Betreff
Anfrage der SPD-Kreistagsfraktion vom 10.10.2019 zum Thema "Kosten der Unterkunft - Kostensenkungsaufforderung"
Vorlage
50/3563/XVI/2019
Art
Anfrage (alt)

Sachverhalt:

Zu der beigefügten Anfrage der SPD-Kreistagsfraktion wird wie folgt Stellung genommen:

1. Wie viele Kostensenkungsaufforderungen sind an KdU-Empfänger in der Zeit vom       01. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 ergangen und wie viele Kostensenkungsaufforderungen sind in der Zeit seit in Kraft treten der neuen Werte ab 01. Februar 2019 bis 31. Oktober 2019 ergangen – bitte je gesondert nach Städten und Gemeinde mit einem Hinweis für die üblichen Gründe für eine Kostensenkungsaufforderung?

 -s. Frage 2-

2. Wie viele Umzüge von KdU-Empfänger sind vom 01. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung erfolgt und wie viele Umzüge von KdU-Empfängern sind in der Zeit vom 01. Februar 2019 bis 31. Oktober 2019 aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung erfolgt - bitte je gesondert nach Städten und Gemeinde ?

Eine inhaltlich entsprechende Anfrage wurde mit Schreiben vom 07.04.2015 dem Sozial- und Gesundheitsausschuss vorgelegt und ist einschließlich Antwort als Anlage beigefügt.
Die Fragen konnten in 2015 nicht beantwortet werden, da die eingesetzten Softwareprogramme entsprechende Auswertungen nicht ermöglichten.

Dem Jobcenter Rhein-Kreis Neuss wurde die gegenständliche Anfrage der SPD-Fraktion vom 10.10.2019 vorgelegt und gebeten mitzuteilen, ob es zwischenzeitlich statistische Auswertungsmöglichkeiten für diese Fragestellung gibt. Das Jobcenter informierte wie folgt:

„Leider hat sich an der statistischen Erfassung seit der letzten Anfrage nichts getan. Kostensenkungsaufforderungen bzw. Aufforderungen zum Umzug werden im verwendeten Fachverfahren (ALLEGRO) technisch nicht als separate/eigene Beleg-/Bescheidarten geführt, so dass eine aggregierte Auswertung von Kostensenkungs-/Umzugsaufforderungen leider nicht möglich ist. Auch eine valide Schätzung durch das Jobcenter ist nicht möglich.“

 

Auch bei den Städten und der Gemeinde werden diese Daten für die Bundesstatistik SGB XII  nicht erfasst.

Bei Einführung des ersten Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels sollten diese Daten händisch erhoben werden. Aufgrund des erheblichen Aufwandes für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der letztlich dennoch nicht auswertbaren Datenqualität wurde diese händische Aufzeichnung jedoch wieder aufgegeben.

Die Fragen 1 und 2  sind daher nicht zu beantworten.

3. Wie erfolgt in diesem Zusammenhang die einzelfallbezogene Zumutbarkeitsprüfung?

Wie im Einzelfall die Unzumutbarkeit eines Umzuges zu prüfen ist, ist in Punkt 4.3 der Richtlinie „Bedarfe der Unterkunft“ geregelt.

Die Unzumutbarkeit eines Umzuges kann zum Beispiel durch Krankheit, bestimmte Lebensumstände, Betreuungssituationen oder das Alter der betreffenden Person begründet sein.
Teilweise sind die Gründe für eine Unzumutbarkeit regelmäßig zu überprüfen.

4. Wie erfolgt die einzelfallbezogene Verfügbarkeitsprüfung von entsprechendem preisgünstigem Wohnraum?

Hier ist Punkt 4.6. der Richtlinie „Bedarfe für Unterkunft“ anzuwenden.
Der Leistungsberechtigte muss seine Bemühungen um entsprechenden Wohnraum nachweisen. Was er hierfür unternehmen und belegen muss, wird ihm mit der Aufforderung zur Kostensenkung schriftlich mitgeteilt.
Kann er entsprechend dieser Vorgaben darlegen, dass passender Wohnraum nicht vorhanden ist, so muss der Träger ihm dies entweder durch Vorlage von konkreten und passenden Wohnangeboten widerlegen, andernfalls ist die Übergangsfrist angemessen zu verlängern.

5. Kann mit dem im Rhein-Kreis Neuss zur Verfügung stehenden Wohnungsangebot der Bedarf für wohnungssuchende KdU-Empfänger auf der Grundlage der durch „Analyse und Konzepte“ zum 01. Februar 2019 ermittelten Bruttokaltmietobergrenzen gedeckt werden?

Bei der Erstellung eines Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels ist die Plausibilität der Werte dahingehend zu berücksichtigen, dass in einem bestimmten Umfang Wohnraum für diese Werte abstrakt zur Verfügung steht. Hierfür werden entsprechende Wohnungsangebote ausgewertet.

Das Konzept von Analyse & Konzepte berücksichtigt diese durch Rechtsprechung geltenden Ermittlungsgrundlagen für verfügbaren Wohnraum.
Die Frage, ob mit den derzeit geltenden Mietobergrenzen der Bedarf an Wohnraum für jeden wohnungssuchenden KdU-Empfänger gedeckt werden kann, lässt sich nicht beantworten.
Es ist nicht erfassbar, wie viele Leistungsberechtigte eine Wohnung suchen, welche Gründe diese für eine Wohnungssuche haben und welchen Wohnraum sie suchen. 
Da ein schlüssiges Konzept lediglich darlegen muss, dass zu den festgelegten Werten abstrakt angemessener Wohnraum angemietet werden kann, verfolgt ein schlüssiges Konzept auch nicht das Ziel, zu jeder Zeit jedem wohnungssuchenden KdU-Empfänger die Anmietung einer angemessenen Wohnung zu ermöglichen. Die Frage der möglichen Anmietung ist in jedem von einer Kostensenkungsaufforderung betroffenen Fall konkret zu beantworten. Für die Kostensenkung erhalten Leistungsberechtigte daher auch eine mehrmonatige Übergangsfrist zuerkannt, die, wie unter Antwort 4 bereits dargelegt, auch verlängert werden kann.

Der Wohnungsmarkt im Rhein-Kreis Neuss ist angespannt. Dies hat Auswirkungen auf Personen im Leistungsbezug genauso wie auf Personen ohne Leistungsbezug.
Auf die Ausführungen zum Thema Wohnungslosigkeit im letzten Sozial- und Gesundheitsausschuss sowie auf die Diskussion zum Thema Kreiswohnungsbaugesellschaft wird verwiesen.

6. Bei wie vielen KdU-Empfängern wurden aufgrund ergangener Kostensenkungsaufforderungen die Leistungen mit welcher Begründung gekürzt?

Auch hierzu werden keine Statistiken geführt. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen.

7. Welche Konsequenzen werden seitens des Rhein-Kreises Neuss aus dem Urteil S 29 AS 3925/16 des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 02.10.2019 gezogen ( siehe Pressemitteilung des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 02.10.2019 )?

Erst wenn die Urteilsbegründung vorliegt, können die Konsequenzen geprüft werden.

8. Werden aufgrund des o.a. Urteils des Sozialgerichtes Düsseldorf bisher ergangenen Kostensenkungsaufforderungen für KdU-Empfänger ausgesetzt und werden eventuelle Leistungskürzungen bei KdU-Empfängern aufgrund des o.a. Urteils des Sozialgerichtes Düsseldorf rückgängig gemacht?

Ob das Urteil Auswirkungen auf das derzeit gültige schlüssige Konzept hat und ob es sinnvoll ist die Kostensenkungsaufforderungen auszusetzen, muss nach Eingang der Urteilsbegründung geprüft werden.

9. Werden die Bewilligungsmieten des öffentlich geförderten Wohnungsbaus NRW in Zukunft durch den Rhein-Kreis Neuss als angemessen erachtet?

Ein Abstellen auf diesen Wert ist, wie mehrfach erörtert, nicht möglich.
Durch Rechtsprechung sind viele Parameter des Erhebungsverfahrens vorgegeben. Ein alleiniges Abstellen auf die v.g. Bewilligungsmieten wäre rechtswidrig. Darüber hinaus ist zu den aktuellen Mietobergrenzen die Anmietung öffentlich geförderten Wohnraums möglich, da bei der Angemessenheitsprüfung nicht der m²-Preis einer Nettokaltmiete entscheidend ist, sondern eine Mietobergrenze, die sich aus einem Betrag für die Nettokaltmiete und die kalten Betriebskosten zusammensetzt.

10. Kommen die derzeit gültigen, von dem Institut „Analyse und Konzepte“ ermittelten Mietobergrenzen, nach dem o.a. Urteil des Sozialgerichtes Düsseldorf weiter zur Anwendungen oder wie will der Rhein-Kreis Neuss mit diesen, nach Ansicht des Sozialgerichtes Düsseldorf, nicht schlüssigen Werten verfahren ? 

Das Sozialgericht Düsseldorf hat keine Aussage zu dem aktuellen grundsicherungsrelevanten Mietspiegel und den derzeit gültigen Mietobergrenzen getroffen.
Ob aus dem Urteil Konsequenzen für die derzeit gültigen Mietobergrenzen gezogen werden müssen, kann erst nach Vorlage der Urteilsbegründung geprüft werden. 

11. Wird es eine umgehend neue Mietrichtwerterhebung für KdU-Empfänger im Rhein-Kreis Neuss geben, damit wieder Rechtssicherheit für alle Beteiligten eintreten kann?
Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen.

12. Soll das Institut „Analyse und Konzepte“ bei einer Mietrichtwerterhebung erneut zu einer Angebotsabgabe aufgefordert werden, obwohl das Gutachten von „Analyse und Konzepte“ nach Ansicht des Sozialgerichtes Düsseldorf „nicht schlüssig“ ist?

Bei der Auftragsvergabe fiel die Entscheidung für Analyse und Konzepte als Anbieter mit der größten belegten Rechtssicherheit. Hieran ändert auch die Entscheidung des SG Düsseldorfs nichts. Zudem hat das SG Düsseldorf, wie bereits oben dargelegt, nicht den aktuellen Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel angegriffen.
Weiterhin wird festgehalten, dass die 29. Kammer des SG Düsseldorf das Konzept nicht bestätigt hat, während die 35. Kammer des SG Düsseldorf das Konzept bestätigte. Insofern beurteilt das SG Düsseldorf das Konzept nicht einheitlich und alleine dieser Umstand legt nahe, das Konzept von der nächsthöheren Instanz überprüfen zu lassen. 

Die 29. Kammer hat zudem auch in 5 Verfahren das Konzept eines anderen Anbieters (Empirica) im März 2019 als nicht schlüssig beanstandet.