Betreff
Flüchtlinge
Vorlage
50/1841/XVI/2017
Art
Bericht

Beschlussvorschlag:

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss nimmt den Bericht zur Kenntnis.


Sachverhalt:

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss ist regelmäßig über die aktuelle Situation bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen zu informieren. Der im Kreisausschuss am 18.01.2017 behandelte Bericht wird daher auch dem Fachausschuss vorgelegt.

 

Modellprojekt zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen

Der Rhein-Kreis Neuss ist als eine von bundesweit 24 Kommunen für die Teilnahme an einem Modellprojekt der Bertelsmann-Stiftung zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ausgewählt worden.

Das Modellprojekt umfasst eine professionelle und bedarfsorientierte Prozessbegleitung und ist auf eine Dauer von maximal 9 Monaten angelegt. Ziel ist die Optimierung von Prozessen und Strukturen bei der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen. Die teilnehmenden Kommunen werden sich zudem untereinander austauschen und externen Input sowie Methoden-Wissen auch von internationalen Partnern der Bertelsmann-Stiftung aus Kanada und den USA erhalten. Für die Teilnahme wurden vor allem Kommunen ausgewählt, die sich bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt auch bislang schon besonders engagiert haben.

Das Projekt wird finanziert durch die JP Morgan Chase Foundation und durchgeführt in Kooperation mit dem durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten IQ-Netzwerk.

 

Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat nun die ihr im Rahmen der Einführung einer Wohnsitzauflage für Flüchtlinge gegebene Möglichkeit genutzt, mit einer Ausländer-Wohnsitzregelungsverordnung (AWoV) die landesinterne Verteilung der anerkannten Flüchtlinge zu regeln.

Für die Zuweisung von anerkannten Flüchtlingen in die Kommunen ist die Bezirksregierung Arnsberg zuständig. In der Regel soll die Zuweisung in die Kommunen direkt aus der Landeseinrichtung und gemeinsam mit der Zustellung des Anerkennungsbescheides des BAMF durchgeführt werden.

Die Verteilung der Flüchtlinge erfolgt anhand eines Verteilschlüssels, der bestimmte integrative Aspekte, insbesondere die in § 12a Abs. 3 AufenthG genannten Integrationskriterien des Wohnungs- und des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes, berücksichtigt.

Bei der Berechnung des Verteilschlüssels eine Integrationsquote gemeindebezogen gebildet. Basis dafür sind die Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde (zu 80 %), deren Fläche (zu 10 %) und entsprechende Arbeitslosigkeitsdaten (zu 10 %). Von der auf dieser Grundlage ermittelten Zuweisungsquote erfolgt ein Abzug (von 10 %) für Gemeinden, die eine besondere Wohnungsmarktbelastungssituation aufweisen (orientiert am Merkmal, ob die Gemeinde ein Gebiet nach § 1 MietbegrenzVO NRW ist). Ein weiterer Abzug (von 10 %) erfolgt für diejenigen Gemeinden, deren Einwohneranteil aus der Gruppe der sog. „EU-11“-Staatsbürger im SGB II-Bezug mindestens 50 % über dem Landesdurchschnitt liegt. Bei Letzteren handelt es sich um Staatsbürger der im Rahmen der EU-Osterweiterung schrittweise hinzugekommenen 11 neuen EU-Mitgliedstaaten (Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn).

 

Zur Berücksichtigung der individuellen Situation der Kommunen schließt die Bezirksregierung Arnsberg Zielvereinbarungen mit den Kommunen ab.

 

 

Bezogen auf die Kommunen im Rhein-Kreis Neuss wird lediglich bei den Städten Meerbusch und Neuss ein 10-prozentiger Abschlag aufgrund der Wohnungsmarktbelastungssituation berücksichtigt. Insgesamt ergeben sich für die Kommunen folgende Quoten:

 

Dormagen:                 0,34 %
Grevenbroich:             0,34 %
Jüchen:                      0,16 %
Kaarst:             0,23 %
Korschenbroich:           0,19 %
Meerbusch:                 0,26 %
Neuss:                       0,67 %
Rommerskirchen:         0,11 %

Rhein-Kreis Neuss: 2,3 %

 

 

Der Verteilschlüssel ist insbesondere für die Haushaltsplanungen von Bedeutung, da die Personen aufgrund des anerkannten Asylantrages unmittelbar in den Rechtskreis des SGB II fallen.

Von Seiten des Landkreistags NRW wird der Verteilschlüssel kritisiert, da er die kreisangehörigen Kommunen im Vergleich zu dem Verteilschlüssel des Flüchtlingsaufnahmegesetzes NRW (FlüAG) stärker belastet. Nach dem FlüAG NRW sind 63 % aller Flüchtlinge auf die kreisangehörigen Kommunen verteilt worden, nach der neuen Wohnsitzregelungsverordnung sind es 69 %. Dem Vorschlag des Landkreistag NRW sich bei der Verteilung nach der Gewichtung des Königsteiner Schlüssels (2/3 Steuerkraft, 1/3 Einwohner) zu orientieren, wurde nicht gefolgt.

Die Erfüllungsquoten stellen sich im Regierungsbezirk Düsseldorf zum Stichtag 29. November 2016 wie folgt dar:

 

 

 

 

 

Im Rhein-Kreis Neuss liegen die Erfüllungsquoten der Stadt Neuss – hier insbesondere auch wegen der Nichtberücksichtigung von Landeseinrichtungen - sowie der Gemeinde Rommerskirchen bei unter 50 Prozent. In den Städten Grevenbroich, Kaarst, Korschenbroich und Meerbusch sowie der Gemeinde Jüchen liegt die Erfüllungsquote zwischen 50 und 99 Prozent. In diesen Kommunen ist daher aktuell mit weiteren Flüchtlingszuweisungen zu rechnen. Die Stadt Dormagen hat ihre Aufnahmequote erfüllt.

 

Jahresstatistik 2016 der Ausländerbehörde Rhein-Kreis Neuss

Im Dezember 2016 waren im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde des  Rhein-Kreis Neuss (umfasst die Städte Grevenbroich, Kaarst, Korschenbroich und Meerbusch sowie die Gemeinden Jüchen und Rommerskirchen) insgesamt 4.710 Asylbewerber gemeldet. Gegenüber dem Jahresbeginn bedeutet dies einen Anstieg um 326 Personen.

Die Zahl der vollziehbar ausreisepflichtigen Personen konnte dabei in den letzten Monaten deutlich gesenkt werden. Waren dies im Juni noch 673 Personen, so ist die Zahl im Dezember 2016 auf 491 gesunken.

Im Jahr 2016 sind insgesamt 173 Personen im Zuständigkeitsbereich der Ausländerhörde des Rhein-Kreis Neuss freiwillig ausgereist. 32 Personen wurden abgeschoben, dazu gab es 15 Abschiebungsversuche. Diese Zahlen verteilen sich wie folgt auf die einzelnen Monate:

 

 

2016

Jan.

Feb.

März

April

Mai

Juni

Juli

Aug.

Sep.

Okt.

Nov.

Dez.

Freiwillige Ausreisen

23

14

34

36

1

1

11

1

13

18

16

5

Abschiebungen

1

1

1

0

1

1

0

6

1

1

9

10

Abschiebungs-versuche

2

6

2

0

0

0

1

1

1

0

2

0

 

 

Die häufigsten Abschiebungshemmnisse liegen in der Passunterdrückung, gefolgt von der fehlenden Identifizierung der Betroffenen und der fehlenden Kooperationsbereitschaft der Heimatbehörde.

 

Weitere Hemmnisse liegen im Untertauchen, in kurzfristig geltend gemachten Erkrankungen und im Asylfolgeverfahren. Beim Asylfolgeverfahren gibt es neue Tatsachen die zum Verfahrenssachverhalt hinzukommen. Zudem gibt es einige Erlasse des Innenministeriums, die den Ausländerbehörden das Verfahren erschweren. Dazu gehört der Erlass vom 06.11.2015, wonach Abschiebungen nur bei Vorliegen von besonderen humanitären Gründen erfolgen dürfen.

 

Außerdem dürfen nach dem Erlass vom 13.01.2016 die Ausländerbehörden aufgefordert werden, Abschiebungen von Kindern ausschließlich zu bestimmten Tageszeiten vorzunehmen. Dies gestaltet sich in der Umsetzung jedoch schwierig. Eine weitere neue Regelung erfolgte durch den Erlass vom 17.11.2016, wonach für jede Abschiebung ein sieben seitiges Abschiebeformular vorgelegt werden muss, welches den gesamten Inhalt der Abschiebeakte nochmals darstellt, damit die begleitenden Beamten bei der Abschiebung über sämtliche vorherige Schritte informiert sind. Durch diese wesentlichen Punkte kann ein Abschiebevorgang nicht so einfach realisiert werden.

 

Es gibt keine Liste, die einen direkten Vergleich der Rückführungs- bzw. Abschiebeaktivitäten der einzelnen Ausländerbehörden bzw. Kommunen ermöglicht. Im Bundesländervergleich sind die Aktivitäten der NRW-Kommunen, in denen bundesweit die meisten ausreisepflichtigen Personen leben, allerdings nicht im oberen Ranking.

 

 

 

Quelle: Focus - Artikel vom 17.06.2016

 

 

Schulische Situation

Das Kommunale Integrationszentrum (KI) des Rhein-Kreises Neuss führt für den gesamten Rhein-Kreis Neuss die sogenannte Seiteneinsteigerberatung für Kinder und Jugendliche und deren Eltern durch - unabhängig vom Status, also nicht nur für Flüchtlinge. Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche, die nicht oder noch nicht ausreichend Deutsch sprechen, werden hierbei zu ihrem Bildungsstand und zu ihrer bisherigen Bildungslaufbahn befragt, zu Schullaufbahn, Schulformen und Fördermöglichkeiten beraten und an eine geeignete Schule mit Seiteneinsteigerklasse zur intensiven Sprachförderung vermittelt. Jugendliche, die die zehnjährige Schulpflicht bereits erfüllt haben, werden an ein BBZ vermittelt und können dort zunächst in einer sog. Internationalen Förderklasse intensiv Deutsch lernen. Neben den Beratungen im KI in Neuss bietet das KI bei entsprechendem großem Bedarf auch Sammelberatungen in den Kommunen an, wenn dies praktikabel ist.

 

Im Rahmen von regelmäßigen Koordinierungssitzungen zwischen Oberer Schulaufsicht, Unterer Schulaufsicht, den Schulverwaltungsämtern der kreisangehörigen Kommunen und dem KI wird der Bedarf an Seiteneinsteigerklassen und Internationalen Förderklassen abgesprochen. Dabei prüfen die Schulverwaltungsämter in den Kommunen, ob genügend Plätze in den Regelklassen für die Kinder und Jugendlichen vorhanden sind, die nach ausreichendem Spracherwerb von den Seiteneinsteigerklassen in die Regelklassen wechseln können. Bei entsprechendem Bedarf muss auch eine Erhöhung der Zügigkeit in Betracht gezogen werden.

 

Die vermehrte Zuwanderung hat sich auch auf die Beratungszahlen im KI ausgewirkt:

 

Beratungen Schuljahr 2013/2014:        310 schulpflichtige Kinder und Jugendliche

Beratungen Schuljahr 2014/2015:        531 schulpflichtige Kinder und Jugendliche

Beratungen Schuljahr 2015/2016:     1.303 schulpflichtige Kinder und Jugendliche

 

Das MSW hat dem KI Rhein-Kreis Neuss daher im Februar 2016 eine weitere Lehrkraft mit halber Stelle für die Seiteneinsteigerberatung abgeordnet.

 

Das KI hält die Warteliste zwischen Beratung und endgültiger Anmeldung des Kindes/ Jugendlichen in der Schule möglichst gering. Auf der Warteliste stehen Kinder und Jugendliche, die nach der Seiteneinsteigerberatung vom KI noch nicht direkt an Schulen vermittelt werden können (etwa, weil eine entsprechende Seiteneinsteigerklasse gerade voll ist oder weil die Schule nicht sofort einen Anmeldetermin vergeben kann). Kinder und Jugendliche, die vom KI gar nicht vermittelt werden können, fallen in die Zuständigkeit der Unteren Schulaufsicht, da das KI nur vermitteln, nicht aber zuweisen darf. Zuweisungen erfolgen durch eine Schulrätin/ einen Schulrat der Unteren Schulaufsicht. Die dauernde Zusammenarbeit zwischen KI und Unterer Schulaufsicht ist vertrauensvoll und gut.

 

Im Oktober 2016 besuchten mehr als 1.500 schulpflichtige Flüchtlinge eine Schule im Rhein-Kreis Neuss (November 2015: rund 800).

 

Eine Übersicht über die im Rhein-Kreis Neuss zurzeit bestehenden Seiteneinsteigerklassen und Internationalen Förderklassen ist als Anlage beigefügt.

 

Für Jugendliche ohne Berufsausbildungsverhältnis dauert die Schulpflicht in NRW bis zum Ablauf des Schuljahres, in dem die Schülerin oder der Schüler das 18. Lebensjahr vollendet. Dies wird vielen geflüchteten Jugendlichen, die die deutsche Sprache noch nicht (ausreichend) verstehen und z.B. im Herkunftsland auch nicht oder nicht in notwendigem Maße die Schule besucht haben, nicht gerecht. Ab Februar will das MSW daher ein neues Bildungsangebot mit dem Arbeitstitel „Fit für mehr“ als weitere Option für neu zugewanderte Jugendliche im Alter von 16 bis 25 Jahren umsetzen. Das neue einjährige Bildungsangebot ist den bisherigen Bildungsangeboten des Berufskollegs vorgelagert und ergänzt diese. Es soll fundierte Grundkenntnisse im sprachlichen, mathematischen, kulturellen und politisch-gesellschaftlichen Bereich vermitteln. Die Zuweisung soll quartalsweise durch die schulfachliche Aufsicht erfolgen.

 

Die Vorklasse „Fit für mehr“ kann von neu zugewanderten Jugendlichen, die der Schulpflicht in der Sekundarstufe II unterliegen und dem BBZ unterjährig zugewiesen werden, bis zum Ende des jeweiligen Schuljahres besucht werden, daran anschließend ist der Wechsel in die Internationale Förderklasse möglich. Auch Jugendliche, die bei Eintritt in die Vorklasse noch schulpflichtig in der Sekundarstufe II sind und während des Besuches dieser Vorklasse das 18. Lebensjahr beenden, dürfen anschließend in die Internationale Förderklasse wechseln.

 

Nicht mehr schulpflichtige jugendliche Zuwanderer im Alter von 18 bis 25 Jahren sind berechtigt, in eine „Fit für mehr“- Vorklasse aufgenommen zu werden. Bei Aufnahme bis zum 31.10. eines Schuljahres können sie die Vorklasse bis zum jeweiligen Schuljahresende besuchen. Bei Aufnahme ab dem 01.11. eines Schuljahres können sie die Vorklasse höchstens bis zum Ende des darauffolgenden Schuljahres besuchen, wenn sich nicht vorher ein Anschluss, z.B. durch Wechsel in eine Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit oder eines Weiterbildungskollegs, ergibt.

 

Das Programm „Fit für mehr“ des MSW wirft noch viele Fragen bezüglich der Umsetzung auf. Es gibt bisher wenige Informationen darüber, welche Maßnahmenbeteiligung sich aus dem Programm ergeben könnte, da es keine klare Datenerhebung für die Zielgruppe gibt. Zurzeit sammelt das MSW entsprechende Informationen. Im Februar/ spätestens März soll es nach Auskunft der Landeskoordinierungsstelle für die Kommunalen Integrationszentren (LaKI) Beratungen zum Erlass geben, wo entsprechende Fragen geklärt werden sollen. Konkrete Planungen sind daher zurzeit noch nicht möglich.

 

Das KI hat alle BBZ im Rhein-Kreis Neuss über das Programm informiert. Parallel zu den Klärungsvorgängen beim Land wird das KI bereits jetzt Gespräche mit dem Jobcenter/ dem Integrationspoint führen, um den Erlass zu besprechen und zu klären, welche Informationen vor Ort vorhanden sind und ob es dort Zahlen gibt, wie viele nicht mehr schulpflichtige Jugendliche und junge Erwachsenen für das Programm in Frage kommen.

 

Anlage