Betreff
Umsetzung Bundesteilhabegesetz
Vorlage
50/3603/XVI/2019
Art
Bericht

Sachverhalt:

Auch in den vergangenen Sitzungen des Sozial- und Gesundheitsausschusses wurde über den Sachstand zur Umsetzung des BTHG berichtet. Die Delegationssatzungen zum SGB XII und SGB IX sind auf Beschlussempfehlung des Ausschusses am 25.09.2019 vom Kreistag beschlossen und zwischenzeitlich öffentlich bekanntgemacht worden. Die Zuständigkeiten ab 01.01.2020 sind somit geklärt. Nachfolgend wird zur praktischen Umsetzung des BTHG zu folgenden Punkten informiert:

 

Existenzsichernde Leistungen

 

-       Datentransfer

 

Der Landschaftsverband (LVR) hat die Fallübertragung an den Rhein-Kreis Neuss Ende Juli in technischer Form vorgenommen. Von hier erfolgte die Weiterleitung an die kreisangehörigen Städte und die Gemeinde Rommerskirchen. Die Datenqualität muss allerdings im Nachgang als mangelhaft bezeichnet werden. Viele Fälle waren örtlich falsch zugeordnet, d.h. der Herkunftsort, der als „gewöhnlicher Aufenthalt“ entscheidend ist, war unrichtig dokumentiert. Umgekehrt tauchten Fälle, die den Städten und Gemeinden bekannt waren, nicht in den Listen des LVR auf. Die örtlichen Sozialämter mussten daher in einer Vielzahl von Fällen den maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalts ermitteln. Weiterhin gehen täglich neue Anträge ein, bei denen jeweils die Zuständigkeit überprüft wird und im Einzelfall auch noch Ermittlungen angestellt werden müssen. Insofern wirkt sich die Problematik noch aus.

 

 

-       Aktuelle Fallzahlen

 

Der Antragseingang zum Stichtag 11.11.2019 stellt sich wie folgt dar:

Neuss                     479
Grevenbroich           134
Dormagen               84

Meerbusch              69
Kaarst                    66
Korschenbroich        41
Jüchen                    50
Rommerskirchen       20

 

Rhein-Kreis Neuss      943

 

Von den knapp 950 Fällen war bei ca. 150 Fällen keine Zuständigkeit gegeben. Diese Fälle wurden bereits an die ermittelten örtlich zuständigen Kommunen weiter geleitet oder befinden sich noch in der Klärung.

Täglich gehen weitere Anträge ein, so dass ein genaueres Bild derzeit nicht darstellbar ist. Eine Klärung, also ein Kontakt mit den Einrichtungen und Betreuern erfolgt auch in den Fällen, welche den Städten bekannt sind, in welchen aber bislang kein Antrag gestellt wurde.

 

 

-       Mittagsverpflegung Werkstätten

 

Menschen mit Behinderung steht ab dem 01.01.2020 ein Mehrbedarf bei gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung in Werkstätten für behinderte Menschen und in vergleichbaren tagesstrukturierenden Angeboten nach § 42b Abs. 2 SGB XII zu.

 

 

 

Bundeseinheitlich werden zur Ermittlung der Höhe des Mehrbedarfs folgende Werte zugrunde gelegt:

 

Bei 5-Tage-AW                  19 Tage/ Monat                EUR 64,60

Bei 4-Tage-AW                  15 Tage/Monat                 EUR 51,00

Bei 3-Tage-AW                  11 Tage/Monat                 EUR 37,40

Bei 2-Tage-AW                   8 Tage/Monat                  EUR 27,20

Bei 1-Tag-AW                     4 Tage/Monat                  EUR 13,60    

 

Im ersten Jahr wird der Mehrbedarf einmalig vorläufig für ein Jahr bewilligt.

 

Diese Rechengrößen wurden durch das BMAS mit Rundschreiben vom 28.10.2019 bekannt gegeben. Hierauf basierend wurde umgehend am 06.11.2019 mit den drei im Rhein-Kreis Neuss angesiedelten Werkstätten für behinderte Menschen über die erforderlichen praktischen Verfahrensschritte gesprochen. Alle Regelungen hierzu wurden bereits durch Rundverfügung zur Anwendung an die Städte und Gemeinde verfügt.

 

-       Rentenanrechnung

 

Menschen mit Behinderungen erhalten ab dem 01.01.2020 erstmals ihre Rentenzahlungen auf das eigene Konto überwiesen. Zuvor waren diese auf den LVR übergeleitet. Die erste Rentenzahlung erfolgt am letzten Bankarbeitstag im Januar. Durch eine Gesetzesänderung wird nun bewirkt, dass die grundsätzlich vorzunehmende Anrechnung der Rentenzahlungen bei der Berechnung der existenzsichernden Leistungen für den Monat Januar 2020 nicht erfolgt, um auf diese Weise die ansonsten entstehende Finanzierungslücke zu schließen.

 

-       Vermögensanrechnung

Im Zuge der Prüfung der Kurzanträge wurde festgestellt, dass in Einzelfällen erhebliches Vermögen bei den Antragstellern vorhanden ist. Hier war im Vorfeld nicht kommuniziert worden, dass durch die ab 01.01.2020 erfolgende Aufteilung der Komplexleistung für den Teil der Lebenshaltungskosten nun andere Einkommens- und Vermögensfreigrenzen zu beachten sind, als dies bislang der Fall war. Es kann also in Einzelfällen dazu kommen, dass Leistungen aufgrund der Überschreitung der Vermögensfreigrenze nicht gewährt werden können. Dies widerspricht der ursprünglichen Kommunikation auf Bundesebene, dass keine finanziellen Einbußen für die Betroffenen zu erwarten sind. 

 

-       Kosten der Unterkunft

 

Die Mietobergrenzen für die besonderen Wohnformen sind in Kraft und wurden dem Ausschuss in der letzten Vorlage zur Umsetzung BTHG mitgeteilt.
Die Leistungsanbieter der besonderen Wohnformen sind nun gehalten, Mietverträge mit den Bewohnern abzuschließen. Laut Abfrage bei den Städten und der Gemeinde liegen bei ca. 2/3 aller eingereichten Kurzanträge auch Mietbescheinigungen oder bereits Mietverträge vor. Der Höhe nach bewegen diese sich überwiegend im Bereich zwischen 100 und 125 % der Mietobergrenze.

 

Soweit die Kosten der Unterkunft die durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen nicht überschreiten, werden diese bis zur Höhe der ermittelten Mietobergrenzen übernommen. In der Regel werden die Mietverträge die im Gesetz aufgezählten Zusatzkosten ausweisen, so dass auch bis zu 125% der jeweiligen Mietobergrenze übernommen werden. Überschreiten die tatsächlichen Kosten auch die 125%, wird den Leistungsbeziehern empfohlen, einen entsprechenden Antrag beim Landschaftsverband zu stellen. Der Landschaftsverband prüft dann, inwiefern die überschießenden Kosten als Fachleistung übernommen werden können.

 

Nicht für alle Einrichtungen ist die Frage, welche Flächen als Wohnflächen und welche als Fachleistungsflächen anzusehen sind, zwischen Träger und LVR geklärt. Dementsprechend fehlen bei einigen Kurzanträgen die anspruchs- und zahlungsbegründenden Mietbescheinigungen. Sollten hier nicht in Kürze die Vergütungsvereinbarungen abgeschlossen sein, muss in diesen Fällen, damit zum 01.01.2020 dennoch ein Betrag für die tatsächlich genutzte Unterkunft in die Grundsicherung übernommen werden kann, evtl. für eine kurze Übergangszeit bis zu klaren Vereinbarungen der jeweils geltende ermittelte angemessene Mietwert (100%) gezahlt werden.

 

-       Sonstiges

 

Der Rhein-Kreis Neuss steht nahezu täglich in Kontakt mit den Städten und der Gemeinde, um bei speziellen Fragestellungen oder schwierigen Sachverhalten zu unterstützen.
So wurde z.B. festgestellt, dass in einigen Fällen bislang die „dauerhafte Erwerbsminderung“ nicht festgestellt wurde. Diese Feststellung erfolgt durch den Rentenversicherungsträger, wurde im derzeitigen Hilfesystem nicht unbedingt benötigt, ist jetzt aber wichtige Leistungsvoraussetzung. Daher wird praktisch diese Vorbedingung zunächst unterstellt,  muss aber formell nachgeholt werden. Dies ist nur eine von vielen Fragen, die im Übergangsprozess nicht vorausgesehen wurden und nun auf kommunaler Ebene geklärt werden müssen.

 

 

Schulung

 

Am 17.10.2019 hat der Rhein Kreis Neuss eine Schulung zur Fallbearbeitung für die Sachbearbeiter in den Städten und Gemeinden angeboten. Dozent war Rechtsanwalt Dr. Krause, der derzeit in ganz Deutschland zu dem Thema vorträgt. Alle Städte und die Gemeinde waren vertreten und das Feedback war durchweg positiv.


Eingliederungshilfe

Die durch den Wechsel der Zuständigkeiten in der Eingliederungshilfe erforderliche Fallübernahme und Fallabgabe beim Kreissozialamt, dem Sozialamt der Stadt Neuss und dem LVR ist mittels elektronischem Datenaustausch und teilweise in Papierform größtenteils wie vorgesehen zum 31.10.2019 erfolgt bzw. konnte sukzessive zwischenzeitlich abgeschlossen werden.

 

Frühförderung

 

Die Sachbearbeitung der Frühförderung ist für die bestehenden Fälle bis zum 31.07.2022 auf den Rhein-Kreis Neuss und vom Rhein-Kreis Neuss für die Fälle im Stadtgebiet Neuss auf die Stadt Neuss delegiert. Der LVR hat die vom Rhein-Kreis Neuss in diesem Kontext abgeschlossenen Verträge über Leistungserbringungen unverändert übernommen.

 

Kooperationsvereinbarung

 

Die nach dem AG-BTHG NRW vorgeschriebene Kooperationsvereinbarung zwischen LVR und Kreis ist in der internen Abstimmung und liegt dem LVR im Entwurf vor. Bereits am 28.10.2019 hat der LVR in der Sitzung mit den Amtsleitungen der Mitgliedskörperschaften mitgeteilt, dass aufgrund der engen Ressourcen in 2019 nur der Abschluss einer Zwischenvereinbarung zum 01.01.2020 realisierbar sei. Der Inhalt der Kooperations-vereinbarungen (Festlegung gemeinsamer Steuerungs- und Planungsgremien, inklusive Sozialraumorientierung, evtl. Übernahme kommunaler Angebote) sei zu komplex und benötige ausreichende Zeit für eine Abstimmung. Der erste Austausch über die Kooperationsvereinbarung mit dem LVR findet am 03.12.2019 statt.