 150 Flüchtlinge
bereitzustellen. Die Stadt Dormagen musste die Unterkunft bis 27.07.2015, 20
Uhr, mit einem Vorlauf von weniger als 8 Stunden, vorhalten, die Stadt
Grevenbroich bis 29.07.2015, 18 Uhr. Durch Verfügung vom 30.07.2015 wurde die
Stadt Meerbusch aufgefordert, bis 03.08.2015, 18 Uhr,
Unterbringungsmöglichkeiten für 150 Flüchtlinge zu schaffen. Durch Verfügung
vom07.08.2015 wurde das Amtshilfeersuchen an die Bürgermeister(innen) bis zum
15.10.2015 verlängert. In den Einrichtungen ist rund um die Uhr für eine
Betreuung und Versorgung der zugewiesenen Personen zu sorgen sowie eine
Bewachung sicherzustellen. Die Kosten für das Betreiben der Unterkünfte sollen
vom Land NRW getragen werden. Unklar ist derzeit, ob auch das stadteigene
Personal refinanziert wird.
Der Rhein-Kreis Neuss wurde aufgefordert,
die genannten Städte bei der Unterbringung vollumfänglich zu unterstützen.
Die Standorte der Erstaufnahmeeinrichtungen
sind:
- Grevenbroich,
Alte Feuerwache, Schloßstr. 12 und Turnhalle, Schloßstr. 21
- Meerbusch,
Turnhalle des Matare-Gymnasiums, Niederdonker Str. 32-36
- Dormagen,
Turnhalle der Städtischen Realschule, Beethovenstraße.
Dort sind seit dem 27.07.2015 ca. 460
Asylbewerber aufgenommen worden. Es handelt sich überwiegend um Menschen aus
Albanien, Mazedonien und Syrien. Ein Drittel besteht aus Kindern. Die Anzahl
der in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebrachten Flüchtlinge wird auf die
Anzahl der nach dem FlüAG von den Gemeinden aufzunehmenden Flüchtlinge angerechnet.
Die betroffenen Kommunen haben nicht nur
Unterbringung und Verpflegung bereitzustellen, sondern müssen auch die
medizinische Erstversorgung durchzuführen. Die medizinische Erstversorgung
gliedert sich in 3 Bereiche. Zunächst müssen die Asylbewerber grob orientierend
körperlich untersucht werden, um akute Krankheitsbilder und insbesondere
Infektionen rechtzeitig zu erkennen. In einem weiteren Schritt ist gemäß
Infektionsschutzgesetz eine Tuberkulose- Ausschlussdiagnostik entweder mittels
Röntgenaufnahme des Brustkorbes oder Blutentnahme bzw. Hauttestung bei den
unter 15-jährigen vorzunehmen. In einem dritten Teil folgt dann die
Verabreichung unterschiedlicher Impfstoffe gemäß einer ministeriellen Vorgabe.
Der Landrat des Rhein-Kreises Neuss hat eine
Koordinierungsgruppe unter der Leitung des Kreisdirektors, bestehend aus dem
Ordnungsamt, dem Gesundheitsamt, dem Sozialamt und dem Presseamt eingerichtet.
Am 29.07.2015 hat der Landrat die Situation
mit den Vertretern der Städte Dormagen und Grevenbroich besprochen. Am 31.07.2015
fand im Kreishaus Grevenbroich ein Treffen des Landrates mit den Bürgermeistern
bzw. den Beigeordneten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden statt. Dort
wurde das gemeinsame Vorgehen besprochen. Der Landrat stellte fest, dass die
Unterbringung der Asylbewerber in der Bevölkerung eine Welle der
Hilfsbereitschaft ausgelöst habe. Sein Lob und Dank galt auch den
Hilfsorganisationen und Ehrenamtlern. Da der Flüchtlingsstrom nach Deutschland
anhalte, sei damit zu rechnen, dass weitere Kommunen des Kreises im Wege der
„Amtshilfe“ zur Erstaufnahme von Flüchtlingen in Anspruch genommen werden.
Auf Unverständnis stößt allgemein der
Umstand, dass die Kasernen in Mönchengladbach und Düsseldorf sowie das Gebäude
des ehemaligen Finanzamtes in Grevenbroich nicht als Notunterkünfte genutzt
werden.
Zusammen mit niedergelassenen und
Klinikärzten hat das Gesundheitsamt seit dem 27.07.2015 die beschriebenen
Eingangsuntersuchungen, TBC-Ausschlussdiagnostik-Verfahren und Impfungen
vorgenommen.
Es wurde eine ganze Reihe von auffälligen Befunden erhoben bzw. Krankheiten
festgestellt (Diabetes, Kopfschmerzen, Sprunggelenksfraktur, Borkenflechte,
Infarktzeichen). Die Betreffenden wurden einer adäquaten Behandlung zugeführt.
Zwei Tuberkulose-Verdachtsfälle haben sich glücklicherweise im Rahmen einer
weiteren Klinikbehandlung nicht bestätigt.
Das Gesundheitsamt kann die medizinische
Erstversorgung nur leisten, wenn es seine originären Aufgaben zurückstellt. Es
ist daher dringend angezeigt, dass die Flüchtlinge medizinisch versorgt werden,
bevor sie die Notunterkünfte
erreichen. Dies wurde mit Fax vom 31.07.2015 sowohl der Bezirksregierung
Düsseldorf als auch dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und
Alter des Landes Nordrhein-Westfalen mitgeteilt. Das Antwortschreiben liegt der
Vorlage (Anlage 3) bei. Außerdem
wurde die Zusage der Bezirksregierung angemahnt, infektiöse Tuberkulosekranke
schnell und unbürokratisch in einem Wohnheim unterbringen zu können. Ferner
wurde an das Versprechen des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege
und Alter NRW erinnert, eine Unterbringungsmöglichkeit für TBC-Kranke zu
schaffen. Das BAMT priorisiert die Verfahren von Asylbewerbern aus Ländern mit
schlechter Bleibeperspektive und hat seit Juli mehr als 5000 Anträge
entschieden. Dabei wurde in keinem einzigen Fall Asyl oder Flüchtlingsschutz
gewährt.
Das Gesundheitsamt hat zur Sicherstellung
der die ärztlichen Versorgung die Ärztekammern um Hilfestellung gebeten und
zudem Ärzte im Ruhestand aktivieret.
Es haben sich 12 Ärzte bereit erklärt zu
helfen. Aufgrund von gesundheitlichen Beeinträchtigungen konnten davon 3 Ärzte
reaktiviert werden.
In der zentralen Unterbringungseinrichtung
des Landes in Neuss wurden aufgrund von
Windpockenerkrankungen – nach Verlegung von 250 Personen in den Kreis Viersen –
ausgiebige und intensive Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt,
um die Einrichtung zeitnah neu belegen zu können. Ab dem 17.08.2015 wird die
Gesamtkapazität von 500 auf 700 Plätze aufgestockt. Ab dem 21.09.2015 sollen
1000 Asylbewerber aufgenommen werden (Quelle: European Homecare).
Am Freitag, dem 21. August 2015, hatte die
Ministerpräsidentin des Landes NRW die Kreise zu einem Gespräch über die
aktuelle Situation der Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen
in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden eingeladen. An dem Termin haben
Frau Ministerin Steffens und Herr Minister Jäger teilgenommen.
Die Landesregierung dankt den Städten und
Gemeinden, besonders den vielen Ehrenamtlern für die geleistete Amtshilfe bei
der Erstunterbringung der Flüchtlinge. Gemeinsam wurde festgestellt, dass es zum
einem eine große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung gibt und zum anderen die
kommunale Familie einschließlich der Gesundheitsämter eine hervorragende Arbeit
geleistet hat.
Die Landesregierung will kurzfristig, große
zusätzliche Einheiten für die Erstunterbringung in Form von Zellstädten
schaffen und so die Notunterkünfte zurückfahren. Darüber hinaus sei man in
Gesprächen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und dem Bundesverteidigungsministerium.
Auch sei der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes beauftragt. Insgesamt
stoße man aber auf Grenzen, da z. B. insbesondere der Markt für Betten
leergefegt sei und auch die Betreuungsverbände an ihre Kapazitätsgrenzen
stoßen.
Die Landesregierung bittet zudem die
Kommunen darum, für mehrere Wochen 300 – 400 Mitarbeiter für die Aufnahme und
Registrierung der Flüchtlinge in den Notunterkünften und
Erstaufnahmeneinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Zudem sei auch nicht
ausgeschlossen, das weitere Städte und Gemeinden um Amtshilfe gebeten werden
müssen. Hier wolle man sich aber auf Städte mit mehr als 40.000 Einwohner
begrenzen.
Von Seiten der Kreise wurde dringend darum
gebeten, einen größeren zeitlichen Vorlauf bei der Implementierung von
Notunterkünften zu gewährleisten und das Verfahren bei der Zuweisung von
Flüchtlingen zu optimieren, da es hier häufig zu erheblichen Fehlinformationen
komme.
Weiter wurde gefordert, auch die bei den
Städten entstehenden Personalkosten zu übernehmen und insgesamt Sorge dafür zu
tragen, dass alle durch die Amtshilfe entstehenden Kosten erstattet werden.
Im Hinblick auf die Finanzierung der
Flüchtlingshilfe insgesamt wurde ein stärkeres Engagement des Landes angemahnt.
Zudem wurde gefordert, dass die Flüchtlinge
ohne Bleibeperspektive in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben und dort
nach Abschluss des Verfahrens in die Heimatländer zurückgeführt werden.
Der Kreis verfolgt das Ziel, die
Flüchtlinge mit Bleibeperspektive schnellst möglich in den Arbeitsmarkt und in
die Gesellschaft zu integrieren. Die Menschen insbesondere aus Syrien und den
weiteren Kriegsgebieten sollen sich so bald wie möglich informieren, sich eine
Wohnung suchen und für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Den Menschen soll
die Möglichkeit eröffnet werden, schnellst möglich die die deutsche Sprache zu
lernen.
Der Landrat hat hierzu am 11.08.2015 ein
Gespräch mit der Leiterin der Arbeitsagentur, Frau Schoofs, den
Hauptgeschäftsführern der IHK Mittlerer Niederrhein, Herrn Steinmetz, und der
Handwerkskammer, Herrn Neukirchen, sowie am 12.08.2015 mit den
DGB-Regionsgeschäftsführerin Sigrid Wolf und DGB-Regionalsekretär Klaus Churt
geführt.
Es wurde ein gemeinsames Vorgehen
verabredet und für den 03.09.2015 ein Treffen von Arbeitsagentur, den Kommunen,
IHK, HWK und Gewerkschaften auch zur Entwicklung eines Modellprojektes im Kreis
vorgesehen.
Bestandteil des Projektes soll insbesondere
die beschleunigte Vermittlung der deutschen Sprache sein sowie die vermehrte
Schaffung von Arbeitsgelegenheiten und Praktika als auch die beschleunigte
Anerkennung von Berufsabschlüssen.