Sachverhalt:
Wie in der Einleitung
zur Anfrage richtig dargestellt wird, ist die moderne Gesellschaft in der
Bundesrepublik Deutschland auf das dauerhafte Vorhandensein von elektrischer
Energie abhängig. Dies setzt ein stabiles Stromnetz voraus. Die Anfrage bezieht
sich auf den Fall einer „Blackout-Katastrophe“. Insoweit scheint es angebracht
vor der Beantwortung der Einzelfragen zunächst einige grundlegende Fakten
darzustellen, um die Auswirkungen eines Stromausfalls im Rhein-Kreis Neuss von
einer „Blackout-Katastrophe“ zu unterscheiden.
Darüber hinaus
erscheint es im Hinblick auf die Fragestellungen erforderlich, die wesentlichen
Voraussetzungen zu beleuchten, die für die Stromversorgung der Bevölkerung
notwendig sind.
I. Anforderungen an ein stabiles Stromnetz
Das Stromnetz ist
europaweit aufgebaut und setzt eine konstante Netzspannung von 50 Herz voraus,
damit der Stromfluss von der Stromerzeugung bis hin zum Endverbraucher
funktioniert. Schon Abweichungen von 1 Herz nach oben oder unten können dazu
führen, dass das Stromnetz regional zusammenbricht, was sich zu einem
europaweiten Blackout ausweiten kann. Derartige Ausfälle sind in der
Vergangenheit schon häufiger vorgekommen, sei es in Schweden durch einen
magnetischen Sturm am 24.09.2003, durch eingestürzte Hochspannungsmasten beim
Schneechaos im Münsterland im Jahr 2005, oder durch die falsche Abschaltung
einer einzelnen Hochspannungsleitung in Papenburg am 04.11.2006.
In den
vergangenen Jahren ist die Netzstabilität immer schwieriger zu steuern. Dies
liegt einerseits an steigendem Stromverbrauch, z.B. durch elektrisch betriebene
Autos. Auf der anderen Seite werden mehr und mehr Kraftwerke, deren Leistung
sich durch entsprechende Technik steuern lässt, abgeschaltet und durch
erneuerbare Energien ersetzt, deren schwankende Leistungsfähigkeit im Hinblick
auf die Stabilität des Stromnetzes zu großen Herausforderungen führt.
Neben diesen
technischen Problemstellungen steht die Bedrohung der Stabilität des
Stromnetzes durch terroristische Angriffe, z.B. durch Cyberattacken.
Fällt das
Stromnetz flächendeckend aus, ist es technisch ausgesprochen schwierig, das
Netz Schritt für Schritt wieder aufzubauen. Dafür bedarf es zunächst Kraftwerke,
die „schwarzstartfähig“ sind, das bedeutet dass die ohne Elektrizität wieder in
Betrieb gehen können. Viele Kraftwerke und die erneuerbaren Energien verfügen
nicht über diese Eigenschaft. Produziert das Kraftwerk dann wieder Strom, muss
dieser auch „abgenommen“, d.h. verbraucht werden, damit die Netzspannung wieder
die erforderlichen 50 Herz erreicht und dauerhaft hält, da es ansonsten wieder
zu einem Zusammenbruch des Netzes kommt.
Der Verbraucher
kauft seinen Strombedarf bei den Stromerzeugern ein. Daneben existieren die
Netzbetreiber, deren Aufgabe es ist, den Strom zu transportieren und das
Stromnetz betriebsfähig zu halten.
II. Herangehensweise des Kreises an die
Thematik
Der Rhein-Kreis Neuss
hat sich bereits im Jahr 2017 im Rahmen einer Schulung und einer Übung des
gesamten Krisenstabes an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und
Zivilschutz - einer Einrichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und
Katastrophenhilfe - mit der Thematik eines flächendeckenden Stromausfalls
befasst.
An dieser Übung
haben neben den stets beteiligten Kräften der Kreisverwaltung, der Feuerwehr,
der Polizei und dem Kreisverbindungskommando der Bundeswehr u.a. auch Vertreter
der Stromerzeuger und der Netzbetreiber teilgenommen.
Im Ergebnis
konnte u.a. festgehalten werden, dass ein Stromausfall, der „nur“ das Gebiet
des Rhein-Kreises Neuss betrifft, aufgrund der technischen Beschaffenheit des
Stromnetzes gar nicht realistisch ist. Maximal könnten Teile des Kreises
betroffen sein (z.B. durch den Ausfall von Masten oder eines Umspannwerks),
wobei die Netzbetreiber sich in der Lage sehen derartige Szenarien innerhalb
weniger Tage zu beherrschen.
Diese
Erkenntnis ist wichtig für die Notfallplanung, nicht nur aufgrund der
unterschiedlichen gesetzlichen Zuständigkeiten für das Krisenmanagement sondern
auch im Hinblick auf das Vorhandensein von Hilfsmitteln, Hilfskräften,
Kommunikationsmitteln und funktionierender Logistik im näheren Einzugsbereich
des Gebietes des Stromausfalls, z.B. in Teilen einer kreisangehörigen Kommune.
Hier ist insbesondere die Verfügbarkeit von „überörtlicher Hilfe“ auf Basis der
Landeskonzepte ein wesentlicher Faktor, da entsprechend große Kapazitäten an
Personal, Material und technischer Ausstattung auf diesem Wege schnell zur
Verfügung stehen können.
Kommt es
andererseits zu einem überregionalen oder gar europaweiten Blackout, ist die
Verfügbarkeit von Hilfsmitteln extrem eingeschränkt, da insbesondere die
überörtliche Hilfe in solchen Fällen ausbleiben wird.
Ein stark
vereinfachtes praktisches Beispiel soll die unterschiedlichen Szenarien
verdeutlichen:
Fällt in Teilen
einer kreisangehörigen Kommune für 2 Tage der Strom aus, können aus Beständen
der Feuerwehren und Hilfsorganisationen aus dem Kreisgebiet und im Rahmen der
überörtlichen Hilfe aus dem Bereich der Bezirksregierung Düsseldorf kurzfristig
Aggregate zur Stromerzeugung herangeführt werden. Für den Betrieb dieser Geräte
wird Kraftstoff benötigt, der in diesem Szenario ebenfalls für die gesamte
Dauer des Ausfalls problemlos laufend zugeführt werden kann.
Handelt es sich
jedoch um einen europaweiten Blackout, werden überörtliche Geräte nicht zur
Verfügung stehen und auch die Zuführung von Kraftstoff sich kaum auf den
Rhein-Kreis Neuss konzentrieren. Dies verschärft somit die Lage exponentiell
und steigert bei Weitem die Herausforderungen an ein lokales Krisenmanagement.
Ob, inwieweit
und wie lange dann die für den Rhein-Kreis Neuss erarbeiteten Konzepte
umsetzbar bleiben ist schwer abzuschätzen. Letztlich wird es eine
Gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, einer solchen Lage entgegen zu wirken.
III. Notfallkonzepte
Das Kernstück des
Notfallkonzeptes bei Stromausfall bildet der für die
administrativ-organisatorische Ebene des Krisenmanagements erstelle „Leitfaden
Stromausfall“, der in Anlage beigefügt ist. Aus diesem Konzept ergeben sich die
Antworten auf die in der Anfrage gestellten Einzelfragen 1, 2, 3, 4, 5, 7 und
8.
Details und
spezielle Fachfragen sind durch die im Krisenstab vertreten Fachämter zu
planen.
Die bewährten
und erprobten Konzepte der operativ-taktischen Ebene ergänzen diese Regelungen
und sehen darüber hinaus Regelungen für den Aufbau und den Betrieb von
Behandlungs- und Betreuungsplätzen vor (Frage 6).
Das Konzept
„Leitfaden Strahlenschutz“ (Frage 9) wurde zuletzt 2018 durch das
Kreisordnungsamt aktualisiert.
Die Problematik
eines länger andauernden Stromausfalls ist bei allen Kommunen erkannt worden.
Die Feuerwehrgerätehäuser werden im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel
sukzessive mit motorbetriebenen Netzersatzanlagen nachgerüstet, um
flächendeckend „Leuchttürme“ bereit zu stellen, an die sich Bürger hilfesuchend
wenden können.
Bei der
Kreisverwaltung wurde die Notstromversorgung des Kreishochhauses samt
Gesundheitsamt technisch aufgerüstet. Ferner wurde ein mobiles Notstromaggregat
mit 125 kVA Leistung bestellt, welches sowohl im Inselbetrieb als auch in der
Gebäudeeinspeisung samt Rücksynchronisation eingesetzt werden kann und zudem
über einen Lichtmast verfügt. Ferner wurde eine mobile Tankstelle beschafft,
die dieses und andere stationäre Aggregate und Maschinen mit Kraftstoff versorgen
kann. Ziel ist es, die „Kritischen Infrastrukturen“ im Sinne der Nationalen
Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie) des BMI vom
17.06.2009 so lange wie möglich arbeitsfähig zu halten.
IV. Übungen auf Grundlage der Planung
Wie bereits ausgeführt
wurde das Thema Stromausfall unter fachlicher Anleitung am AKNZ bereits beübt.
Des Weiteren wurden im Krisenstab des Kreises mehrere kleinere Übungen zur
Thematik durchgeführt.