Beschlussempfehlung:
Der
Jugendhilfeausschuss nimmt den Sachverhalt zur Kenntnis.
Sachverhalt:
Im
Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes des Rhein-Kreis-Neuss sind aktuell
62 Tagespflegepersonen (TPP) tätig, sie betreuen zurzeit 191 Kinder. Diese Betreuungen
gliedern sich wie folgt:
Korschenbroich: 36
TPP mit 117 Kindern
Jüchen: 17 TPP mit 32 Kindern
Rommerskirchen: 9 TPP mit 42
Kindern
Davon
arbeiten 15 Tagespflegepersonen in 5 Großtagespflegestellen in Korschenbroich
(2), Jüchen (2) und Rommerskirchen (1), sie betreuen insgesamt 45 Kinder; im
Jahr 2018 ist die Errichtung von weiteren Großtagespflegestellen geplant, wovon
sich eine in Rommerskirchen bereits in der konkreten Planungsphase befindet.
Vertretungserfordernis:
Seit
Jahren ist ein Anstieg der Nachfrage und der Anzahl der Betreuungsplätze im
Rahmen der Kindertagespflege zu verzeichnen. Auch hat sich der Umfang der
wöchentlichen Betreuungszeit aufgrund eines Anstiegs der wöchentlichen
Arbeitszeit der Eltern, insbesondere der Frauen, stark erhöht; dieser liegt
aktuell bei durchschnittlich 35 Wochenstunden.
Im
Zuge dessen hat sich in den letzten zwei Jahren auch der Bedarf an
Vertretungsplätzen im Rahmen der Kindertagespflege erhöht.
Wie
bei allen Beschäftigten treten auch bei Tagespflegepersonen sowie deren eigenen
Kindern Erkrankungsphasen auf, durch die unerwartete Ausfallzeiten der
Tagespflegepersonen entstehen. Zudem haben immer weniger Eltern die
Möglichkeit, diese Ausfallzeiten durch dem Kind bekannte Bezugspersonen
abzudecken, insbesondere wenn die Ausfallzeiten länger andauern. Auch der
eigene Urlaubsanspruch der Eltern ist begrenzt und kann zudem nicht jederzeit
und kurzfristig in Anspruch genommen werden.
Fällt
eine Tagespflegeperson aufgrund einer Erkrankung aus, müssen umgehend meist bis
zu fünf Kinder durch andere Tagespflegepersonen betreut werden. Daneben müssen
unter Umständen in den Ferien- und Urlaubszeiten der Tagespflegepersonen
alternative Betreuungsmöglichkeiten gewährleistet werden, falls die Eltern in
dieser Zeit keinen Urlaub nehmen können; dieser Bedarf ist jedoch durch Vorlage
einer Bescheinigung seitens des Arbeitgebers nachzuweisen. Grundsätzlich sind
Tagespflegepersonen und Eltern angehalten ihren Urlaub aufeinander abzustimmen.
Auf
der Grundlage der zuvor genannten Rahmenbedingungen ist die Einführung eines
Vertretungsmodells, das sowohl den Tagespflegepersonen wie auch den Eltern und
Kindern Verlässlichkeit in dieser Betreuungsform bietet, unabdingbar.
Gesetzliche Grundlagen
und sich daraus ergebende Ansprüche:
Die
gesetzliche Verpflichtung für die Einführung eines Vertretungsmodells im
Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes basiert auf § 23 Abs. 4 Satz 2 SGB
VIII, der regelt, dass für Ausfallzeiten einer Tagespflegeperson rechtzeitig
eine andere Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherzustellen ist. Adressat dieser
Verpflichtung ist gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII der Träger der öffentlichen
Jugendhilfe; des Weiteren muss die Ersatzbetreuung dem Förderauftrag gem. § 22
Abs. 3 SGB VIII gerecht werden und durch geeignete Tagespflegepersonen gem. § 4
KiBiz oder in einer Einrichtung mit Betriebserlaubnis erfolgen.
Aus
diesen gesetzlichen Grundlagen lässt sich im Hinblick auf eine größtmögliche
Kontinuität in der Kindertagespflege die Verpflichtung des Kreisjugendamtes
ableiten, das Risiko eines unvorhergesehenen Betreuungsausfalls durch das
Vorhalten eines Vertretungskonzeptes in der Kindertagespflege zu minimieren.
Anforderungen an ein
Vertretungsmodell:
Als
Hauptkriterien für Qualitätsstandards eines Vertretungskonzeptes gelten auch
hier Kontinuität und Bindung in Form von stabilen Rahmenbedingungen,
beständigen Bezugspersonen und Verlässlichkeit im Lebensrhythmus, insbesondere
je jünger das Kind ist. Diese Rahmenbedingungen spielen eine wesentliche Rolle
für ein harmonisches und sicheres Aufwachsen von Kindern.
Für
die Eltern bietet das angebotene Vertretungsmodell Verlässlichkeit und
Kontinuität in der Betreuung ihres Kindes verbunden mit einer weitgehend
unkomplizierten Umsetzbarkeit.
Der
Tagespflegeperson wiederum bietet ein verlässliches Vertretungsmodell die
Möglichkeit, ihre Erkrankung im erforderlichen Maße auszukurieren, um
anschließend wieder mit hohem Engagement ihre Tageskinder weiterbetreuen zu
können.
Gute
Vertretungsmodelle zeichnen sich durch eine möglichst optimale Integration der
Vertretungsperson in den Betreuungsalltag der Tageskinder aus. Zudem stellt ein
Vertretungsmodell erhöhte persönliche und fachliche Anforderungen an die
Vertretungstagespflegeperson, um sich innerhalb kürzester Vorbereitungszeit auf
die speziellen Bedürfnisse einzelner Familien und deren Kinder anzupassen.
In
diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach einem geeigneten Entgeltmodell
der Vertretungstagespflegepersonen: eine angemessene Geldleistung könnte zum
einen im Rahmen einer Tätigkeit auf selbständiger Basis mit einer pauschalen
Vergütungsleistung erfolgen oder aber in Form eines Festanstellungsmodells.
An
dieser Stelle sei auch der Imagegewinn durch ein gut funktionierendes
Vertretungsmodell aus Sicht der Kommunen erwähnt, da bedarfsgerechte und
zuverlässige Betreuungsangebote ein wichtiger Standortfaktor für die Ansiedlung
von Familien mit Kindern darstellt.
Jedoch
sind bei der Umsetzung eines qualitätsorientierten Vertretungsmodells die
spezifischen Besonderheiten in den einzelnen Kommunen zu beachten. Die Tagespflegepersonen
im Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes sind im überwiegenden Fall mit
der maximal zu betreuenden Kinderanzahl belegt, so dass sich kaum Möglichkeiten
ergeben, Plätze für Vertretungssituationen frei zu halten. Für die Kommunen des
Kreisjugendamtes ist daher in erster Linie eine Kombination des sogenannten
„Stützpunktmodells“ mit dem Einsatz von mobilen Springerkräften sinnvoll.
Dieses Modell soll im Folgenden dargestellt werden.
Stützpunktmodell mit
Einsatz von mobilen Springerkräften:
Bei
diesem Modell kooperiert eine Tagespflegeperson mit einer festgelegten Anzahl
von Tagespflegepersonen in gut erreichbarer Nähe. Die Räumlichkeiten können zum
einen die eigene Wohnung der Vertretungs-TPP, aber auch angemietete Räumlichkeiten
sein. Im letzteren Fall trägt der öffentliche Träger die Kosten der
angemieteten Räumlichkeiten.
Grundlage
dieses Vertretungsmodells ist die regelmäßige Kontaktpflege der Vertretungs-TPP
mit den am Vertretungsmodell teilnehmenden Tagesmüttern und Familien. Dies kann
durch Besuche bei den Tagesmüttern, aber auch insbesondere durch Besuche der
regulären Tagesmütter sowie der Familien bei der Vertretungs-TPP stattfinden.
Auch hier steht wieder der Bindungsaufbau und des Weiteren das Vertraut machen
mit den Stützpunkträumlichkeiten im Vordergrund.
Bei
diesem Modell bleiben die Kinder im Vertretungsfall zwar nicht in ihrer
gewohnten Umgebung, die Kindergruppe bleibt jedoch erhalten und die erkrankte
Tagesmutter hat die Gelegenheit, umfassend zu genesen.
Der
Vorteil des Stützpunktmodells in angemieteten Räumlichkeiten liegt in der
zusätzlichen Möglichkeit nicht nur eine Ersatzbetreuung zu gewährleisten,
sondern auch andere Angebote zu schaffen, z. B. regelmäßige Spielnachmittage,
Elternabende, Gelegenheit zum fachlichen Austausch, Tagespflegetreffs, etc.
Als
nachteilig ist bei diesem Modell der höhere Kostenaufwand zu sehen, da
eventuelle Zuschüsse für angemietete Räumlichkeiten zusätzlich finanziert
werden müssten.
Finanzielle Auswirkungen:
Bereits
jetzt fallen für einen Vertretungsfall zusätzliche Kosten an. Gemäß der Satzung
des Rhein-Kreises-Neuss über die Förderung von Kindern in Kindertagespflege vom
13.04.2015 wird die Geldleistung an eine Tagespflegeperson, wenn sie urlaubs-
oder krankheitsbedingt ausfällt, bis zu einem Zeitraum von maximal sechs Wochen
pro Jahr fortgezahlt. Zusätzlich erhält die Vertretungstagespflegeperson für
die tatsächlich geleisteten Vertretungszeiten ebenfalls eine entsprechende
Geldleistung.
Mit
der Einführung eines strukturierten Vertretungsmodells sind jedoch Mehrkosten
in Höhe von ca. 140.000 € pro Jahr (Geldleistungen an TPP zzgl. Mietkosten für
Räumlichkeiten) einzukalkulieren.