Beschlussvorschlag:
Der Sozial- und Gesundheitsausschuss nimmt den Bericht zur Kenntnis.
Sachverhalt:
Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit
Behinderungen, kurz Bundesteilhabegesetz (BTHG), ist am
23.12.2016 erlassen worden (BGBl. I S. 3234).
Als Artikelgesetz ist es sehr umfangreich und tritt in
mehreren Stufen in Kraft. Es verschiebt alle Leistungen der Eingliederungshilfe
für Menschen mit Behinderung aus der Sozialhilfe in das Recht der
Rehabilitation und regelt die Leistungen der Eingliederungshilfe auch
inhaltlich neu.
In der Kurz-Zusammenfassung stellen sich die wichtigsten Änderungen wie
folgt dar:
- Mit dem Bundesteilhabegesetz
wird das Wunschrecht des Leistungsempfängers gestärkt, Einkommens- und
Vermögensschongrenzen werden erhöht und Leistungsausweitungen vorgenommen.
- Erste Leistungsverbesserungen
treten zum 01.01.2017 in Kraft, weitere Änderungen zum 01.01.2018 und die
neue Eingliederungshilfe zum 01.01.2020.
- Der Bundesrat hat in einer
Entschließung einen Ausgleich der Kostensteigerungen nach erfolgter
Evaluation gefordert. Der Bund beteiligt sich derzeit nur teilweise an Mehraufwendungen
der Kommunen.
- Die heutige Definition des
leistungsberechtigen Personenkreises wird 2023 abgelöst.
- Statt eines Aufbaus inklusiver
Strukturen in den Schulen wird weiterhin an Leistungen der
Eingliederungshilfe festgehalten, diese werden ausgeweitet.
- Leistungen der
Eingliederungshilfe gehen weiterhin der gesetzlichen Pflegeversicherung
vor.
- Die Länder sind verpflichtet,
bis 01.01.2018 einen neuen Sozialleistungsträger zu bestimmen.
Nach
der Verabschiedung durch den Deutschen Bundestag am 01.12.2016 hat auch der
Bundesrat, dessen Zustimmung erforderlich war, am 16.12.2016 dem
Bundesteilhabegesetz zugestimmt und dabei zugleich eine Entschließung zu den
Finanzfolgen des Bundesteilhabegesetzes gefasst.
Das
Gesetz sei zwar hinsichtlich der finanzpolitischen Forderungen der Länder
nachgebessert worden. Die Zusage des Bundes, dass keine zusätzlichen Ausgaben
für Länder und Kommunen erwachsen dürfen und die Reform einen Beitrag dazu
leiste, die bestehende Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe zu stoppen,
werde aber klar verfehlt.
Positiv
ist, dass die Regelung zur sachlichen Zuständigkeit, nach der die heutigen
Träger der Eingliederungshilfe zuständig bleiben sollten, bis die Länder neue
Träger bestimmt haben, gestrichen ist. Bis 31.12.2017 müssen die Länder den
Träger der Eingliederungshilfe bestimmen.
Zu
kritisieren ist, dass weitere Leistungsausweitungen aufgenommen wurden.
Besonders problematisch ist eine neue Regelung zur Berücksichtigung von
Wünschen der Leistungsberechtigten beim Wohnen, die zusätzlich zu den
bestehenden Leistungsausweitungen eine weitere Kostendynamik auslösen kann.
Zum
01.01.2017 treten erste Leistungsverbesserungen in der Eingliederungshilfe nach
dem SGB XII in Kraft. Maßgeblich ist das Recht jetzt von einem
personenzentrierten Ansatz geprägt, d. h. es kommt nicht mehr darauf an, in
welcher Wohnform der behinderte Mensch lebt. Leistungen zum Lebensunterhalt
werden von Fachleistungen getrennt.
Die
grundlegenden Änderungen in Teil 1 des SGB IX, die für alle
Rehabilitationsträger gelten, und die Änderungen im Vertragsrecht treten zum
01.01.2018 in Kraft, die neue Eingliederungshilfe zum 01.01.2020.
Länder
und Kommunen sehen große Risiken im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen
der geplanten Neuregelungen im Bundesteilhabegesetz für ihre Haushalte
insbesondere auch vor dem Hintergrund von zusätzlichen Leistungserweiterungen.
Hierdurch wären die Ziele des Bundesteilhabegesetzes, die 2012 zwischen Bund
und Ländern im Rahmen des Fiskalpaktes vereinbart wurden, erheblich gefährdet.
Die
vom Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf geforderte gesetzliche
Kostenübernahmeregelung des Bundes bezüglich der durch das Bundesteilhabegesetz
für die Kommunen und Länder entstehenden Mehrkosten fehlt nach wie vor.
Ab
2017 wird die Evaluation unterschiedlicher Regelungen, insbesondere der
Finanzfolgen und der Formulierung zum leistungsberechtigen Personenkreis
erfolgen. Besonders zu betrachten sind:
- die verbesserte Einkommens-und
Vermögensanrechnung,
- die Einführung des Budgets für Arbeit und
der anderen Leistungsanbieter,
- neue Leistungskataloge für die soziale
Teilhabe und die Teilhabe an Bildung,
- die Trennung der Fachleistungen der
Eingliederungshilfe von den Leistungen zum Lebensunterhalt,
- die Einführung eines trägerübergreifenden
Teilhabeplanverfahrens sowie
- die Einführung von Frauenbeauftragten in
den Werkstätten für behinderte Menschen
Die
Forderung der Länder an den Bund, die durch das Bundesteilhabegesetz
ausgelösten Mehrkosten vollständig zu übernehmen, hat der Bund zurückgewiesen.
Die Entwicklung der Ausgaben und Einnahmen wird evaluiert, ohne dass klar wäre,
was aus den Ergebnissen der Evaluation folgen soll. Zu den zuletzt genannten
Leistungsverbesserungen beim Schonvermögen sowie beim Arbeitsförderungsgeld hat
der Bundestag zwei Erstattungsregelungen aufgenommen, mit denen der Bund in den
Jahren 2017 bis 2025 einen Teil der Mehrausgaben übernimmt, §§ 136, 136a
SGB XII. Diese komplexen Regelungen werden noch näher zu prüfen sein.
Die
heutige Definition des leistungsberechtigen Personenkreises in § 53
SGB XII gilt bis zum Jahresende 2022 fort. Ab dem Jahr 2023 ist eine neue
gesetzliche Definition vorgesehen, die auf eine Einschränkung der Fähigkeit zur
Teilhabe an der Gesellschaft in erheblichem Maße abstellt (Artikel 25a BTHG).
Dabei soll die für die Art der Behinderung typisierende notwendige
Unterstützung in den bekannten neun Lebensbereichen maßgebend sein. Die
vormalige Beschränkung auf fünf bzw. drei Lebensbereiche unterbleibt. In den
Jahren 2019 und 2020 erfolgt eine Evaluation dieser Definition, so dass bis zum
Jahr 2023 gesetzgeberische Korrekturen erfolgen können.
Es
bleibt beim Gleichrang im Verhältnis zwischen Eingliederungshilfe und Pflege.
Die Eingliederungshilfe umfasst stationär und ambulant die Pflegeleistungen. Im
häuslichen Bereich wird der sogenannte Lebenslagenansatz aufgegriffen: Die
Eingliederungshilfe greift nur, wenn der Leistungsberechtigte vor Vollendung
des für die Regelaltersgrenze maßgeblichen Lebensjahres Eingliederungshilfe
erhalten hat (§ 103 SGB IX). Die Beschränkung der Leistungen der
Pflegekasse in stationären Behinderteneinrichtungen (§ 43a SGB XI)
bleibt bestehen.
Bei
der Prüfung der Zumutbarkeit der Leistung sind die persönlichen, familiären und
örtlichen Umstände einschließlich der gewünschten Wohnform angemessen zu
berücksichtigen. Kommt danach ein Wohnen außerhalb von besonderen Wohnformen in
Betracht, ist dieser Wohnform der Vorzug zu geben, wenn dies von der leistungsberechtigten
Person gewünscht wird. Soweit es gewünscht ist, sind die im Zusammenhang mit
dem Wohnen stehenden Assistenzleistungen im Bereich der Gestaltung sozialer
Beziehungen und der persönlichen Lebensplanung nicht gemeinsam zu erbringen (§ 104
Abs. 3 SGB IX). Diese Neuregelung ist problematisch. Zwar steht die
Berücksichtigung der Wünsche unter der Voraussetzung, dass die Wohnform
angemessen ist; dies schließt die Prüfung der Kosten ein. Gleichwohl können die
offenen Formulierungen eine neue Kostenwelle bei der in der gewünschten
Wohnform zu leistenden Eingliederungshilfe auslösen.
Die
Leistungen zur Bildung werden nicht nur im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht,
sondern auch zum Besuch weiterführender Schulen gewährt (§ 112
SGB IX). Damit wird die Eingliederungshilfe weiter zum Ausfallbürgen
ausgebaut, anstatt dass die vorrangig verantwortliche Schule in die Pflicht
genommen würde.
Das
für Werkstattbeschäftigte gezahlte Arbeitsförderungsgeld wird auf monatlich
52 € verdoppelt. (§ 59 SGB IX) Das Schonvermögen wird beim Bezug
anderer Leistungen wie der Hilfe zum Lebensunterhalt, der Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung oder der Hilfe zur Pflege von derzeit
2.600 € auf 5.000 € erhöht.
Im
Vorgriff auf das Inkrafttreten der Neuregelung der Eingliederungshilfe im
SGB IX gilt gem. § 60a SGB XII für Personen, die Leistungen der
Eingliederungshilfe erhalten, ab 01.01.2017 ein zusätzlicher
Vermögensfreibetrag von 25.000 € zur Sicherstellung einer angemessenen
Lebensführung und einer angemessenen Alterssicherung.
Dieser
zusätzliche Vermögensfreibetrag ergänzt die bisherige Härtefallregelung des
§ 90 Abs. 3 SGB XII.
Der
Einsatz oder die Verwertung eines solchen Vermögens stellt für die Betroffenen
und für die unterhaltsberechtigten Angehörigen mithin stets eine Härte im Sinne
des § 90 Abs. 3 SGB XII dar. Das im Rahmen dessen schon bisher
geschützte Vermögen ist nicht auf den pauschalierten Betrag von 25.000 Euro
anzurechnen.
Gem.
§ 66a SGB XII wird für Personen, die Leistungen der Hilfe zur Pflege
erhalten, ebenfalls ein zusätzlicher Vermögensfreibetrag von 25.000 €zur
Sicherstellung einer angemessenen Lebensführung und einer angemessenen
Alterssicherung eingeführt, wenn dieses Vermögen ganz oder überwiegend als
Einkommen aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit (also durch
eigenen Arbeitseinsatz) im Zeitraum des Leistungsbezuges erworben wurde.
Vermögen aus anderen Quellen, etwa aus Unterhalt, Rente oder aus vor dem
Leistungsbezug erworbenen Einkommen, wird vom Vermögensfreibetrag nicht umfasst.
Für
Personen, die Leistungen der Hilfe zur Pflege erhalten, ist ein Betrag in Höhe
von 40 Prozent des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger
Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen, höchstens jedoch 65 Prozent der
Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII. Für Personen,
die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen erhalten, gilt
Satz 1 bis zum 31. Dezember 2019 entsprechend.
Von
dem Freibetrag profitieren nicht nur die Betroffenen, sondern mittelbar auch
die Angehörigen nach § 19 Abs. 3 SGB XII, denn bei der Berechnung der
Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII bleibt das Einkommen des
behinderten oder des pflegebedürftigen Partners in Höhe des Freilassungsbetrags
zukünftig außer Betracht.
Für
Personen, die sowohl die Voraussetzungen eines Einkommensfreibetrags im Rahmen
des § 82 Abs. 3 SGB XII als auch im Rahmen des § 82 Abs. 3a
SGB XII erfüllen, findet die jeweils im Einzelfall für den
Leistungsberechtigten günstigere Regelung Anwendung.
Einkommen
aus anderen Quellen, etwa aus Unterhalt oder Rente, werden nicht privilegiert.
Auch
das Schwerbehindertenrecht und die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
werden weiterentwickelt. Alternativen zur Beschäftigung in der WfbM sollen
durch andere Anbieter geschaffen werden. Es wird ein Budget für Arbeit als
unbefristeten Lohnkostenzuschuss für Arbeitgeber geben.