Betreff
Mitteilung über den Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Norf
Vorlage
68/0317/XVII/2021
Art
Mitteilung

Sachverhalt:

Die im Dezember 2016 gegründete Arbeitsgruppe Norf des Rhein-Kreises Neuss, des Erftverbandes, der RWE Power AG und der Stadt Neuss hat nunmehr den Abschlussbericht über die Historie und die Istsituation der wasserwirtschaftlichen sowie ökologischen Rahmen- bedingungen für das Norfbachsystem fertiggestellt (Anlage).

Die Norf ist Teil eines ehemaligen Entwässerungssystems, das in der Mitte des 19. Jahrhunderts zur Entwässerung von Bruchgebieten diente, die sich von Rommerskirchen und Dormagen bis nach Neuss erstreckten. Das gesamte Gewässersystem ist seit den 1960-er Jahren von einem Absinken der Grundwasserstände betroffen. Ursache dafür ist die intensive wasserwirtschaftliche Nutzung des Gebietes durch die Sümpfungsmaßnahmen des Braunkohlenbergbaus und die Grundwasserentnahmen für die öffentliche Trinkwasserversorgung, Industrie und Landwirtschaft. Ebenso hat der Witterungsverlauf einen maßgeblichen Einfluss auf die Grundwasserstände. Neben der Grundwassersituation vermindern Wasserableitungen aus der Norf zur Speisung von Teichen bzw. Feuchtgebieten ihre Wasserführung. Infolge dessen hat sich der Wasserabfluss der Norf im Zeitverlauf wesentlich verändert. Zum Ausgleich der verminderten Wasserführung bis hin zum Trockenfallen erfolgte seit den 1980-er Jahren bis zum Jahr 2004 eine Überleitung von Wasser aus dem Gillbach in den Stommelner Bach. Seit 2004 leitet die RWE Power AG Reinwasser an 2 Einleitstellen in einer Höhe von jeweils 50 l/s in die Norf und den ihr zufließenden Stommelner Bach ein, um den sümpfungsbedingt verminderten Anteil des Grundwasserzustroms auszugleichen.

Trotz der künstlichen Speisung ist ein zeitweises bzw. abschnittsweises Trockenfallen der Norf festzustellen. Dies wird in der Öffentlichkeit und den politischen Gremien mit Sorge wahrgenommen und diskutiert. Auf Initiative des Rhein-Kreises Neuss wurde daher die Gründung einer Arbeitsgruppe initiiert mit dem Ziel der Bewertung der wasserwirtschaftlichen und ökologischen Situation von Norf und Stommelner Bach. Unter Beteiligung von Vertretern des Rhein-Kreises Neuss, des Erftverbands, der RWE Power AG und der Stadt Neuss erfolgte eine umfangreiche Recherche und Bewertung relevanter Daten, eine Bewertung des Istzustands und die Erarbeitung von Handlungsoptionen zur Regelung des Wasserabflusses. Dabei kann die Norf nicht isoliert als Fließgewässer gesehen werden, sondern es sind ebenso umgebende Nutzungen, insbesondere auch mit der Norf in Verbindung stehende Gewässer und Feuchtgebiete mit einzubeziehen.

Der nun fertiggestellte Abschlussbericht zeigt auf, dass die Wasserführung der Norf das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels einer Reihe von Einflussfaktoren ist. Dazu zählen u. a. die Höhe der Einleitmenge, die Intensität der Gewässerunterhaltung und die Speisung von an die Norf angrenzenden Teichen bzw. Feuchtgebieten.

Die Menge des eingeleiteten Reinwassers ist begrenzt, da dadurch ausschließlich die sümpfungsbedingte Verminderung des Gewässerabflusses auszugleichen ist. Die Auswertung der Abflussdaten der Norf zeigt, dass ihre Wasserführung auch bereits vor der großflächigen Absenkung der Grundwasserstände in der Region durch natürliche Schwankungen der Grundwasserstände variierte und ein Trockenfallen nicht ausgeschlossen werden konnte. Wasserableitungen aus Norf und Stommelner Bach vermindern die Wasserführung, so dass solche Wasserverluste nach Möglichkeit zu verringern sind. Auf der Höhe von Dormagen-Straberg wird das Feuchtgebiet „Zweischleusen“ vom Stommelner Bach gespeist, für das keine Verpflichtung zur Speisung durch die RWE Power AG besteht. Der ökologische Wert dieses Feuchtgebietes wird im Vergleich zum ökologischen Zustand von Norf und Stommelner Bach höher eingestuft. Eine Ableitung von Wasser aus dem Stommelner Bach sollte daher, obwohl sie dessen Wasserführung merklich mindert, aufrechterhalten werden. Als weiterer Einflussfaktor ist die Intensität der Gewässerunterhaltung zu nennen. Während in der Vergangenheit die Gewässerunterhaltung vorrangig dem Ziel diente, durch regelmäßiges Räumen des Profils den Wasserabfluss zu sichern, verfolgt sie heute als gleichrangiges Ziel die ökologische Gewässerentwicklung. Nach Einschätzung der Arbeitsgruppe ist eine regelmäßige intensive Gewässerunterhaltung bei gleichzeitig erhöhter Einleitmenge Voraussetzung für eine ständige Wasserbespannung. Fakt ist jedoch auch, dass eine solche regelmäßige Räumung des Abflussprofils aus gewässerökologischer Sicht den Wert der Wasserführung erheblich mindert und nicht zu einem guten Gewässerzustand führt. Daher wird eine deutliche Intensivierung der Gewässerunterhaltung nicht befürwortet.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass die vollständige Wasserbespannung der Norf und des Stommelner Bachs zwar grundsätzlich anzustreben ist, jedoch aufgrund der im Laufe der Jahre geänderten Rahmenbedingungen nur mit einem hohen Aufwand erreichbar ist. Aufgrund der erforderlichen intensiven Gewässerunterhaltung würde sie nicht zur angestrebten ökologischen Verbesserung führen. Unter Abwägung der Einflussfaktoren, möglicher Maßnahmen und ihrer Auswirkungen wird daher ein abschnitts- und zeitweises Trockenfallen unter den gegebenen Bedingungen toleriert.

Die wasserwirtschaftliche Situation im Einzugsgebiet von Norf und Stommelner Bach wird sich zukünftig nach Beendigung der Sümpfungsmaßnahmen und vollständigem Grundwasserwiederanstieg ändern. Voraussichtlich zum Ende des Jahrhunderts werden sich grundsätzlich wieder flurnähere Grundwasserstände einstellen, die nur noch durch bergbauunabhängige Grundwasserentnahmen und die Witterung beeinflusst sind. Darüber hinaus kann der spätere Grundwasserflurabstand aufgrund verschiedener Faktoren, wie der fortschreitenden Vertiefung des Rheins oder Wasserhaltungsmaßnahmen sowie durch gewässerbauliche Maßnahmen an der Erft von den Grundwasserflurabständen vor Bergbaubeginn abweichen. Irreversible Setzungen des Bodens durch Mineralisierung organischer Bestandteile bei langanhaltender Grundwasserabsenkung können die späteren Grundwasserflurabstände zusätzlich beeinflussen. Dies alles erschwert derzeit eine exakte Prognose der künftigen Situation. Mit Blick in die Zukunft ist jedoch eine genauere Betrachtung der späteren Grundwassersituation erforderlich.

 

 

Ausblick

Das Grundwasser im nördlichen Einzugsgebiet der Norf steht bereits wieder flurnäher an und wird von Norden nach Süden sukzessive wieder ansteigen. Perspektivisch ist damit zu rechnen, dass das Gewässersystem Norf in den nächsten Jahrzehnten hydraulisch stärker beansprucht wird als dies heute der Fall ist. Der Erftverband bewirtschaftet das Gewässersystem Norf in enger Abstimmung mit der unteren Wasserbehörde so, dass keine irreversiblen kostenintensiven Entscheidungen oder Maßnahmen getroffen werden, die der erforderlichen Bildung eines gesellschaftlichen Konsenses zur Entwicklung eines regionalen Leitbildes vorgreifen. In das Leitbild sind die Erfordernisse der Gewässerökologie und des Natur- und Artenschutzes, des Trinkwasserschutzes, des Hochwasserschutzes und der Niederschlagswasserbeseitigung, der Siedlungsentwicklung und des Straßenbaus, der forst- und landwirtschaftlichen Nutzung, aber auch die Themen Freizeit und Erholung einzubeziehen.

Alle an dem Abschlussbericht beteiligten Institutionen hoffen, dass der Bericht eine Wertschätzung als gute Informationsgrundlage für spannende Diskussionen und Willensbildungsprozesse in allen betroffenen Kommunen erfährt.