Betreff
Tischvorlage: Neufassung der Satzung des Rhein-Kreises Neuss über die Förderung von Kindern in Kindertagespflege und Systemumstellung bei der Festsetzung der laufenden Geldleistung an die Kindertagespflegepersonen
Vorlage
51/2974/XVII/2023
Art
Tischvorlage

Sachverhalt:

Vor Beratung des Satzungsentwurfes fanden diverse Treffen der Kindertagespflegepersonen sowie Einzelgespräche statt. Hierbei sind die Anliegen der Kindertagespflegepersonen erörtert worden. Zu dieser Zeit hatte die Interessensgemeinschaft sich noch nicht gegründet.

Die neu gegründete Interessensgemeinschaft Kindertagespflege Korschenbroich hat sich mit Schreiben vom 5. Juni 2023 an den Kreistag gewandt, um ihre Interessen bezüglich der Neufassung der Satzung des Rhein-Kreises Neuss über die Förderung von Kindern in Kindertagespflege und Systemumstellung bei der Festsetzung der laufenden Geldleistung an die Kindertagespflegepersonen zu bekunden. Hierzu wird wie folgt Stellung genommen:

A.   Allgemeines

 

Die selbständige Kindertagespflege, bei der die Tagespflegeperson selbst über den Abschluss des Betreuungsverhältnisses und die in ihrer Einrichtung anzuwenden Pädagogik entscheidet und nicht an die Weisungen der Personensorgeberechtigten gebunden ist, stellt nach Maßgabe von § 22 SGB III ein einer Kindertagesstätte ähnliches Angebot der Kinderbetreuung im familiären Rahmen dar. Insoweit erbringt die Tagespflegeperson eine unternehmerische Leistung, die es ihr erlaubt, mit der Betreuung von Kindern Gewinne zu erzielen. Eine Erzieherausbildung ist für die Erbringung dieser unternehmerischen Leistung nicht erforderlich.

 

Die Geldleistungen, die die Kindertagespflegeperson über die Zahlung des Jugendamtes erhält, stellen nach Maßgabe eines Schreibens des BMF vom 11.11.2016 zur „Ertragssteuerlichen Behandlung der Kindertagespflege“ IVC6-S2246/07/100002:005-2016/0958810 eine steuerpflichtige Einnahme aus freiberuflicher Tätigkeit dar. Dies ist der Interessensgemeinschaft aus der jährlich für das Finanzamt zu erstellenden Einnahme-/Ausgaberechnung auch bekannt.

 

Die vom Jugendamt und dem Jugendhilfeausschuss empfohlene Neufassung der Satzung des Rhein-Kreises Neuss über die Förderung von Kindern in Kindertagespflege und Systemumstellung bei der Festsetzung der laufenden Geldleistung an die Kindertagespflegepersonen erlaubt es diesem Personenkreis, nennenswerte unternehmerische Gewinne erzielen zu können. Bei Ausschöpfung des gesetzlich erlaubten Rahmens mit der Betreuung von maximal fünf Kindern je 39 Stunden in der Woche können mit Inkrafttreten der neuen Satzung Erträge von monatlich 5.700,- € erzielt werden. Demgegenüber verdient eine Erzieherin in der Kita nach dreijähriger Ausbildung und drei Jahren Berufserfahrung ca. 3.340 € brutto monatlich, nach 19 Jahren Berufserfahrung 4.580 € brutto monatlich.

Die Diskussion, welche Gewinne für die Leistung der Kindertagespflegeperson als angemessen anzusehen ist, leidet immer wieder daran, dass die Möglichkeit dieser Personengruppe, Gewinne zu erzielen, nicht erkannt werden, andererseits diese selbständige Tätigkeit immer wieder in Beziehung zu angestellten Erzieherinnen und Erziehern gesetzt wird, die lohnabhängig und weisungsgebunden ihre Tätigkeit verrichten.

 

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze werden die Einzelheiten wie folgt beantwortet:

 

B.   Einzelheiten

  1. Kindertagespflegepersonen werden häufig bei Entscheidungen, die ihre Arbeit betreffen, außen vorgelassen:

 

Fachberaterinnen stehen in regelmäßigem Austausch mit Kindertagespflegepersonen, auch in Form von Kindertagespflegepersonen-Treffen, bei denen die Kindertagespflegepersonen stets aufgefordert werden, ihre Wünsche zu äußern. Vorschläge und Anregungen werden regelmäßig in Teamsitzungen und mit der Abteilungsleitung besprochen und, sofern als möglich und sinnvoll erachtet, umgesetzt. Letztes Kindertagespflegepersonen-Treffen in Korschenbroich im November 2022: hier wurden die Vertreter der zukünftigen IG aufgefordert formlos schriftlich ihre Wünsche und Anregungen für den JHA im Februar bis 31.12.2022 einzureichen, was allerdings bislang nicht erfolgte.

 

  1. Verzicht auf die gesetzlich jährlich vorgesehene Anpassung der Geldleistung für die Kindertagespflegepersonen:

 

Die Darstellung der Interessensgemeinschaft ist nicht korrekt. Denn durch die Systemumstellung hat eine Anpassung der Geldleistung von durchschnittlich ca. 4 % stattgefunden. Damit geht die Anpassung über den vom Landesgesetzgeber vorgeschriebenen Wert von 3,46 % hinaus.

  1. Keine Regelung der jährlichen Anpassung in der Satzung:

Da die Anpassung bereits landesrechtlich in § 37 Kinderbildungsgesetz (KiBiz) geregelt ist, wurde diese aus der Satzung herausgenommen. Die Kindertagespflegepersonen werden vom Jugendamt rechtzeitig schriftlich über die Erhöhung informiert.

  1. Krankheitsregelung:

Eine Anpassung der Krankentage auf 21 Tage steht im Widerspruch zur unternehmerischen Status der Kindestagespflegeperson, stellt diese systemwidrig mit Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer gleich und wäre darüber hinaus mit erheblichen Mehrkosten verbunden, die nicht durch die Beiträge der Eltern gedeckt sind. Bei einem durchschnittlichen Ausfall von 11 Tagen pro Kindertagespflegeperson pro Jahr beliefe sich die Geldleistung, die in diesem Fall nicht an das Jugendamt zurückerstattet werden könnte, auf ca. 130.000 €. Zudem fallen Mehrkosten von ca. 150.000 € an, da pro Kommune eine weitere Vertretungskraft sowie eine Vertretungskraft für die Großtagespflegestellen vorgehalten werden müsste, um dem gesetzlichen Vertretungsanspruch zu erfüllen.

Ungeachtet des unternehmerischen Risikos der Krankheit ist festzustellen, dass bereits heute der Rhein-Kreis Neuss die Kindertagespflegepersonen unterstützt, das unternehmerische Risiko der Krankheit zu tragen. Hierzu gehört:

·         Absicherung der Erträge in der ersten Woche der Krankheit durch das Jugendamt gemäß der Neufassung der Satzung ab dem 01.08.2023;

·         Sicherung der Stellung von Ersatzkräften ohne Zusatzkosten für die von der Krankheit  betroffenen Kindertagespflegeperson;

·         Beteiligung an den Kosten der gesetzlichen Krankenkasse zu 50%;

·         Beteiligung an den Kosten der gesetzlichen Rentenversicherung zu 50%;

·         Beteiligung an der privaten Zusatzversicherung zur Absicherung des Krankheitsrisikos ab der vierten Woche zu 50%;

  1. Rückzahlung der Geldleistungen:

Die Berechnungsgrundlage wurde in der vorgeschlagenen Satzung neu geregelt, so dass zukünftig eine tag- und im Förderantrag festgelegte stundengenaue Abrechnung für jedes einzelne Kind erfolgt. Somit ist dieser Punkt abgearbeitet.

 

  1. Kindertagespflegepersonen können keine Rücklagen bilden:

Entgegen der Darstellung der Interessengemeinschaft erzielen Kindertages- pflegepersonen Erträge, die es ermöglichen, eine Rücklage zu bilden. Bei Anwendung einer kaufmännischen Buchführung können diese auch bilanziell erfasst werden.

  1. Regelung zur Erstattung der Elternbeiträge:

Es wird kritisiert, dass die Eltern keine Erstattung der Elternbeiträge (gem. neuer Satzung) erhalten, obwohl die Geldleistung an die Kindertagespflegeperson eingestellt wird bzw. diese zurückgezahlt werden muss.

Bei dieser Darstellung wird verkannt, dass Elternbeiträge keine Gebühr in der Form einer Leistung für eine Gegenleistung darstellen, sondern diese sich an den Kosten der Kindertagespflege selbst bei Zahlung des Höchstbeitrages lediglich beteiligen. Insoweit wird auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in der Zeit des Kitastreiks im Jahr 2020 verwiesen.

 

  1. Vergleich mit anderen Kommunen:

Soweit ein Vergleich mit anderen Kommunen durchgeführt wird, empfiehlt es sich, nicht auf die einzelne Leistung zu schauen, sondern eine Gesamtbetrachtung durchzuführen. Hierbei ist festzustellen, dass der Rhein-Kreis Neuss den Kindertagespflegepersonen die höchsten Erträge in der Kreisgemeinschaft sichert, auch gerade, um Rücklagen für Sondersituationen zu ermöglichen.

 

  1. Sitz und Stimme in den Jugendhilfeausschuss:

 

Dieses Anliegen wird nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden im nächsten Jugendhilfeausschuss unter Beachtung der Bestimmungen im SGB VIII, dem Ausführungsgesetz zum KJHG NW und der Satzung des Jugendamtes des Rhein-Kreis Neuss beraten.

 

C.   Ergebnis

 

Die Verwaltung empfiehlt, im Interesse der Kindertagespflegepersonen, der einstimmigen Beschlussempfehlung des Jugendhilfeausschusses zu folgen.