Betreff
"Artenvielfalt stärken - Insektensterben stoppen"
Vorlage
68/2677/XVI/2018
Art
Bericht

Sachverhalt:

 

Mit Datum vom 21.02.2018 hat die Kreistagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen den Antrag „Artenvielfalt stärken - Insektensterben stoppen“ mit einem Beschlussantrag an den Kreistag vorgelegt (s. Anlage). Auf Beschluss des Kreistags vom 21.03.2018 wird der Antrag zur Beratung in den Planungs- und Umweltausschuss am 05.06.2018 verwiesen.

 

Stellungnahme der Verwaltung zu diesem Antrag:

 

Vorbemerkung

 

Die Problematik des Insektenrückgangs war Gegenstand der 11. und 12. Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses (XVI. Wahlperiode).

Zur 11. Sitzung des Ausschusses hatte die Verwaltung mit Vorlage 68/2354/XVI/2017 auf Anfrage der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Situation im Rhein-Kreis Neuss sowie über die auf Kreisebene zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und durchgeführten Maßnahmen berichtet (s. Anlage).

In der 12. Sitzung des Ausschusses erfolgten wunschgemäß zwei Sachverständigenvorträge (Dr. Martin Sorg, Entomologischer Verein Krefeld e. V. und Dr. Bernd Lüttgens, Rheinischer Landwirtschaftsverband e. V.) hierzu. Auf die Vorlage 68/2456/XVI/2018 wird verwiesen.

Der jeweilige Diskussionsverlauf kann den Niederschriften entnommen werden.

Herr Umweltdezernent Mankowsky hat in der 12. Sitzung des Ausschusses zugesagt, dass das, was auf Kreisebene leistbar sei, auch getan werde.

 

Zu den Punkten 1. - 3. des Antrags:

 

Zu 1.

Insektenfreundliche Umgestaltung und Bewirtschaftung geeigneter Außenflächen kreiseigener Liegenschaften

 

Neben den Außenflächen wird eine insektenfreundliche Gestaltung und Pflege u. a. auch bei den Deponiegrundstücken und Waldflächen berücksichtigt (vgl. Vorlage 68/2354/XVI/2017).

Einige Schulen verfügen bereits über insektenfreundliche Grünanlagen mit Blühstreifen, Obstbäumen und -sträuchern, Kräuter- und Gemüsebeeten usw. Eine Schule hat einen natürlichen Lebensraum angelegt.

Die Ausweitung dieser Flächen wird von den Schulleitungen begrüßt. Die Themen werden vor allem bei den jüngeren Schülerinnen und Schülern in Theorie und Praxis in den Unterricht eingebunden. Verschiedene Schulen haben Nistkästen aufgehängt und Insektenhotels aufgestellt.

Ein Einsatz chemischer Mittel ist nicht bekannt.

 

Zu 2.

Beschränkung des Einsatzes von Pflanzengiften auf den Außenflächen kreiseigener Liegenschaften auf begründete Ausnahmefälle und Verzicht auf Neonicotinoide

 

Pflanzenschutzmittel (PSM) werden auf vom Rhein-Kreis Neuss bewirtschafteten und unterhaltenen Flächen generell nur in Fallen unumgänglicher Notwendigkeit eingesetzt. So war der Einsatz eines Herbizides gegen die Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum) im Bereich Nordkanal unvermeidlich, um eine Ausbreitung dieser invasiven Art (Neophyt, invasiv, Kontrolle der Ausbreitung erforderlich; vgl. Unionsliste invasive Arten VO EU/1143/2014, Neobiotaportal NRW des LANUV NRW) z. B. über den Nordkanal in weitere Räume zu unterbinden.

Es ist nicht bekannt, dass auf Flächen in der Bewirtschaftung und Pflege durch den Rhein-Kreis Neuss Insektizide aus der Gruppe der Neonicotinoide eingesetzt worden wären. Auch aktuell ist eine Anwendung nicht ersichtlich.

 

Zu 3.

Gesamtkonzept zur Stärkung der Artenvielfalt im Kreisgebiet

 

Da es sich bei der Problematik des Insektenrückgangs nicht um ein lokales, sondern bundesweites bzw. globales Problem handelt, sind die Möglichkeiten des Rhein-Kreises Neuss, soweit sie wesentlich über die Punkte nach der Vorlage 68/2354/XVI/2017 hinaus gehen, eingeschränkt.

 

 

Ergänzende Informationen:

 

Nach einer Pressemitteilung der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland will die Europäische Union den Einsatz der Neonicotinoide Imidacloprid, Clothianidin und Thiametoxam im Freiland verbieten. Sie dürfen nur noch in ständigen Gewächshäusern eingesetzt werden, in denen kein Kontakt mit Bienen zu erwarten ist. Der Schutz der Bienen ist für die Kommission ein wichtiges Thema, da er die biologische Vielfalt, die Nahrungsmittelproduktion und die Umwelt betrifft. Das Kollegium der EU-Kommissare hatte bereits 2017 hierüber beraten. Die Kommission hatte diese Maßnahme auf der Grundlage der wissenschaftlichen Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit vorgeschlagen. Die Vertreter der Mitgliedsstaaten haben den Vorschlag der Kommission am 27.04.2018 unterstützt. Die Verordnung soll bis Ende 2018 in Kraft treten.
Internetseite der EU-Kommission zu Neonicotinoiden: https://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/approval_active_substances/approval_renewal/neonicotinoids_en

 

Der Bundesrat hat in seiner 967. Sitzung am 27.04.2018 nach den §§ 3 und 5 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) eine Stellungnahme zur Mitteilung der Kommission über die Europäische Bürgerinitiative "Verbot von Glyphosat und Schutz von Menschen und Umwelt vor giftigen Pestiziden" eine Stellungnahme beschlossen. Der Bundesrat spricht sich hierin u. a. für eine verbesserte Bewertung der Wirkstoffe im Zulassungsverfahren, den besonderen Stellenwert des Schutzes der Biodiversität und erhöhte Transparenz aus und richtet an die Bundesregierung die Bitte zur Verstärkung der Forschungsaktivitäten zu den Auswirkungen von Glyphosat, besonders auf Gesundheit und biologische Vielfalt. Er fordert die Entwicklung von alternativen Maßnahmen und Verfahren der nicht-chemischen Beikrautkontrolle und eine Beratung der Betriebe zur Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass der Einsatz glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel mit dem Ziel der grundsätzlichen Beendigung der Anwendung deutlich eingeschränkt werden muss. Die Bundesregierung wird um Vorlage einer EU-rechtskonformen Minderungsstrategie mit wirksamen Alternativen gebeten. Der Bundesrat vertritt weiterhin die Auffassung, dass auf Flächen öffentlicher Einrichtungen glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel nicht mehr angewendet werden dürften, ausgenommen Gleisanlagen, für die zeitnah kostenneutrale Alternativen erprobt werden sollten. Er bittet die Bundesregierung um Bereitstellung der erforderlichen Mittel. Er unterstützt das Vorhaben einer Entwicklung gemeinsamer alternativer Ackerbaustrategien und deren Umsetzung gemeinsam mit der Landwirtschaft sowie die adäquate Untersetzung mit Fördermitteln für Maßnahmen zur Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie und insbesondere des Insektenschutzes.

 

Weiterhin gibt es nach den folgenden Presseberichten in verschiedenen Kommunen des Rhein-Kreises Neuss Initiativen zur Förderung der Insektenvielfalt.

 

 

NEWS 89.4 16.05.2018

 

„Kampf gegen das Artensterben

 

Im Rhein-Kreis Neuss kämpfen einige Städte zusammen mit Naturschutz-Organisationen und Landwirten gegen das Artensterben. Dazu entstehen an Äckern immer mehr Blühstreifen. In Kaarst wurde zum Beispiel eine große Blumenwiese angelegt, damit sich dort wieder Insekten ansiedeln. In Meerbusch ist das Vogelsterben heute Thema im Umweltausschuss. Die Stadt Meerbusch möchte die Initiative Kiebitzschutz vom Kreis fördern. Dazu sollen Landwirte, die eine Kiebitz-gerechte Einsaat vornehmen, finanziell entschädigt werden. Außerdem will die Stadt mehr Wildblumenwiesen für Insekten anlegen. Unterstützung gibt es vom NABU und vom BUND. Beide Naturschutz-Organisationen machen darauf aufmerksam, dass der Bestand vieler heimischer Arten drastisch zurückgegangen ist. Grund seien Veränderungen der Natur durch Klimawandel, intensive Landwirtschaft und Bebauung.“

 

 

NGZ 04.05.2018

 

„Andreas Drengwitz will etwas gegen das Insektensterben tun. Gemeinsam mit dem Landwirten Dennis Aussem hat er in Kapellen eine große Blühwiese angelegt, um Wildbienen und Co. einen Lebensraum zu bieten. Das Projekt ist eine Art Versuchsballon. Gelingt es, soll es nächstes Jahr auf weiteren Flächen fortgesetzt werden. Dass das Stück Land gefunden wurde, ist einem Zufall geschuldet. Über ein Online-Netzwerk, das sich gegen den Bau der Umgehungsstraße L 361n richtet, stieß Andreas Drengwitz auf einen Gleichgesinnten: Dennis Aussem war sofort von dem Projekt begeistert. "Das ist ein großes Glück, dass wir uns kennengelernt haben", sagt der Initiator. Die 400 Euro für das Saatgut wurden ebenfalls mit Hilfe der Netzwerker beschafft - und sie kamen innerhalb weniger Stunden zusammen.

"Das war ein deutliches Zeichen", meint Drengwitz. "Viele sind der Meinung, dass gegen das Insektensterben etwas getan werden muss." Zurzeit wird an einem Internet-Auftritt gearbeitet, um über das Wiesen-Projekt zu informieren. Zudem wird ein Schreiner gesucht, der kostenlos Schilder entlang des Grundstücks anbringt.

 

Initiativen wie diese dürften den Grünen gefallen. Denn die haben soeben einen Antrag für die nächste Ratssitzung formuliert - Grundtenor: Grevenbroich soll insektenfreundlicher werden. Heißt: "Stadteigene Liegenschaften sollen künftig so gestaltet werden, dass die Artenvielfalt gestärkt wird. Das kann zum Beispiel durch die Anlage von Blühwiesen und -streifen geschehen", fordert Ratsherr Peter Gehrmann. Die Verwaltung soll nun eine Liste mit geeigneten Flächen erstellen, die möglichst zeitnah dem Planungs- und dem Umweltausschuss vorgelegt werden soll. Bis zum Sommer 2019 erwarten die Grünen zudem ein Gesamtkonzept zur Stärkung der Artenvielfalt in Grevenbroich. Und als Sofortmaßnahme fordern sie einen Verzicht auf Insektizide mit dem Wirkstoff Neonicotinoid auf allen städtischen Grundstücken. "Neonicotinoide können bereits in kleinen Mengen Insekten töten oder ihr Nervensystem schädigen", sagt Gehrmann.

 

 

80 Prozent weniger Insekten als 1982

 

Nach einer im Sommer 2017 herausgegebenen Studie des Münchener Umweltinstituts gibt es in Deutschland heute 80 Prozent weniger Insekten als noch 1982. Fast 3000 Arten werden als ausgestorben oder gefährdet eingestuft. Besonders betroffen sind Schmetterlinge, Wildbienen und Schwebfliegen. "Hauptursache für diese dramatische Entwicklung ist die intensive Landwirtschaft mit ihren Monokulturen und dem steigenden Pestizideinsatz", sagt Grünen-Fraktionschef Dirk Gawlinski. "Auch die Artenvielfalt entlang der Nahrungskette ist mittlerweile akut bedroht. Denn mit dem Rückgang der Insekten nimmt auch die Zahl der Vögel ab, die sich von ihnen ernähren."       

Wie sich die Situation vor Ort darstellt, wird am Tag vor der Ratssitzung auf der Stadtparkinsel erörtert. Die Grünen aus Stadt und Kreis haben den bekannten Insektenforscher Martin Sorg zu einem Vortrag ins Auerbachhaus eingeladen. "Er kann den Verlauf des Insektensterbens in unserer Region anhand seiner jahrzehntelangen Forschung belegen - und er wird Gegenmaßnahmen aufzeigen", kündigt Peter Gehrmann an.

Einen kleinen Beitrag in Sachen Artenvielfalt hat die Stadt bereits geleistet. Am Schneckenhaus wurden im vergangenen Winter zwei Blühwiesen angelegt, darunter ein 200 Quadratmeter großes Feld, auf das eine kräuterreiche Mischung gesät wurde. "Dort wachsen unter anderem wilde Kamille, wilde Margerite und wilde Möhre - also Pflanzen, die den Insekten schmecken", sagt Ralf Dietrich vom städtischen Umweltzentrum. "Eine blühende Optik war hier nicht der angestrebte Effekt." Das Schneckenhaus-Team beobachtet jetzt, wie sich die beiden Wiesen entwickeln. Danach sollen Pläne geschmiedet werden, an welchen Stellen innerhalb des Stadtgebietes weitere Flächen angelegt werden können.

Info Die Grünen haben für Dienstag, 8. Mai, 19 Uhr, den Insektenforscher Martin Sorg eingeladen. Er wird im Auerbachhaus auf der Stadtparkinsel im Rahmen eines Vortrags über das Insektensterben in der Region berichten und Gegenmaßnahmen aufzeigen. Interessierte sind willkommen.“