Sitzung: 18.08.2022 Planungs-, Klimaschutz- und Umweltausschuss
Vorlage: 68/1479/XVII/2022
Protokoll:
Herr
Mauerhof, Leiter des
Regionalforstamtes Niederrhein vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW, referiert
über eine nachhaltige Waldbewirtschaftung und Waldvermehrung im Zeichen des
Klimawandels.
Anmerkung
der Schriftführung: Primär aus Lesbarkeitsgründen werden sämtliche
Powerpoint-Vorträge der Papierversion der Niederschrift nicht angehängt,
sondern auf der Homepage des Rhein-Kreises Neuss für alle verfügbar abgelegt.
(Pfad: Verwaltung und Politik/ Politik und Wahlen/ Bürgerinfoportal/ Planungs-
Klima-und Umweltausschuss/ 18.8.2022)
Herr Mauerhof betont, dass 27 % der
Fläche von NRW bewaldet sei. Zum Vergleich: Hessen und Rheinland-Pfalz führen
als waldreichste Bundesländer mit jeweils 42 %, in Bayern liege der Waldanteil
bei 35%. In NRW befänden sich 64 % der Wälder allerdings in privatem Eigentum.
Dieser Anteil sei höher als in jedem anderen Bundesland. Herr Mauerhof informiert über die Waldflächen in den insgesamt 16
Regionalforstämtern in NRW. Der Rhein-Kreis-Neuss gehöre zum Regionalforstamt
Niederrhein mit Sitz in Wesel. Laut Statistikatlas NRW beträgt die Waldfläche
im Rhein-Kreis Neuss lediglich 7,4 %. Er hebt hervor, dass der Fichtenbestand seit 2018 in NRW um die Hälfte abgenommen habe.
Ursachen hierfür: Stürme, Trockenheit und der Borkenkäferbefall. Herr Mauerhof führt aus, dass der
Kiefernanteil im Bereich des Niederrheins 30 % betrage, Buche und Eiche kommen
zusammen auf 27 %. Der Anteil der Fichte inklusive der Douglasie betrage zwar
nur 6 %, wirtschaftlich gesehen sei aber insbesondere die Fichte sehr wichtig,
weil sie zum einen schnell wachse und zum anderen sehr gut im Baubereich
eingesetzt werden könne. Herr Mauerhof
erklärt die waldbaulichen Ziele des Landes NRW. So sollen vor allem die Nutz-,
die Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes gesichert und aufrechterhalten
werden. Dazu sollen vitale, leistungsfähige und im Klimawandel möglichst
widerstandsfähige Waldbestände etabliert werden, insbesondere Mischbestände
unterschiedlichen Alters. Herr Mauerhof
stellt in seinem Vortrag abschließend heraus, dass der Gemeinwohlleistung des
Waldes gesellschaftlich mehr Anerkennung gezollt werden müsse.
Vorsitzender
Herr Markert schlägt vor, zunächst
alle drei Vorträge zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung anzuhören und erst
danach in die Diskussion einzusteigen.
Herr
Hrdy erkundigt sich zu
Wildverbissen. Herr Mauerhof
antwortet, dass der Wildverbiss durch zu hohe Tierbestände regional durchaus
ein Problem darstelle.
Herr von
Landsberg-Velen als Vertreter des Waldbauernverbandes NRW informiert, dass ein Drittel
der Fläche von Deutschland bewaldet sei, umgerechnet 11,4 Millionen Hektar. Vor
50 Jahren seien es damals lediglich 9,9 Millionen Hektar gewesen. Herr von Landsberg-Velen führt aus,
dass sich knapp 50 % der Waldfläche in Deutschland in privater Hand befänden,
den Ländern gehören 29 % und der Kommunalwaldanteil liege bei 19 %. Er stellt
heraus, dass 50 % der Privatwaldfläche den sogenannten Kleinstflächen
zugeordnet werden, immerhin 25 % der gesamten Waldfläche in Deutschland. In
Nordrhein-Westfahlen besitzen 150.000 Waldeigentümer durchschnittlich lediglich
4 ha, mit entsprechenden Folgen bei der Bewirtschaftung. Herr von Landsberg-Velen benennt für den Rhein-Kreis Neuss einen
Waldflächenanteil von 8,3 %. 70 % dieser Fläche werden professionell
beförstert. Er informiert über Niederschlagsmengen, Böden, einheimische und
alternative Baumarten und schließlich über den Waldzustand im Klimawandel.
Klimawandel bedeute: Weiter ansteigende Temperaturen in Verbindung mit extremer
Trockenheit und die Anzahl der Orkane und Stürme nehme ebenfalls zu. Er belegt
dieses mit statistisch abgesicherten Zahlen. Herr von Landsberg-Velen erklärt, dass
dem Wald nur durch den Aufbau klimastabiler Mischwälder geholfen werden könne.
Dazu gehöre auch eine Mischung aus einer natürlichen Verjüngung mit den bereits
vorhandenen älteren Bäumen. Er spricht sich dafür aus, Holz als nachwachsenden,
regionalen Rohstoff weiterhin zu nutzen, insbesondere auch das Nadelholz.
Nicht nur im Rhein-Kreis Neuss vertrocknen seit Jahren die Buchen, auch gebe es
hier das Eschentriebsterben und die Rußrindenkrankheit. Schließlich weist er
auf den steigenden Erholungsdruck in den Wäldern durch die Bevölkerung hin, mit
entsprechenden Problemen.
Herr von Landsberg-Velen empfiehlt,
die nichtorganisierten Waldflächen, zumeist die Kleinstflächen, in sogenannte
Forstbetriebsgemeinschaften zu integrieren, um auch auf diesen Flächen eine
professionelle Beförsterung durchzuführen. Schließlich lobt er das Waldvermehrungsprogramm
des Kreises, den Waldanteil bis 2100 auf 12 % zu erhöhen. Allerdings sehe er
die Umsetzung des Zieles durch Privateigentümer nicht gegeben, alleine schon
aufgrund der hohen Grundstückspreise im Rhein-Kreis Neuss.
Abschließend berichtet Herr von Landsberg-Velen über
eine Zielvereinbarung im Oberbergischen Kreis, wo unter Leitung der
Kreisverwaltung alle Akteure, die mit Wäldern zu tun haben, die Wiederbewaldung
vor Ort forcieren wollen. Informationen hierzu seien im Internet abrufbar.
Herr Kaiser
fragt, ab welcher Größe statistisch betrachtet überhaupt von einem Wald
gesprochen werde. Herr B von
Landsberg-Velen antwortet: 0,5 ha. Frau
Hugo-Wissemann erkundigt sich zu Ulmen und Linden. Herr Berno von
Landsberg-Velen sagt, dass diese Baumarten wirtschaftlich keine Rolle
spielen, unter Klimaschutzaspekten aber sicherlich interessant seien. Frau Kehl, Herr Mauerhof und Herr Berno
von Landsberg-Velen diskutieren über weitere Baumarten, z. B. die
Douglasie, die allerdings nicht zu den einheimischen Bäumen gerechnet werde,
obwohl bereits seit über 100 Jahren in Deutschland kultiviert. Frau Steiner erkundigt sich zu CO2-Zertifikaten.
Berno von Landsberg-Velen informiert,
dass diese Zertifikate nur bei einer Neuaufforstung zum Tragen kommen, bei
Wiederaufforstungen jedoch nicht. Herr
Wappenschmidt erinnert daran, dass der Waldanteil im Rhein-Kreis Kreis bei
lediglich 6 %, gelegen habe, als das Waldvermehrungsprogramm in 1988
beschlossen worden sei. Aktuell seien es 8,3 %. Im ersten Vortrag sei
allerdings die Zahl 7,4 % genannt worden. Er bittet die Verwaltung um
Aufklärung.
(Anmerkung
der Schriftführung: Die Forstdienststelle des Rhein-Kreises
Neuss antwortet wie folgt:
Die Berechnung des Waldanteils durch die
Kreisforstdienststelle erfolgt auf Basis der Ermittlungen des Forstamtes
Mönchengladbach, zuletzt von 2006. Die Waldfläche wurde mit 4.785 ha beziffert,
dies entsprach 8,3% Waldanteil. Die Entwicklungen der kreiseigenen Waldflächen
wurden fortgeschrieben. Erkenntnisse zur Entwicklung der Waldflächen anderer
Eigentümer liegen nicht vor.
Eine Auswertung der NRW-Statistik ergab für
2021 einen Waldanteil im Rhein-Kreis Neuss von 7,6% (2020: 7,4%). Unter
Berücksichtigung von Gehölzflächen, die bis 2016 nicht gesondert ausgewiesen
wurden, liegt der Wald- und Gehölzanteil bei 9,4%.)
Insgesamt bewertet Herr Wappenschmidt die bisherigen Waldzuwachsraten positiv.
Als dritten Referenten zum Thema begrüßt Vorsitzender Herr Markert Herrn
Kowalski vom NABU, Mitglied des
Forstausschusses NRW des NABU. Herr
Kowalski stellt zunächst die vielseitigen Ökosystemleistungen eines Waldes
vor:
- Lebensraum für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren
- Wasserspeicher
- Kühlung
- Erholungsraum für die Menschen
- Luftfilter
- CO2 Speicher
- Sauerstoffproduzent
- Rohstofflieferant
Herr Kowalski informiert, dass sich
die Kahlflächen in Deutschland bereits auf 300.000 ha ausgedehnt haben. Es
stelle sich aktuell die Frage, Neuanpflanzungen vorzunehmen oder eine
natürliche Wiederverwaldung zuzulassen. Er verweist darauf, dass es zurzeit
kaum Setzlinge auf dem Markt gebe und dass bei der anhaltenden Trockenheit eine
Neuanpflanzung problematisch sei. Selbst wenn bei einer natürlichen
Wiederverwaldung anfänglich nur Birken und Holunder wachsen sollten, sei der
Boden zumindest begrünt. Herr Kowalski
betont, dass der Bund für die nächsten fünf Jahre insgesamt 900 Millionen Euro
bereitstelle, um die Ökoleistungen des Waldes zu fördern. Dieses Förderprogramm
könne sicherlich auch für die kommunalen Anstrengungen in Sachen Waldvermehrung
genutzt werden. Herr Kowalski
erklärt, dass der forcierte Anbau der Fichte in der Vergangenheit ein Fehler
gewesen sei. Er empfiehlt, dass sich analog der Vorgehensweise im
Oberbergischen Kreis alle Akteure aus dem Bereich Wald an einen Tisch setzen
sollten.
Herr
Quass erkundigt sich, warum
es aktuell so schwer sei, Setzlinge zu kaufen. Herr Kowalski sagt, dass die Baumschulen mit solch einer Nachfrage
nicht gerechnet haben. Graf von
Nesselrode informiert über Grundsätzliches in der Forstwirtschaft. Herr Wappenschmidt erkundigt sich zur
sogenannten Naturverjüngung und fragt den Kreisförster Herrn Kriegler zur
Situation in den Wäldern des Rhein-Kreises Neuss. Herr Kriegler antwortet, dass die natürliche Waldverjüngung auf den
Kreisflächen zurzeit nicht funktionieren könne, da dort der benötigte
Altbestand noch nicht vorhanden sei. Er berichtet über den Zustand der Bäume.
Auch dort gebe es Mangelerscheinungen, insbesondere durch die langanhaltenden
Trockenphasen. Herr Kowalski spricht
das Thema Bauholz an, kritisiert, dass sich die Sägewerke jahrelang
hauptsächlich auf die Verarbeitung von Fichtenholz fokussiert haben und
bedauert, dass Buchenholz zu über 80 % verfeuert werde.
Herr
Werhahn verweist auf die hohe
Bodenfruchtbarkeit im Rhein-Kreis Neuss und dass solche Böden seit jeher
intensiv für die Produktion von Lebensmitteln genutzt werden. Vorsitzender Herr Markert, Graf von Nesselrode und Frau Hugo-Wissemann diskutieren weiter
zum Thema „Waldvermehrung im Rhein-Kreis Neuss“.
Zum Thema „Bauholz aus Buche“ informiert Graf von Nesselrode, dass es
diesbezüglich bereits diverse Anläufe gebe. Er gibt allerdings zu bedenken,
dass die Buche aktuell großflächig abstürbe und die Zukunft dieser Baumart
daher unsicher sei.
Abschließend verweist Herr Kowalski darauf, dass es nicht nur die Flächenkonkurrenz
zwischen Land- und Forstwirtschaft gebe. Gewerbe- und Neubaugebiete,
Infrastrukturprojekte aber auch der Freizeitsektor nehmen sehr viel Boden in
Anspruch. Er betont, dass der Rhein-Kreis Neuss mit seinem
Waldvermehrungsprogramm aber auf dem richtigen Wege sei. Herr von Landsberg-Velen und Herr Mauerhof schießen sich dieser
Bewertung an. Alle drei Referenten betonen, dass sie dem
Rhein-Kreis Neuss auch weiterhin gerne mit Rat und Tat gerne zur Verfügung
stehen.