Beschlussvorschlag:
Der Sozial- und Gesundheitsausschuss nimmt den Bericht zur Kenntnis.
Sachverhalt:
Ausgangslage
Fragestellungen zur rechtsvereinfachenden Bestimmung angemessener
Kosten der Unterkunft sind aktuell Gegenstand von Überlegungen für eine
gesetzliche Neuregelung zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung.
Grundlage dieser Überlegungen ist der seit Ende 2016 vorliegende
Forschungsbericht „Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für die Kosten der
Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften
Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)“. Auf Basis dieser Untersuchungsergebnisse tagt
seit September 2017 eine Arbeitsgruppe der Konferenz der Ministerinnen und
Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales (ASMK). An dieser
ASMK-Arbeitsgruppe nehmen auch der Deutsche Landkreistag (DLT) und der Deutsche
Städtetag (DST) teil.
Ende 2017 beschloss der DST ein
Positionspapier, welches die Festlegung zusätzlicher Standards bei den
KdU-Leistungen ablehnt. Das DST-Positionspapier ist als Anlage beigefügt. Der
DLT beschloss Anfang 2018 ebenfalls ein Positionspapier zu der oben
beschriebenen angestrebten gesetzlichen Neuregelung, in welches inhaltlich auch
eine Stellungnahme der Kreisverwaltung eingeflossen ist. Entgegen des DST
formuliert der DLT konkrete Änderungswünsche. Das DLT-Positionspapier ist als
Anlage beigefügt. Aufgrund der abgegebenen Stellungnahme erfragte der Landkreistag NRW
(LKT NRW) die Bereitschaft der Kreisverwaltung an einem gemeinsamen Austausch
beim nordrhein-westfälischen Sozialministerium (MAGS NRW) teilzunehmen, zu dem
das MAGS NRW im Vorfeld der nächsten Sitzung der ASMK-Arbeitsgruppe eingeladen
hat.
Der gemeinsame Austausch fand in den
Räumlichkeiten des MAGS NRW am 24.01.2018 statt. Neben dem MAGS NRW und den kommunalen
Spitzenverbänden nahmen an dieser Besprechung auch Vertreter anderer Kreise
(z.B. Kreis Düren) und kreisfreien Städte (z.B. Stadt Köln) teil. Ein Anliegen
des MAGS NRW ist, dass die Kommunen infolge einer gesetzlichen Neuregelung in
die Lage versetzt werden, eigene Untersuchungen und somit eigene
grundsicherungsrelevante Mietspiegel zu erstellen. Es wurde zusätzlich betont,
dass selbst bei einem Konsens auf der Arbeitsebene innerhalb der
ASMK-Arbeitsgruppe nicht absehbar sei, was politisch umgesetzt werden könne. Insgesamt
wurden 6 Themenblöcke besprochen, die nachfolgend kurz skizziert werden:
1. Vergleichsraum
Eine Empfehlung des o.g. Forschungsberichts
war hinsichtlich der Vergleichsraumbildung, die Möglichkeit der Bildung einer
Schnittmenge von Trägergebiet und Mittelbereichen der Regionalplanung des
Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Betracht zu ziehen.
Diesem Vorschlag konnte übereinstimmend gefolgt werden, jedoch mit der
Einschränkung, dass gesetzlich trägerübergreifende Vergleichsraumbildungen
ausgeschlossen werden sollten.
Fände diese Regelung Einzug ins Gesetz,
würden sich hierdurch für den Rhein-Kreis Neuss keine Änderungen ergeben. Die
Mittelbereiche der Regionalplanung des BBSR entsprechenden den 6 Mietkategorien
(6 Vergleichsräume) des Rhein-Kreises Neuss.
2. Wohnfläche
Es wurden verschiedene Lösungswege
diskutiert (Bund oder Land geben Wohnflächengrenzen vor, jeder Träger ermittelt
in seinem Trägergebiet die tatsächlich durchschnittlich genutzte Wohnfläche
vergleichsraumscharf und haushaltsgrößenbezogen oder Beibehaltung der aktuellen
Regelung) mit ihren Vor- und Nachteilen.
Übereinstimmend wurde die Lösung der
Beibehaltung der aktuellen Regelung (Werte des öffentlich geförderten Wohnungsbaus)
favorisiert. Auch hierdurch würden sich für den Rhein-Kreis Neuss keine Änderungen
ergeben.
3. Quadratmeterhöchstgrenze
Aus dem Teilnehmerkreis (sowohl aus dem
Kreisraum als auch aus dem kreisfreien Raum) wurde berichtet, dass vermehrt
Fälle auftreten, in denen Vermieter ihre Immobilien zimmerweise an
Hilfebedürftige vermieten, so dass aufgrund der Produkttheorie selbst bei
Anmietung von Kleinstflächen für Alleinstehende die volle Mietobergrenze für
einen 1-Personen-Haushalt ausgeschöpft wird und der Quadratmeterpreis hierdurch
teilweise in den Bereich der Mietwucherei fällt. Infolge der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes (BSG) kennt man das Phänomen bereits auch bei
Wohngemeinschaften.
Das Instrument der Festsetzung einer
Quadratmeterhöchstgrenze bei Kleinstunterkünften bei einer damit einhergehenden
Durchbrechung der Produkttheorie wurde vorgeschlagen wie auch die Ermittlung
einer gesonderten Mietobergrenze unter Beibehaltung der Produkttheorie. Ein
Konsens konnte an dieser Stelle nicht gefunden werden.
Es wurde jedoch übereinstimmend
festgehalten, dass bei einer Nichtregelung der unbefriedigende status quo
beibehalten werden würde. Danach verlagert man diese Fälle auf den
Zivilrechtsweg (Klage gegen den Vermieter auf Mietwucherei) mit einer nicht
leistbaren Belastung der Jobcenter.
4. Datenquellen
Es wurde erörtert, ob gesetzlich fixiert
werden müsse, welche Datenquellen für die Erstellung grundsicherungsrelevanter
Mietspiegel genutzt werden müssen und darüber hinaus auch in welcher Qualität
sowie Quantität.
Die Diskussion ergab ein heterogenes Bild.
Während die Mitglieder der Kreise sich für eine Konkretisierung ausgesprochen
haben, sprach sich der kreisfreie Raum dagegen aus. Damit wurden die Positionen
in den beigefügten Positionspapieren beibehalten.
Das MAGS NRW ließ nicht erkennen, welche
Position es bei der nächsten ASMK-Arbeitsgruppe einnehmen würde.
5. Fortschreibung
Bisher war der Aspekt der Fortschreibung
nicht obergerichtlich geklärt. In der jüngsten Vergangenheit hat jedoch das BSG
(Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R) über Aspekte der Fortschreibung
entschieden. Das Urteil liegt aktuell noch nicht im Volltext vor. Aus der
Pressemitteilung des BSG zu diesem Verfahren lässt sich jedoch erkennen, dass
das BSG in Anlehnung an die Satzungsvorschrift des § 22c SGB II keine zwingende
Fortschreibung nach 2 Jahren vorschreibt, sondern erst nach einem sog. „nicht
vorhersehbaren Preissprung“, der zudem nicht punktuell eintreten darf, sondern über
längere Zeiträume zu beobachten sein muss.
Vorbehalte aus dem Teilnehmerkreis wurden
gegen die vorgenannte Rechtsprechung nicht vorgetragen, auch wenn die
Urteilsbegründung noch abgewartet werden müsse. Darüber hinaus wird eine
Neuerhebung alle 4 Jahre für absolut ausreichend betrachtet (wie bei
qualifizierten Mietspiegeln, § 558d Abs. 2 Satz 3 BGB). Für den Rhein-Kreis
Neuss würde dies bedeuten, dass nicht zwingend alle 2 Jahre eine Neuerhebung
vorgenommen werden müsste, wie dies der Kreistag in seinem Beschluss vom
21.12.2016 festgehalten hat, wonach die derzeit
gültigen neuen Mietobergrenzen am 01.02.2017 in Kraft traten und eine Anpassung
der Mietobergrenzen zum 01.02.2019 aufgrund einer Neuerhebung zu erfolgen hat.
Das BSG entschied bei der o.g. Entscheidung
zusätzlich, dass, sofern fortgeschrieben werden müsse, nicht der Preisindex für
Nettokaltmieten und kalte Betriebskosten heranzuziehen ist, der auch
länderscharf ermittelt wird (siehe www.IT.NRW.de: https://webshop.it.nrw.de/qsearch.php?keyword=M12),
sondern sprach sich für die Anwendung des bundesweiten Verbraucherpreisindeces
(Lebenshaltungskosten) aus, obwohl der entsprechende Warenkorb neben der Preisentwicklung
bei den Wohnkosten auch weitere Waren und Dienstleistungen berücksichtigt, die
in keinem Zusammenhang mit Unterkunftskosten stehen. Dies erfolgte ebenfalls in
Anlehnung an die Vorgaben für qualifizierte Mietspiegel (§ 558d Abs. 2 Satz 2
BGB).
Das MAGS NRW gab zu erkennen, dass es einer
Pflicht zur Mietwohnbeobachtung (fortlaufende Recherche und Darstellung aller
Mietangebote im Rhein-Kreis Neuss) zuneigen würde. Diese Erkenntnisse können
für die Feststellung der Notwendigkeit einer Fortschreibung genutzt werden aber
auch für Kostensenkungsfälle und für gerichtliche Verfahren. Für den
Rhein-Kreis Neuss hätte dies zur Folge, dass die Kreisverwaltung verpflichtet
wäre, entweder eine eigene Mietwohnbeobachtung mit eigenem Personal zu
betreiben oder jene bei privaten Anbietern einzukaufen. Nach aktuellen
Erkenntnissen der Kreisverwaltung ließe sich eine Mietwohnbeobachtung für eine
jährliche Pauschale von unter 20.000 Euro ankaufen.
6. Verfügbarkeit
Das Kernstück einer jeden Festlegung von
Mietobergrenzen ist die Darlegung, ob zu dem Betrag einer Mietobergrenze auch
angemessener Wohnraum angemietet werden kann. Hierbei unterscheidet man
zwischen der Verfügbarkeit auf der abstrakten Ebene (Verfügbarkeitsprüfung
bereits im Rahmen eines schlüssigen Konzeptes) und auf der konkreten Ebene
(Frage der Verfügbarkeit im Einzelfall in Kostensenkungsverfahren).
Hinsichtlich der Verfügbarkeit auf der
abstrakten Ebene ließ das MAGS NRW nicht erkennen, welche Position es bei der
nächsten ASMK-Arbeitsgruppe einnehmen würde. Teilweise wurde ausgeführt, dass
der Nachweis einer einzigen Wohnung bereits als ausreichend gelten müsste. Auch
wurde überwiegend befürwortet, dass die Verfügbarkeitsprüfung auf der
abstrakten Ebene anhand von Neuvertragsmieten und nicht ausschließlich anhand
von Angebotsmieten vorzunehmen sei. Das im Rhein-Kreis Neuss angewandte Konzept
nimmt einen Abgleich mit Angebotsmieten vor und überprüft diese Ergebnisse
anhand eines Abgleichs mit Neuvertragsmieten.
Die Verfügbarkeit auf der konkreten Ebene
betrifft insbesondere die Frage, wer die Beweislast tragen muss, dass zu den
festgesetzten Mietobergrenzen angemessener Wohnraum angemietet werden kann, und
wie substantiiert die Beweisführung betrieben werden müsse. Die aktuelle
KdU-Arbeitshilfe des MAGS NRW legt hierzu lediglich fest, dass die Beweislast
der Hilfebedürftige trägt ohne festzulegen, wie detailliert der substantiierte
Nachweis auszusehen hat. Das MAGS NRW äußerste, nähere Konkretisierungen zu der
Frage der Beweislast/Beweisführung zu treffen (wahrscheinlich in einer
Neuauflage einer KdU-Arbeitshilfe) ohne im Detail darauf einzugehen.