Betreff
Mitteilungen
Antwort der Verwaltung zur Anfrage der Fraktion Bundnis 90/ Die Grünen vom 19.06.2019 zu Eliminationsmaßnahmen von Mikroschadstoffen
Vorlage
68/3357/XVI/2019
Art
Tischvorlage

Sachverhalt:

 

Vorbemerkung:

Die Belastung der Gewässer mit Mikroschadstoffen ist kein auf den Rhein-Kreis Neuss begrenztes Thema, sondern eine darüber hinausgehende Problematik. Bei der Lösung der Mikroschadstoffproblematik ist es erforderlich, nicht nur wasser- und abfallwirtschaftliche Aspekte zu betrachten, sondern auch alle Akteure der Hersteller- und Anwenderebene einzubeziehen.

 

Definitionen

Für den Begriff der Mikroschadstoffe in Gewässern gibt es keine offizielle Definition. Das Umweltbundesamt und das Kompetenzzentrum Mikroschadstoffe des Landes Nordrhein-Westfalen verstehen darunter Stoffe, die in Gewässern in Konzentrationen von Nano- bis maximal wenigen Mikrogramm pro Liter vorkommen und in diesen Konzentrationen negative Auswirkungen auf Mensch, Umwelt oder die Trinkwassergewinnung haben können. Es handelt sich um eine sehr große Zahl unterschiedlicher Stoffe. Sie stammen aus verschiedensten Produkten, wie Arzneimitteln, Röntgenkontrastmitteln, Pflanzenschutzmitteln, Bioziden, Korrosionsschutzmitteln, Flammschutzmitteln, Industriechemikalien, Wasch- und Reinigungsmitteln und Kosmetika und andere. Diese finden sich in sehr vielen Produkten des täglichen Lebens, werden bei deren Verwendung freigesetzt und gelangen über Abwasser und Niederschlagswasser oder diffus in die Gewässer. Dies schließt auch Transformations- und Abbauprodukte (Metaboliten) der Ausgangssubstanzen mit ein.

Mikroplastik umfasst laut Kompetenzzentrum Mikroschadstoffe NRW Kunststoffpartikel mit einem Durchmesser von weniger als fünf Millimeter.

 

Datenbestand

Untersuchungen zur stofflichen Belastung der Gewässer, u. a. auch auf ausgewählte Mikroschadstoffe, werden im landesweiten Monitoring gemäß Wasserrahmenrichtlinie durch das Landesamt für Natur- und Verbraucherschutz (LANUV) für die gemäß Wasserrahmenrichtlinie berichtspflichtigen Gewässer (Gewässer mit einem Einzugsgebiet > 10 km²) durchgeführt. Beprobungsturnus und Untersuchungsumfangsumfang sind für die einzelnen Gewässer sehr unterschiedlich. Mikroplastik zählt bislang nicht zum Untersuchungsumfang. Im Gebiet des Rhein-Kreises Neuss werden die Gewässer Rhein, Erft, Kasterer Mühlenerft, Niers, Nordkanal, Jüchener Bach, Gillbach, Norf und Elsbach im Rahmen dieses Monitorings auf ausgewählte Mikroschadstoffe in mehrjährigen Abständen untersucht.

Zusätzliche Untersuchungen auf Mikroschadstoffe finden im Rahmen von Sondermessprogrammen und Forschungsprojekten statt, so z. B. durch den Erftverband auf ausgewählte Mikroschadstoffe in Bereich der Erft im Rahmen eines Forschungsprojekts, die in der 14. Sitzung des PLUA am 20.11.2018 vorgestellt wurden (Niederschrift Seiten 11 und 12).

Laut Bundestagsdrucksache 19/3007 vom 27.06.2018 „Umgang der Bundesregierung mit steigender Mikroplastikbelastung in deutschen Gewässern“ kann aufgrund fehlender Bewertungskonzepte sowie einer fehlenden harmonisierten oder standardisierten Analysemethodik derzeit die Belastung der Gewässer in Deutschland mit Mikroplastik nicht beurteilt werden.

Das LANUV NRW hat in Absprache mit weiteren Bundesländern und Kooperation mit der Universität Bayreuth Untersuchungen auf Mikroplastik in Binnengewässern (Rhein, Weser, Lippe, Sieg, Wupper u. a.) und in ausgewählten Kläranlagenabläufen durchgeführt. Eine Auswertung wurde hier noch nicht vorgenommen.

 

Zurzeit wird in einer Reihe von Projekten zu den Bereichen Analytik, Vorkommen, Bewertung, Verminderung und Entfernung von Mikroschadstoffen und Mikroplastik auf Bundes- und Länderebene geforscht.

Minderungsstrategie

Aufgrund der Vielzahl an Stoffen sind die Herangehensweise zur Klärung der Belastungssituation, die Datenlage, die Bewertungsgrundlagen und die Lösungsmöglichkeiten unterschiedlich und komplex. Zur Verringerung der Belastung der Gewässer wird von der Bundesregierung eine Spurenstoffstrategie verfolgt, die unter Einbindung der Akteure aus Politik, Behörden, Wasserwirtschaft und Wissenschaft in einem intensiven Austausch tragfähige und effiziente Lösungen erbringen soll.

Es handelt sich dabei um ein Multibarrierenkonzept aus einer Kombination von Maßnahmen auf 3 Ebenen. Minderungsstrategien an den Quellen setzen bei der Herstellung der Stoffe an. Diesbezüglich sind z. B. für den Bereich der Arzneimittel Risikominderungsmaßnahmen bei der Zulassung oder die Erforschung und der Einsatz umweltverträglicherer Wirkstoffe und Applikationsformen zu nennen. Auf der Ebene der Anwendung ist z. B. die zielgruppenspezifische Kommunikation und Aufklärung über die Gewässerrelevanz von Spurenstoffen bei Ärzten, Apothekern und Anwendern zu nennen. Ebenso Informationskampagnen zum nachhaltigen Einsatz der Arzneimittel bis hin zu gesundheitlichen Präventionsmaßnahmen und zur richtigen Entsorgung von Arzneimittelresten. Eine weitere Ebene sieht Minderungsstrategien auf Basis nachgeschalteter Maßnahmen, d. h. technische und organisatorische Maßnahmen zur Verringerung des Eintrags in die aquatische Umwelt, wie bei der Abwasserbeseitigung, vor. In Abhängigkeit von Belastungssituation, Effizienz, Wirtschaftlichkeit etc. ist der Einbau einer weitergehenden Behandlung auf Kläranlagen (4. Reinigungsstufe unter Einsatz von Aktivkohle oder Ozon) ein Baustein zur Reduzierung der Mikroschadstoffbelastung. Ebenso ist die Weiterentwicklung von Verfahren zur Behandlung von Misch- und Niederschlagswassereinleitungen in Gewässer zu nennen. In Forschungsprojekten wird auch die Möglichkeit der dezentralen Abwasserbehandlung in Einrichtungen des Gesundheitswesens, wie Krankenhäusern, in denen ein hoher Arzneimittelverbrauch vorherrscht, diskutiert. Bisherige Forschungsprojekte kommen zu dem Ergebnis, dass keine generelle Aussage zur Effizienz einer solchen Maßnahme getroffen werden kann, sondern der Einzelfall zu untersuchen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach heutiger Datenlage die im kommunalen Abwasser enthaltenen Arzneimittelwirkstoffe zu annähernd 20 % aus Einrichtungen des Gesundheitswesens und zu 80 % aus Haushalten stammen.

Ziel ist, diese Minderungsstrategie mit einem breiten Konsens der Beteiligten umzusetzen (Stakeholder-Dialog). Das Land Nordrhein Westfalen hat mit diesem Ziel im Jahr 2012 das Kompetenzzentrum Mikroschadstoffe eingerichtet, das auf Landesebene den Erfahrungsaustausch gewährleistet, Datenbanken zu Modell- und Forschungsvorhaben, Anlagentechnik, Schadstoffvorkommen und –wirkung pflegt.

 

Zwischenfazit

Es gibt derzeit weder bundes- noch landesweit etablierte Strategien zu Vermeidungs-, Verminderungs- und Eliminierungsmaßnahmen für Mikroschadstoffe in Gewässern. Soweit hier bekannt, gibt es bisher lediglich mit öffentlichen Mitteln geförderte lokale Forschungsprojekte, mit denen das Ziel verfolgt wird, Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, die auf andere Kommunen und Verbände übertragbar sind. Allerdings sind Bewertungen und Evaluationen derzeit (noch) nicht ausreichend verfügbar.

 

Dies vorweg geschickt wird die als Anlage beigefügte Anfrage wie folgt beantwortet:

 

 

Zu den Fragen 1 und 2:

Die derzeit der Verwaltung bekannten Informationen reichen für eine Beurteilung der Belastungssituation und deren Entwicklung in den letzten 10 Jahren nicht aus.

 

Zu Frage 3:

Geeignete Maßnahmen zur Verringerung von Belastungen können erst nach einer fundierten Analyse und bundes- bzw. landesweit etablierten Maßnahmenstrategien entwickelt werden.

 

Zu Frage 4:

Emschergenossenschaft und Lippeverband verfolgen neben der Aufrüstung ausgewählter Kläranlagen mit einer 4. Reinigungsstufe den Weg der Prävention im Bereich der Arzneimittelwirkstoffe. Bürger und Fachkreise, wie Ärzte, Apotheker und Pflegepersonal werden hinsichtlich der Mikroschadstoffproblematik informiert und sensibilisiert. Der Lippeverband hat gemeinsam mit der Stadt Dülmen das Projekt „Den Spurenstoffen auf der Spur (DSADS) durchgeführt. Von der Emschergenossenschaft wurde gemeinsam mit dem Ruhrverband und der Stadt Essen das durch das Land NRW geförderte Forschungsprojekt „Essen macht´s klar – Weniger Medikamente im Abwasser“ initiiert, das derzeit endet. Das auf zwei Jahre angelegte Projekt soll die Basis für eine Wirkungsabschätzung der Sensibilisierung von Großstädten bieten und nach Abschluss im Dezember 2018 auch auf andere Kommunen übertragbar sein. Nach Auskunft des Projektmanagements bei der Emschergenossenschaft war ein Ziel des Projekts die Erarbeitung von Materialien, die landesweit Verwendung finden können. Ein Projektbericht liegt noch nicht vor.

Hinsichtlich der Nutzung der Projektergebnisse und der Bereitstellung von Informations- und Arbeitsmaterialien wird Koordinierungsbedarf durch die Landesregierung gesehen. Eine Nachfrage beim Umweltministerium des Landes NRW hinsichtlich einer Koordinierung und Bereitstellung von Informationsmaterial ergab, dass diesbezügliche Überlegungen bestehen, aber noch nicht konkret sind. Auch plane das Bundesumweltministerium eine Informationskampagne.

Die Verwaltung wird die derzeit vorhandenen Informationen vervollständigen und auswerten. Über das Ergebnis wird in den nächsten Sitzungen berichtet.