Auch in den vergangenen Sitzungen des Sozial- und Gesundheitsausschusses wurde über den Sachstand zur Umsetzung des BTHG berichtet. Die Delegationssatzungen zum SGB XII und SGB IX sind auf Beschlussempfehlung des Ausschusses am 25.09.2019 vom Kreistag beschlossen und zwischenzeitlich öffentlich bekanntgemacht worden. Die Zuständigkeiten ab 01.01.2020 sind somit geklärt. Nachfolgend wird zur praktischen Umsetzung des BTHG zu folgenden Punkten informiert:
Existenzsichernde Leistungen
- Datentransfer
Der Landschaftsverband (LVR) hat die Fallübertragung an den Rhein-Kreis Neuss Ende Juli in technischer Form vorgenommen. Von hier erfolgte die Weiterleitung an die kreisangehörigen Städte und die Gemeinde Rommerskirchen. Die Datenqualität muss allerdings im Nachgang als mangelhaft bezeichnet werden. Viele Fälle waren örtlich falsch zugeordnet, d.h. der Herkunftsort, der als „gewöhnlicher Aufenthalt“ entscheidend ist, war unrichtig dokumentiert. Umgekehrt tauchten Fälle, die den Städten und Gemeinden bekannt waren, nicht in den Listen des LVR auf. Die örtlichen Sozialämter mussten daher in einer Vielzahl von Fällen den maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalts ermitteln. Weiterhin gehen täglich neue Anträge ein, bei denen jeweils die Zuständigkeit überprüft wird und im Einzelfall auch noch Ermittlungen angestellt werden müssen. Insofern wirkt sich die Problematik noch aus.
- Aktuelle Fallzahlen
Der Antragseingang
zum Stichtag 11.11.2019 stellt sich wie folgt dar:
Neuss 479
Grevenbroich 134
Dormagen 84
Meerbusch 69
Kaarst 66
Korschenbroich 41
Jüchen 50
Rommerskirchen 20
Rhein-Kreis Neuss 943
Von den knapp 950 Fällen war bei ca. 150 Fällen keine Zuständigkeit gegeben. Diese Fälle wurden bereits an die ermittelten örtlich zuständigen Kommunen weiter geleitet oder befinden sich noch in der Klärung.
Täglich gehen weitere Anträge ein, so dass ein genaueres Bild derzeit nicht darstellbar ist. Eine Klärung, also ein Kontakt mit den Einrichtungen und Betreuern erfolgt auch in den Fällen, welche den Städten bekannt sind, in welchen aber bislang kein Antrag gestellt wurde.
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Mittagsverpflegung
Werkstätten
Menschen mit Behinderung steht ab dem 01.01.2020 ein Mehrbedarf bei gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung in Werkstätten für behinderte Menschen und in vergleichbaren tagesstrukturierenden Angeboten nach § 42b Abs. 2 SGB XII zu.
Bundeseinheitlich werden zur Ermittlung der Höhe des
Mehrbedarfs folgende Werte zugrunde gelegt:
Bei 5-Tage-AW 19 Tage/ Monat EUR 64,60
Bei 4-Tage-AW 15 Tage/Monat EUR 51,00
Bei 3-Tage-AW 11 Tage/Monat EUR 37,40
Bei 2-Tage-AW 8 Tage/Monat EUR 27,20
Bei 1-Tag-AW 4 Tage/Monat EUR 13,60
Im ersten Jahr wird der Mehrbedarf einmalig vorläufig für ein
Jahr bewilligt.
Diese Rechengrößen wurden durch das BMAS mit Rundschreiben vom 28.10.2019 bekannt gegeben. Hierauf basierend wurde umgehend am 06.11.2019 mit den drei im Rhein-Kreis Neuss angesiedelten Werkstätten für behinderte Menschen über die erforderlichen praktischen Verfahrensschritte gesprochen. Alle Regelungen hierzu wurden bereits durch Rundverfügung zur Anwendung an die Städte und Gemeinde verfügt.
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Rentenanrechnung
Menschen mit
Behinderungen erhalten ab dem 01.01.2020 erstmals ihre Rentenzahlungen auf das
eigene Konto überwiesen. Zuvor waren diese auf den LVR übergeleitet. Die erste
Rentenzahlung erfolgt am letzten Bankarbeitstag im Januar. Durch eine
Gesetzesänderung wird nun bewirkt, dass die grundsätzlich vorzunehmende
Anrechnung der Rentenzahlungen bei der Berechnung der existenzsichernden
Leistungen für den Monat Januar 2020 nicht erfolgt, um auf diese Weise die
ansonsten entstehende Finanzierungslücke zu schließen.
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Vermögensanrechnung
Im Zuge der Prüfung der Kurzanträge wurde festgestellt,
dass in Einzelfällen erhebliches Vermögen bei den Antragstellern vorhanden ist.
Hier war im Vorfeld nicht kommuniziert worden, dass durch die ab 01.01.2020
erfolgende Aufteilung der Komplexleistung für den Teil der Lebenshaltungskosten
nun andere Einkommens- und Vermögensfreigrenzen zu beachten sind, als dies bislang
der Fall war. Es kann also in Einzelfällen dazu kommen, dass Leistungen aufgrund
der Überschreitung der Vermögensfreigrenze nicht gewährt werden können. Dies
widerspricht der ursprünglichen Kommunikation auf Bundesebene, dass keine
finanziellen Einbußen für die Betroffenen zu erwarten sind.
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Kosten der Unterkunft
Die Mietobergrenzen für die besonderen
Wohnformen sind in Kraft und wurden dem Ausschuss in der letzten Vorlage zur
Umsetzung BTHG mitgeteilt.
Die Leistungsanbieter der besonderen Wohnformen sind nun gehalten, Mietverträge
mit den Bewohnern abzuschließen. Laut Abfrage bei den Städten und der Gemeinde
liegen bei ca. 2/3 aller eingereichten Kurzanträge auch Mietbescheinigungen
oder bereits Mietverträge vor. Der Höhe nach bewegen diese sich überwiegend im
Bereich zwischen 100 und 125 % der Mietobergrenze.
Soweit die Kosten der Unterkunft die
durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen nicht überschreiten,
werden diese bis zur Höhe der ermittelten Mietobergrenzen übernommen. In der
Regel werden die Mietverträge die im Gesetz aufgezählten Zusatzkosten
ausweisen, so dass auch bis zu 125% der jeweiligen Mietobergrenze übernommen
werden. Überschreiten die tatsächlichen Kosten auch die 125%, wird den
Leistungsbeziehern empfohlen, einen entsprechenden Antrag beim
Landschaftsverband zu stellen. Der Landschaftsverband prüft dann, inwiefern die
überschießenden Kosten als Fachleistung übernommen werden können.
Nicht für alle Einrichtungen ist die Frage, welche Flächen als Wohnflächen und welche als Fachleistungsflächen anzusehen sind, zwischen Träger und LVR geklärt. Dementsprechend fehlen bei einigen Kurzanträgen die anspruchs- und zahlungsbegründenden Mietbescheinigungen. Sollten hier nicht in Kürze die Vergütungsvereinbarungen abgeschlossen sein, muss in diesen Fällen, damit zum 01.01.2020 dennoch ein Betrag für die tatsächlich genutzte Unterkunft in die Grundsicherung übernommen werden kann, evtl. für eine kurze Übergangszeit bis zu klaren Vereinbarungen der jeweils geltende ermittelte angemessene Mietwert (100%) gezahlt werden.
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Sonstiges
Der Rhein-Kreis Neuss steht nahezu täglich in
Kontakt mit den Städten und der Gemeinde, um bei speziellen Fragestellungen
oder schwierigen Sachverhalten zu unterstützen.
So wurde z.B. festgestellt, dass in einigen Fällen bislang die „dauerhafte
Erwerbsminderung“ nicht festgestellt wurde. Diese Feststellung erfolgt durch
den Rentenversicherungsträger, wurde im derzeitigen Hilfesystem nicht unbedingt
benötigt, ist jetzt aber wichtige Leistungsvoraussetzung. Daher wird praktisch
diese Vorbedingung zunächst unterstellt, muss aber formell nachgeholt werden. Dies ist
nur eine von vielen Fragen, die im Übergangsprozess nicht vorausgesehen wurden
und nun auf kommunaler Ebene geklärt werden müssen.
Schulung
Am 17.10.2019 hat der Rhein Kreis Neuss eine
Schulung zur Fallbearbeitung für die Sachbearbeiter in den Städten und
Gemeinden angeboten. Dozent war Rechtsanwalt Dr. Krause, der derzeit in ganz
Deutschland zu dem Thema vorträgt. Alle Städte und die Gemeinde waren vertreten
und das Feedback war durchweg positiv.
Eingliederungshilfe
Die durch den
Wechsel der Zuständigkeiten in der Eingliederungshilfe erforderliche
Fallübernahme und Fallabgabe beim Kreissozialamt, dem Sozialamt der Stadt Neuss
und dem LVR ist mittels elektronischem Datenaustausch und teilweise in
Papierform größtenteils wie vorgesehen zum 31.10.2019 erfolgt bzw. konnte
sukzessive zwischenzeitlich abgeschlossen werden.
Frühförderung
Die Sachbearbeitung der Frühförderung ist für die bestehenden Fälle bis zum 31.07.2022 auf den Rhein-Kreis Neuss und vom Rhein-Kreis Neuss für die Fälle im Stadtgebiet Neuss auf die Stadt Neuss delegiert. Der LVR hat die vom Rhein-Kreis Neuss in diesem Kontext abgeschlossenen Verträge über Leistungserbringungen unverändert übernommen.
Kooperationsvereinbarung
Die nach dem
AG-BTHG NRW vorgeschriebene Kooperationsvereinbarung zwischen LVR und Kreis ist
in der internen Abstimmung und liegt dem LVR im Entwurf vor. Bereits am
28.10.2019 hat der LVR in der Sitzung mit den Amtsleitungen der
Mitgliedskörperschaften mitgeteilt, dass aufgrund der engen Ressourcen in 2019 nur
der Abschluss einer Zwischenvereinbarung zum 01.01.2020 realisierbar sei. Der
Inhalt der Kooperations-vereinbarungen (Festlegung gemeinsamer Steuerungs- und
Planungsgremien, inklusive Sozialraumorientierung, evtl. Übernahme kommunaler
Angebote) sei zu komplex und benötige ausreichende Zeit für eine Abstimmung. Der erste Austausch über die Kooperationsvereinbarung
mit dem LVR findet am 03.12.2019 statt.