Betreff
Reform der Notfallversorgung
Vorlage
32/3450/XVI/2019
Art
Beschlussvorlage

Beschlussempfehlung:

Der Ausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.

 

 


Sachverhalt:

Die medizinische Notfallversorgung der Bevölkerung ruht im Wesentlichen auf den Säulen Hausärztliche und Fachärztliche Versorgung, Notfallpraxis und Notfallrettung. Die unterschiedliche Inanspruchnahme dieser Systeme durch die Patienten führt zu einer Schieflage, welche die Bundesregierung veranlasst hat, über eine Reform der Notfallversorgung nachzudenken.

Auf die als Anlage beigefügten Schriftsätze
- Bundesministerium für Gesundheit, Eckpunkte zur Reform der Notfallversorgung, Stand 18.12.2018
- Arbeitskreis V der ständigen Konferenz der Innenminister und Innensenatoren; Empfehlungen zur bedarfsgerechten Ausgestaltung der Notfallversorgung, Stand 07.11.2018
- Ständige Konferenz der Innenminister und Innensenatoren, Positionspapier, Stand 28./30.11.2018
wird verwiesen.

Der Landkreistag NRW hat – vertreten durch seine Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsschutz – am 06.03.2019 zu den Überlegungen auf Bundesebene wie folgt Stellung genommen:

Zur Ausgangslage:

Das Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zur Reform der Notfallver-sorgung führt aus, dass die aktuelle Versorgungslage durch eine wachsende Inanspruchnahme stationärer Notfallambulanzen und eine sinkende Inanspruchnahme des durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) organisierten Notdienstes gekennzeichnet sei. Dies ist zwar in der Sache korrekt dargestellt, verkennt aber, dass die KVen für diese Entwicklung selbst verantwortlich sind. Damit das System funktioniert, ist eine ausreichende und verlässliche Aufgabenwahrnehmung

durch die KVen notwendig.

Zu Ziff. 1 des Eckpunktepapiers - Gemeinsame Notfallleitstellen:

Das Eckpunktepapier sieht die Bildung von gemeinsamen Notfallleitstellen, die über die Rufnummern 112 und 116117 erreichbar sind, vor. Es beachtet dabei nicht, welche Leitstellenstruktur auf der Kreisebene bereits vorliegt: Die Integrierten Leitstellen disponieren nicht nur Einsätze der Notfallrettung und des Krankentransports, sondern auch des Brand- und Katastrophenschutzes.

 

Diese Kombination ist insbesondere mit Blick auf Massenanfälle von Verletzten sinnvoll und muss beibehalten werden. Anstatt also neue Leitstellen zu bilden, die allein die Anrufe zur Notfallrettung

und die bisher in den Callcentern der KVen auflaufenden Anrufe entgegennehmen, sollte geprüft werden, ob die bestehenden nichtpolizeilichen Leitstellen die Rufnummer 116117 zusätzlich übernehmen sollen. Ob eine solche Übernahme durch die Kommunen obligatorisch erfolgen soll, sollten die Länder gesetzlich regeln können. Hierfür ist eine Ermächtigung im SGB V ausreichend.

 

Sollten in den neuen Integrierten Leitstellen tatsächlich auch die Anrufe der 116117 entgegen genommen werden, muss die Dispositionssicherheit des Kassenärztlichen Notdienstes gewährleistet sein. Hierzu zählt, dass die Disposition der Leitstellen, die die Patienten nach einer strukturierten und standardisierten Notrufabfrage durch medizinisch erfahrenes Personal in das jeweils für sie richtige Versorgungssystem steuert, für die Ärzte des Kassenärztlichen Notdienstes ebenso verbindlich ist wie

für die Einsatzkräfte des Rettungsdienstes. Die Verantwortung für die Versorgung des Patienten muss mit der Disposition auf den diensthabenden Arzt übergehen.

Für die Sicherstellung der Teilnahme der Ärzte am Kassenärztlichen Notdienst muss weiterhin die jeweilige KV verantwortlich sein. Zudem muss der Bund dafür sorgen, dass den Einsätzen des KV-Notdienstes gewisse Standards zugrunde gelegt werden, deren Nichteinhaltung durch die KV sanktioniert wird. In der Notfallrettung sind solche Standards und Sanktionierungen längst etabliert.

 

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz sieht vor, dass die KV auch eine Terminvermittlung

zu Haus- und Kinderärzten übernimmt. Wenn die Integrierten Leitstellen auch den KV-Notdienst disponieren und entsprechende Notrufe annehmen sollen, kann die Terminvergabe nicht über die Rufnummer 116117 erfolgen, sondern sollte über eine andere Nummer geregelt werden. Laufen die Anfragen zu Terminvermittlungen ebenfalls in den Integrierten Leitstellen auf, besteht die Gefahr,

dass die Annahme von zeitkritischen Fällen verzögert wird.

 

Zu Ziff. 3 des Eckpunktepapiers – Rettungsdienst:

Anstatt den Rettungsdienst als eigenen medizinischen Leistungsbereich im SGB V zu regeln, wie es das Eckpunktepapier vorsieht, reicht es aus, die Regelungen zu Fahrkosten in § 60 SGB V entsprechend anzupassen. Um die Verknüpfung der Kostenübernahme für einen Rettungsdienst-einsatz mit einem Transport ins Krankenhaus zu lösen, müsste § 60 Nr. 2 Abs. 2 SGB V entsprechend ergänzt werden. Eine Grundgesetzänderung ist hierfür nicht notwendig.

 

Das Eckpunktepapier sieht zudem vor, die von den Krankenkassen zu tragende Verantwortung

für die Finanzierung der Rettungsdienstleistungen eindeutig von der Verantwortung der Länder für die Investitions- und Vorhaltekosten der Rettungsdienstinfrastruktur abzugrenzen. Hier scheinen Argumentationen aus dem Bericht des Bundesrechnungshofs aufgegriffen worden zu sein. Dieser setzt jedoch eine solche Pflicht des Landes voraus, ohne dass deutlich wird, woraus sie sich ergibt.

Richtig ist, dass die Kosten des Brand- und Katstrophenschutzes nicht durch die Krankenkassen getragen werden müssen. Warum Länder und Kommunen für eine Aufgabe der Krankenversicherung verantwortlich werden sollten, ist nicht ersichtlich. Die Beteiligungsmöglichkeiten der Krankenkassen auf Länderebene bei wesentlichen Fragen der Ausgestaltung des Rettungsdienstes werden im Eckpunktepapier als ausreichend angesehen. Da die Verantwortung für den Rettungsdienst bei den

Landkreisen als dessen Trägern liegt, sind erweiterte Mitwirkungs- und Verhandlungsmöglichkeiten

nicht notwendig.