Sachverhalt:
Die im Dezember 2016
gegründete Arbeitsgruppe Norf des Rhein-Kreises Neuss, des Erftverbandes, der
RWE Power AG und der Stadt Neuss hat nunmehr den Abschlussbericht über die
Historie und die Istsituation der wasserwirtschaftlichen sowie ökologischen
Rahmen- bedingungen für das Norfbachsystem fertiggestellt (Anlage).
Die Norf ist Teil eines ehemaligen Entwässerungssystems, das in der
Mitte des 19. Jahrhunderts zur Entwässerung von Bruchgebieten diente, die sich
von Rommerskirchen und Dormagen bis nach Neuss erstreckten. Das gesamte
Gewässersystem ist seit den 1960-er Jahren von einem Absinken der
Grundwasserstände betroffen. Ursache dafür ist die intensive
wasserwirtschaftliche Nutzung des Gebietes durch die Sümpfungsmaßnahmen des
Braunkohlenbergbaus und die Grundwasserentnahmen für die öffentliche
Trinkwasserversorgung, Industrie und Landwirtschaft. Ebenso hat der
Witterungsverlauf einen maßgeblichen Einfluss auf die Grundwasserstände. Neben
der Grundwassersituation vermindern Wasserableitungen aus der Norf zur Speisung
von Teichen bzw. Feuchtgebieten ihre Wasserführung. Infolge dessen hat sich der
Wasserabfluss der Norf im Zeitverlauf wesentlich verändert. Zum Ausgleich der
verminderten Wasserführung bis hin zum Trockenfallen erfolgte seit den 1980-er
Jahren bis zum Jahr 2004 eine Überleitung von Wasser aus dem Gillbach in den
Stommelner Bach. Seit 2004 leitet die RWE Power AG Reinwasser an 2
Einleitstellen in einer Höhe von jeweils 50 l/s in die Norf und den ihr
zufließenden Stommelner Bach ein, um den sümpfungsbedingt verminderten Anteil
des Grundwasserzustroms auszugleichen.
Trotz der künstlichen Speisung ist ein zeitweises bzw. abschnittsweises
Trockenfallen der Norf festzustellen. Dies wird in der Öffentlichkeit und den
politischen Gremien mit Sorge wahrgenommen und diskutiert. Auf Initiative des
Rhein-Kreises Neuss wurde daher die Gründung einer Arbeitsgruppe initiiert mit
dem Ziel der Bewertung der wasserwirtschaftlichen und ökologischen Situation von
Norf und Stommelner Bach. Unter Beteiligung von Vertretern des Rhein-Kreises
Neuss, des Erftverbands, der RWE Power AG und der Stadt Neuss erfolgte eine
umfangreiche Recherche und Bewertung relevanter Daten, eine Bewertung des
Istzustands und die Erarbeitung von Handlungsoptionen zur Regelung des
Wasserabflusses. Dabei kann die Norf nicht isoliert als Fließgewässer gesehen
werden, sondern es sind ebenso umgebende Nutzungen, insbesondere auch mit der
Norf in Verbindung stehende Gewässer und Feuchtgebiete mit einzubeziehen.
Der nun fertiggestellte Abschlussbericht zeigt auf, dass die
Wasserführung der Norf das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels einer Reihe
von Einflussfaktoren ist. Dazu zählen u. a. die Höhe der Einleitmenge, die
Intensität der Gewässerunterhaltung und die Speisung von an die Norf
angrenzenden Teichen bzw. Feuchtgebieten.
Die Menge des eingeleiteten Reinwassers ist begrenzt, da dadurch
ausschließlich die sümpfungsbedingte Verminderung des Gewässerabflusses
auszugleichen ist. Die Auswertung der Abflussdaten der Norf zeigt, dass ihre
Wasserführung auch bereits vor der großflächigen Absenkung der
Grundwasserstände in der Region durch natürliche Schwankungen der
Grundwasserstände variierte und ein Trockenfallen nicht ausgeschlossen werden
konnte. Wasserableitungen aus Norf und Stommelner Bach vermindern die
Wasserführung, so dass solche Wasserverluste nach Möglichkeit zu verringern
sind. Auf der Höhe von Dormagen-Straberg wird das Feuchtgebiet „Zweischleusen“
vom Stommelner Bach gespeist, für das keine Verpflichtung zur Speisung durch
die RWE Power AG besteht. Der ökologische Wert dieses Feuchtgebietes wird im
Vergleich zum ökologischen Zustand von Norf und Stommelner Bach höher
eingestuft. Eine Ableitung von Wasser aus dem Stommelner Bach sollte daher,
obwohl sie dessen Wasserführung merklich mindert, aufrechterhalten werden. Als
weiterer Einflussfaktor ist die Intensität der Gewässerunterhaltung zu nennen.
Während in der Vergangenheit die Gewässerunterhaltung vorrangig dem Ziel
diente, durch regelmäßiges Räumen des Profils den Wasserabfluss zu sichern,
verfolgt sie heute als gleichrangiges Ziel die ökologische Gewässerentwicklung.
Nach Einschätzung der Arbeitsgruppe ist eine regelmäßige intensive
Gewässerunterhaltung bei gleichzeitig erhöhter Einleitmenge Voraussetzung für
eine ständige Wasserbespannung. Fakt ist jedoch auch, dass eine solche
regelmäßige Räumung des Abflussprofils aus gewässerökologischer Sicht den Wert
der Wasserführung erheblich mindert und nicht zu einem guten Gewässerzustand führt.
Daher wird eine deutliche Intensivierung der Gewässerunterhaltung nicht
befürwortet.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass die vollständige Wasserbespannung
der Norf und des Stommelner Bachs zwar grundsätzlich anzustreben ist, jedoch
aufgrund der im Laufe der Jahre geänderten Rahmenbedingungen nur mit einem
hohen Aufwand erreichbar ist. Aufgrund der erforderlichen intensiven
Gewässerunterhaltung würde sie nicht zur angestrebten ökologischen Verbesserung
führen. Unter Abwägung der Einflussfaktoren, möglicher Maßnahmen und ihrer
Auswirkungen wird daher ein abschnitts- und zeitweises Trockenfallen unter den
gegebenen Bedingungen toleriert.
Die wasserwirtschaftliche Situation im Einzugsgebiet von Norf und
Stommelner Bach wird sich zukünftig nach Beendigung der Sümpfungsmaßnahmen und
vollständigem Grundwasserwiederanstieg ändern. Voraussichtlich zum Ende des
Jahrhunderts werden sich grundsätzlich wieder flurnähere Grundwasserstände
einstellen, die nur noch durch bergbauunabhängige Grundwasserentnahmen und die
Witterung beeinflusst sind. Darüber hinaus kann der spätere
Grundwasserflurabstand aufgrund verschiedener Faktoren, wie der
fortschreitenden Vertiefung des Rheins oder Wasserhaltungsmaßnahmen sowie durch
gewässerbauliche Maßnahmen an der Erft von den Grundwasserflurabständen vor
Bergbaubeginn abweichen. Irreversible Setzungen des Bodens durch
Mineralisierung organischer Bestandteile bei langanhaltender
Grundwasserabsenkung können die späteren Grundwasserflurabstände zusätzlich
beeinflussen. Dies alles erschwert derzeit eine exakte Prognose der künftigen
Situation. Mit Blick in die Zukunft ist jedoch eine genauere Betrachtung der späteren
Grundwassersituation erforderlich.
Ausblick
Das Grundwasser im nördlichen Einzugsgebiet der Norf steht bereits
wieder flurnäher an und wird von Norden nach Süden sukzessive wieder ansteigen.
Perspektivisch ist damit zu rechnen, dass das Gewässersystem Norf in den
nächsten Jahrzehnten hydraulisch stärker beansprucht wird als dies heute der
Fall ist. Der Erftverband bewirtschaftet das Gewässersystem Norf in enger
Abstimmung mit der unteren Wasserbehörde so, dass keine irreversiblen
kostenintensiven Entscheidungen oder Maßnahmen getroffen werden, die der
erforderlichen Bildung eines gesellschaftlichen Konsenses zur Entwicklung eines
regionalen Leitbildes vorgreifen. In das Leitbild sind die Erfordernisse der
Gewässerökologie und des Natur- und Artenschutzes, des Trinkwasserschutzes, des
Hochwasserschutzes und der Niederschlagswasserbeseitigung, der Siedlungsentwicklung
und des Straßenbaus, der forst- und landwirtschaftlichen Nutzung, aber auch die
Themen Freizeit und Erholung einzubeziehen.
Alle an dem Abschlussbericht beteiligten Institutionen hoffen, dass der
Bericht eine Wertschätzung als gute Informationsgrundlage für spannende
Diskussionen und Willensbildungsprozesse in allen betroffenen Kommunen erfährt.