Betreff
Freiraum- und Gartenplanung zu einem Bauvorhaben im FFH-Gebiet/NSG; Stadt Dormagen
Vorlage
68/3746/XVI/2020
Aktenzeichen
68.4-40.01-1-055-18
Art
Beschlussvorlage

Beschlussempfehlung:

Der Naturschutzbeirat erhebt keinen Widerspruch gegen die Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. § 75 Abs. 1 LNatSchG NRW für die Freiraum- und Gartengestaltung nach der vorgelegten Planung.

 


Sachverhalt:

Auf dem Grundstück Waldstraße 24 in Dormagen-Straberg wurden der Abbruch der bestehenden Baukörper und die Errichtung eines Zweifamilienhauses mit Pkw-Doppelgarage im Wege eines Baugenehmigungs- und Befreiungsverfahrens genehmigt. Der Naturschutzbeirat wurde hierzu in der Sitzung am 12.02.2019 mit dem Recht des Widerspruchs beteiligt und erhob keinen Widerspruch.

 

In seinem Beschluss beauftragte der Naturschutzbeirat die Untere Naturschutzbehörde damit, soweit rechtlich möglich, vernünftige Maßnahmen in Auflagen festzulegen und in Gesprächen mit dem Bauherrn anzubringen, um

·         das Vogelschlagrisiko zu verringern (Gestaltung/Modifikation der Fenster und Pflanzung

von 1-2 Bäumen als Vegetationsstopper),

·         die Lichtverschmutzung zu verringern (Art und Ausrichtung der Leuchtkörper) und

·         eine naturnahe Gestaltung des Neubaus zu fördern.

 

Die o.g. 3 Aspekte wurden neben Kompensationsmaßnahmen und weitergehenden Nebenbestimmungen entsprechend in die Auflagen der Befreiung aufgenommen.

 

Nunmehr begehrt der Antragsteller ergänzend die Gewährung von Befreiung für die eingereichte Freiraum- und Gartenplanung des Grundstückes.

 

Im Rahmen der Planung sollen geringe Flächenanteile für ein Gartenhaus, einen Spielbereich, eine Versickerungsanlage und einen Brunnen sowie Wege in Anspruch genommen bzw. versiegelt werden. Gegenüber dem mit Baugenehmigung und Befreiung derzeit genehmigten Zustand reduziert sich der vollversiegelte Flächenanteil um 17 m², während sich der teilversiegelte Flächenanteil um 21 m² erhöht.

 

Der Standort liegt im baulichen Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB sowie im Geltungsbereich des Landschaftsplans II - Dormagen - des Rhein-Kreises Neuss (LP II) im festgesetzten Naturschutz- und FFH-Gebiet „Waldnaturschutzgebiet Knechtsteden“ (LP II, Ordnungs-Nr. 6.2.1.4).

 

Die Festsetzung als Naturschutzgebiet erfolgt insbesondere

1. zur Erhaltung und Förderung von Lebensgemeinschaften und Lebensstätten wildwachsender Pflanzen- und wildlebender Tierarten insbesondere zur Erhaltung und Entwicklung der wertvollen FFH-Lebensraumtypen

      Hainsimsen-Buchenwald (9110),

      Waldmeister-Buchenwald (9130) und

      Stieleichen-Hainbuchenwald (9160)

2. zur Erhaltung der Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse gemäß der Anhänge II oder IV der FFH-Richtlinie oder der Vogelschutzrichtlinie, insbesondere: Mittelspecht, Schwarzspecht, Nachtigall, Pirol, sowie zur Erhaltung der gefährdeten bzw. stark gefährdeten Arten der Roten Liste der BRD/NRW, insbesondere Ringelnatter, Springfrosch, Haselmaus sowie und die artenreichen Fledermaus- und Totholzkäfervorkommen,

3. zur Förderung und Sicherung eines Habitats für Vögel, für ziehende und rastende Vögel des Anhang I bzw. des Art. 4 (2) der Vogelschutzrichtlinie, insbesondere: den Uhu,

4. zur Erhaltung und Entwicklung eines zusammenhängenden naturnahen Waldgebietes, insbesondere durch Maßnahmen zur Erhöhung des Natürlichkeitsgrades der Waldkomplexe durch:

·         eine naturnahe Waldbewirtschaftung,

·         Umwandlung von Nadelholz-, Roteichen- und Pappelforsten in die Waldgesellschaften der potentiell natürlichen Vegetation

5. zur Sicherung eines der großen Waldrefugialräume in NRW.

6. zur Erhaltung und Wiederherstellung von schutzwürdigen Böden; insbesondere der Böden mit einem sehr hohen Biotopentwicklungspotential (z.B. Braunerden) und Böden mit einer hohen bis sehr hohen Regelungs- und Pufferfunktion/Bodenfruchtbarkeit (z.B. Gley-Para-Braunerden).

 

Schützenswert sind in ihrer natürlichen Vergesellschaftung insbesondere die Traubenkirschen-Erlen-Eschenwälder, die Eichen-Hainbuchenwälder, die Hainsimsen-Buchenwälder die Waldmeister-Buchenwälder sowie die naturnahen Fließgewässerabschnitte und die naturnahen Kleingewässer. Schützenswert sind des Weiteren die natürliche Artenvielfalt der Schnecken, Insekten, Reptilien, Amphibien, Vögel und Fledermäuse im Gebiet sowie die Vorkommen vieler gefährdeter Tier- und Pflanzenarten.

 

Gemäß § 23 Abs. 2 BNatSchG sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen im Landschaftsplan alle Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebietes oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können. Nach den Festsetzungen des LP II (Ordnungs-Nr. 6.2.1) ist im Naturschutzgebiet u.a. insbesondere verboten:

      bauliche Anlagen im Sinne der Bauordnung für das Land NRW zu errichten, auch wenn sie keiner Baugenehmigung oder Bauanzeige bedürfen, sowie die Außenseite bestehender baulicher Anlagen zu ändern (Verbot Ziff. 1),

      Straßen, Wege oder Plätze zu errichten, zu ändern oder bereitzustellen (Verbot Ziff. 4.),

      Aufschüttungen, Verfüllungen, Abgrabungen, Ausschachtungen oder Sprengungen vorzunehmen, Bodenmaterial zu entnehmen oder die Bodengestalt auf andere Weise zu verändern (Verbot Ziff. 5),

      ober- oder unterirdische Leitungen - Freileitungen, Kabel, Rohrleitungen - zu verlegen oder zu ändern, Zäune oder andere Einfriedigungen zu errichten oder zu ändern (Verbot Ziff. 6),

      Bäume, Sträucher oder sonstige Pflanzen einzubringen oder auszusäen (Verbot Ziff. 11),

      Flächen außerhalb der befestigten oder gekennzeichneten Straßen, Wege, Park- oder Stellplätze zu betreten, auf ihnen zu reiten oder sie zu befahren (Verbot Ziff. 12).

 

Die geplanten baulichen Maßnahmen am o.g. Standort, d.h. die Errichtung eines Geräteschuppens, eines Abstellplatzes für Müllcontainer, eines Spielbereiches für die Kinder, einer Auffahrt/Zufahrt, von Wegen um das Haus herum, einer Terrasse, eines Lichtschachtes, eines Zugangs zur Einliegerwohnung, einer Entwässerungsanlage und eines Brunnens mit entsprechender Leitungsverlegung verstoßen gegen die o.g. Verbotstatbestände.

 

Gemäß § 67 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. § 75 Abs. 1 LNatSchG NRW kann von Verboten des Landschaftsplanes auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

 

1.    dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder

2.    die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichungen mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar sind.

 

Im vorliegenden Fall wurde bereits am 14.09.2012 eine naturschutzrechtliche Befreiung für den angemessenen Umbau und die Erweiterung des bestehenden Wohnhauses und zuletzt am 03.05.2019 für den Neubau des Wohnhauses gewährt. Nunmehr erfolgt die Planung des Gartens und der Außenanlagen. Die Versagung einer neuerlichen Befreiung für diese Anlagen würde eine unzumutbare Belastung für den Eigentümer und die künftigen Bewohner darstellen, da ein Hausgarten mit Außenanlagen zu einer adäquaten Nutzung des mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstückes gehört. Eine Vereinbarkeit mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege kann mittels Kompensationspflanzungen bewirkt werden.

 

Die Vereinbarkeit mit den Belangen des Naturschutzes an dieser Stelle im Ausläufer des Naturschutz- und FFH-Gebietes wurde im Übrigen durch die FFH-Verträglichkeitseinschätzung des vorangegangenen Bauvorhabens belegt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass durch die Errichtung der nunmehr geplanten Garten- und Außenanlagen ergänzend zum Wohnhaus erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigungen des Naturschutz- und FFH-Gebietes oder seiner wertbildenden Bestandteile zu befürchten wären. Es sind zudem (Auflage lt. Befreiungsbescheid vom 03.05.2019) zusätzliche Anpflanzungen zum Waldrand hin aus heimischen Arten als „Puffer“ zum NSG- und FFH-Gebiet vorzunehmen.

 

Eine Trennung innerhalb des Gartens in einen intensiven und einen extensiven Bereich wird die Entstehung zukünftiger Konflikte durch die genehmigte Bebauung und die folgerichtige Nutzung des entstehenden Gartens vermeiden, so dass keine naturschutzfachlichen und –rechtlichen Bedenken gegen die vorliegende Planung der Gartengestaltung bestehen. Diese entspricht vielmehr einer konsequenten Fortsetzung der Architektur des genehmigten Baukörpers. Die Randbereiche des Grundstückes werden als Puffer zu den Schutzgebietsflächen gestaltet und entsprechend bepflanzt. Bei der Auswahl der Pflanzen im intensiven Gartenbereich wurde auf eine Mischung heimischer und nicht heimischer Arten geachtet und die Verwendung blütenreicher Individuen berücksichtigt. Es sind in den aufgeführten Pflanzenlisten keine Arten zu erkennen, die negative Auswirkungen auf die Naturschutz- und FFH-Gebietsflächen erwarten ließen.

 

Weitergehende Gesichtspunkte, die eine Versagung der Befreiung angebracht erscheinen ließen oder erforderten, sind nicht ersichtlich, so dass die beantragte Befreiung gem. § 67 Abs. 1 Ziff. 2 BNatSchG somit auch für die geplante Freiraum- und Gartengestaltung gewährt werden kann.

 

Die Verwaltung beabsichtigt daher, dem Antragsteller eine Befreiung von den entgegenstehenden Verbotstatbeständen des Naturschutz- und FFH-Gebietes für die Freiraum- und Gartenplanung zu erteilen.

 

Der Naturschutzbeirat wird um Entscheidung im Rahmen seines Widerspruchsrechtes gem. § 75 Abs. 1 LNatSchG NRW gebeten.