Beschluss:

Der Beirat bei der Unteren Naturschutzbehörde erhebt keinen Widerspruch gegen die Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 Ziff. 1 BNatSchG im Rahmen des Plangenehmigungsverfahrens nach § 68 WHG für die Reaktivierung der Gräben im Hoppbruch nach der Planung des Städtischen Abwasserbetriebs der Stadt Korschenbroich vom Dezember 2019 in der aktualisierten Fassung vom Juni 2021.


Protokoll:

Beiratsmitglied Bolz erklärte nach erfolgter Ortsbesichtigung, dass hier vorgesehen sei, einen bodenfrischen Niederungsstandort mit einem hochwertigen Biotopkomplex auch zukünftig zu entwässern bzw. dass man die Entwässerung wiederherstellen wolle. Nach Einblick in die Fachinformationssysteme und unter Berücksichtigung des bundesweiten Trends sukzessive zurückgehender Grundwasserstände habe er Zweifel am Erfordernis. Die Erläuterungen hierzu seien ihm zu dünn. Danach sei zu erwarten, dass in Korschenbroich das ursprüngliche Niveau wieder erreicht werde. Er habe sich Erläuterungen gewünscht, aus welchen Gründen dies in Korschenbroich entgegen dem landes- und bundesweiten Trend so sein solle.

Es sei eine sehr weit reichende Maßnahme und er habe Zweifel an der Grundannahme.

Hinzu komme, dass der Trietbachbereich unterhalb der Einleitstelle als Überschwemmungsgebiet gekennzeichnet sei. Werde dieser durch die Einleitung schneller überschwemmt? Sei die Gefahr höher? Stauten die Gräben dann nicht auch zurück? Er hätte hierzu gerne Aussagen gelesen, sei aber nicht fündig geworden.

Er sehe sich derzeit nicht in der Lage, hierzu zu entscheiden.

 

Vorsitzender Grimbach berichtete auch seinerseits über Zweifel an der vorgelegten Planung. Auch er könne das Erfordernis und die Konsequenzen nicht vollständig abschätzen.

 

Schriftführer Schmitz erklärte, dass man im Rahmen der Entscheidung über die naturschutzrechtliche Befreiung kaum in der Lage sei, die entwickelten und hier angelegten Modelle der Grundwasserentwicklung und –prognose zu diskutieren oder gar in Frage zu stellen. Über die Erläuterungen in der Vorlage hinaus seien hierzu vielfältige Informationen im Bürgerinfoportal abgelegt. Als Naturschutzbehörde zweifle man diese Ergebnisse nicht an. Die Gräben dienten nicht zu einer Entwässerung bestehender Feuchtgebiete, sondern zu Ableitung von Niederschlagswasser und zur Kappung von Grundwasserspitzen. Dies sei bereits aus der Höhenlage der Grabensohle erkennbar. Die Gräben seien als Entwässerungsgräben angelegt worden, in der Zeit der Grundwasserabsenkung teilweise verlandet und sollten jetzt mit Blick auf die erwartete zukünftige Entwicklung wieder reaktiviert werden. Er könne dies nicht in Frage stellen.

 

Umweltdezernent Küpper warnte davor, die Ergebnisse der abgestimmten Modellrechnungen in Frage zu stellen und die beantragten Maßnahmen in der Erwartung einer möglicherweise anderen Entwicklung abzulehnen. Das Risiko eines Starkregenereignisses, bei dem das Wasser nicht abgeleitet werden könne, sei zu hoch, um Lösungen aufzuschieben. Dass im Stadtgebiet Korschenbroich Probleme mit dem wieder ansteigenden Grundwasserspiegel bestünden, sei hinlänglich bekannt.

 

Beiratsmitglied Bolz erneuerte seine Bedenken. Man kenne die Ergebnisse der Berechnungen nicht. Die Daten in ELWAS (Anmerkung: Elektronisches wasserwirtschaftliches Verbundsystem für die Wasserwirtschaftsverwaltung in NRW) seien für ihn eindeutig; danach sinke der Grundwasserspiegel. Die Gräben seien vollkommen trocken. Die Maßnahme sei für ihn nicht nachvollziehbar. Er werde der Vorlage nicht zustimmen.

 

Auf Nachfrage von Beiratsmitglied Wittmer erläuterte Schriftführer Schmitz, dass im Rahmen der Maßnahmen auch Flächen mit im Landschaftsplan festgesetztem Umwandlungsverbot für Grünland in geringem Umfang in Anspruch genommen werden müssten. Durch die Kompensationsmaßnahmen werde aber auch wieder Grünland angelegt. Dies könne von Fläche und Inhalt her in der Landschaftspflegerischen Begleitplanung nachvollzogen werden. Diese sei im Informationsportal des Rhein-Kreises Neuss hinterlegt.

 

Anmerkung: Nach Auffassung der Verwaltung sind diese Fragen einschließlich der Einschätzung des für den Trietbach unterhaltungspflichtigen Niersverbandes im Erläuterungsbericht, in der Landschaftspflegerischen Begleitplanung sowie in der Artenschutzprüfung (Bürgerinfoportal Rhein-Kreis Neuss) unter

https://session.rhein-kreis-neuss.de/bi/si0057.asp?__ksinr=3661

hinreichend beantwortet.

 

Beiratsvorsitzender Grimbach bezeichnete den Antrag als aus seiner Sicht unglücklich formuliert und teilweise nicht transparent. Man müsse jedoch akzeptieren, dass Maßnahmen ergriffen würden, um prophylaktisch Starkregenereignisse abpuffern zu können. Geschehnisse wie an der Ahr seien mehr als der worst-case, dies wolle niemand. Wenn man gewässerbautechnisch mehr Durchblick hätte, könne man dies nachvollziehen.

Natürlich störe ihn als Naturschützer auch, dass man Bruchgebiete als Methan- und CO2-Senke schützen und erhalten müsse und dort keine Entwässerungsgräben anlegen solle. Die jetzt beantragte Maßnahme habe seines Erachtens jedoch lediglich prophylaktischen Charakter für den Fall des worst-case.

 

Amtsleiterin Willner ergänzte, dass es in Korschenbroich auch andere Gräben gebe, die überlastet seien. Man stehe in der Situation, dass diese im Fall abzuleitenden Niederschlagswassers nicht mehr weiter ausgenutzt werden könnten. Mit der Entlastung dieser Gräben und der Reaktivierung der hier in Rede stehenden Gräben schaffe man eine Starkregenvorsorge, eine Vorsorge für Grundwasserspitzen und eine Entlastung der anderen Gräben. Etwaige noch offene Fragen aus wasserrechtlicher Sicht würden im wasserrechtlichen Verfahren behandelt.

 

Auf Nachfrage von Beiratsmitglied Wittmer erläuterte Schriftführer Schmitz, dass der Graben um einige Meter an den Rand der Gewässerparzelle verlegt werde, um eben nicht in ökologisch wertvolle Bestände eingreifen zu müssen.

Die Stadt Korschenbroich habe in den Plänen aus Gründen der Schlüssigkeit die Gesamtplanung dargestellt, derzeit stehe aber nur ein Graben zur Entscheidung an. Etwa beantragte weitere Maßnahmen, die einer naturschutzrechtlichen Befreiung bedürften, würden zu gegebener Zeit dem Beirat im Verfahren vorgelegt, es sei denn, es handele sich um eine nicht befreiungspflichtige Gewässerunterhaltung.

 

Beiratsvorsitzender Grimbach sah hier die unterschiedlichen Einstellungen in den Bereichen Naturschutz und Wasserwirtschaft. Er gehe allerdings davon aus, dass die Planer dies insgesamt berücksichtigt hätten. Man könne das angestrebte Ziel, dass im Notfall das Wasser abgeführt werden könne, nur teilen. Hiergegen sei nichts einzuwenden.

 

Beiratsmitglied Heinrichs nahm Bezug auf die Angaben der Landschaftspflegerischen Begleitplanung zur erforderlichen Beseitigung von Gehölzen und deren Ersatz. Er regte mit Blick auf den Klimawandel an, die schattenspendende Funktion der Ersatzpflanzungen zu berücksichtigen.

 

Beiratsmitglied Kallen regte an, beim Aufhängen von Ersatznisthöhlen nicht nur die Fledermäuse zu berücksichtigen, sondern auch die höhlenbrütenden Vogelarten.

 

Umweltdezernent Küpper bat um Zustimmung zum Beschlussvorschlag nach der Vorlage. Es handele sich hier um eine Präventionsmaßnahme. Klimawandel bewirke nicht nur sinkende Grundwasserstände, sondern auch und insbesondere Extremwetterereignisse. In vielen Fällen von katastrophalen Auswirkungen habe man sich anderenorts den Vorwurf machen müssen, nicht rechtzeitig vorgesorgt zu haben.

 

Beiratsmitglied Esser wies darauf hin, dass er aus Korschenbroich komme und Mitglied im Betriebsausschuss und Umweltausschuss der Stadt sei. Die hier angesprochenen Punkte seien dort intensiv über alle Fraktionen hinweg diskutiert worden und er meine sich zu erinnern, dass die Beschlüsse zur Umsetzung einstimmig gefasst worden seien. Der in Rede stehende Graben sei nur Teil eines ganzen Maßnahmenpakets zur Reaktion auf Starkregenereignisse. Die heutigen Kanäle seien nicht in der Lage, das Wasser abzuführen. Man habe in den letzten Jahren in Korschenbroich überflutete Straßen und Keller gehabt. Man sei gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, die zudem viel Geld kosteten. Die Reaktivierung dieses Grabens sei der erste Schritt. Die Kanäle seien voll. In Glehn zum Beispiel werde ein sehr großer Entlastungskanal gebaut. Man könne nicht die Augen verschließen und nichts tun.

 

Beiratsvorsitzender Grimbach schlug vor, der Verwaltungsvorlage zu folgen und der Maßnahme zuzustimmen. Er sehe die Konflikte, bitte aber um Vertrauen in die Planer zum Gewässerbau, die sich ersichtlich bereits in vielerlei Hinsicht Gedanken gemacht hätten. Gleichwohl müsse man alles tun, um die Bruchgebiete wieder zu vernässen.

Man müsse sich den Realitäten stellen, dass es unter bestimmten Witterungsbedingungen sehr schnell zu extremen Niederschlägen kommen könne.

 

Er bat darauf hin um Abstimmung über den Verwaltungsvorschlag.


Abstimmungsergebnis:

8 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen