Protokoll:

Herr Einig, Geschäftsführer der Firma AHE, stellt die Vergärungsanlage der AHE in Witten vor. Gesellschafter seien zu je 50 % die Entsorgungsfirma Remondis und der regionale Energieversorger AVU des Ennepe-Ruhr-Kreises. Der Ennepe-Ruhr-Kreis bestehe aus 9 Städten und habe insgesamt 320.000 Einwohner. Herr Einig betont, dass die Vergärung die höchste Form der Verwertung von Bioabfall sei. Die Vergärungsanlage in Witten werde seit 2011 betrieben und erzeuge ganzjährig Ökostrom für etwa 3.000 Haushalte. Herr Einig informiert über die unterschiedlichen Verfahren bei der Vergärung und der Kompostierung. In Witten erfolge die Vergärung in einem 35 m langen und 9 m hohen Fermenter. Das nicht weiter behandelte, also ungereinigte Gas mit einem Methangasgehalt von 56 % werde dann in zwei Blockheizkraftwerken energetisch genutzt. Die organischen Reste werden nach der Vergärung kompostiert und stofflich verwertet, genauso wie der Kompost aus der Anlage des Rhein-Kreises Neuss in Korschenbroich. Dies geschehe ebenfalls vorrangig in der Landwirtschaft mit dem Ziel der Humusanreicherung in den Böden. Herr Einig berichtet über weitere Basisdaten wie Eingangsmengen und Verfahrensschritte.

Herr Einig erklärt, dass der Begriff „Stromtonne“ aus dem Marketingbereich entstamme. Selbstverständlich kann auch im Ruhr-Ennepe-Kreis kein Strom direkt in einer Tonne erzeugt werden. Ziel dieser strategisch angelegten Wortschöpfung ist die Unterstützung der Abfallberatung bei deren Bemühungen, verstärkt sortenreine Wertstoffe zu erfassen, insbesondere über die Biotonne. Alleine die Information der Abfallberatung, dass durch Vergärung einer einzigen Bananenschale für eine Zeitdauer von insgesamt 34 Minuten elektrisches Licht erzeugt werden könne, habe zu einem größeren öffentlichen Interesse im Sinne der Bioabfallverwertung geführt.

Herr von Canstein fragt, wie sich die Kosten für die Bürger durch die Umstellung von alleiniger Kompostierung auf die zusätzliche Vergärung verändert haben. Herr Einig antwortet, dass vor 11 Jahren durch Vorschaltung der Vergärung Zusatzkosten von 1 € pro Einwohner entstanden seien. Frau Hugo-Wissemann fragt, ab welcher Minimummenge eine Vergärung wirtschaftlich betrieben werden könne. Herr Einig weist darauf hin, dass in der Wittener Vergärungsanlage zurzeit 22.000 t Bioabfall gemeinsam mit Grünschnitt pro Jahr vergoren werden. Er schließe daher aus, dass die jährlichen Mengen an Bioabfall und Grünabfällen im Rhein- Kreis Neuss in der Größenordnung von insgesamt ca. 40.000 t pro Jahr zu niedrig seien. Herr Woitzik erkundigt sich ebenfalls zur Wirtschaftlichkeit. Er fragt, wie hoch der zu erzielende Preis in Euro pro kWh sei. Herr Einig betont, dass eine einfache Kompostierung zurzeit wahrscheinlich etwas kostengünstiger sei. Ganzheitlich betrachtet sei die Fokussierung rein auf den Erlös allerdings zu einseitig. Die Höherwertigkeit einer Vergärung komme so nicht zum Tragen. Er ergänzt, dass zudem niemand die Entwicklung des Strompreises kenne. Herr Einig empfiehlt, die ganze Thematik im Vorfeld gemeinsam mit Experten durchzuplanen, so wie es der Ruhr-Ennepe-Kreis vor 11 Jahren auch gemacht habe. Die Vergärungsanlage habe damals 12 Millionen € gekostet, sei heute immer noch Stand der Technik.

Vorsitzender Herr Markert bringt das Thema Quersubventionierung in die Diskussion. So verweisen z. B. Betreiber einer vielleicht 1 Milliarde teuren Müllverbrennungsanlage darauf, dass durch die von ihnen erzeugte Fernwärme Schulen und Schwimmbäder beheizt und damit kostengünstig betrieben werden. Eine wesentlich günstiger zu finanzierende Vergärungsanlage lebe aber ebenfalls von einer Quersubventionierung, eine energetische Quersubventionierung durch Erzeugung und Verkauf von Strom.

Herr Wappenschmidt fragt, ob es im Ruhr-Ennepe-Kreis einen Anschluss-und Benutzungszwang für die Biotonne gebe und erkundigt sich zum Anteil der Fehlwürfe. Er möchte auch wissen, ob bei jeder bereits vorhandenen Kompostierungsanlage das nachträgliche Vorschalten einer Vergärungsstufe sinnvoll bzw. überhaupt machbar sei. Herr Einig verweist bezüglich der technischen Fragen auf den nachfolgenden Vortrag des Anlagenbetreibers RETERRA. Ja, es gebe einen Anschluss-und Benutzungszwang im Ruhr-Ennepe-Kreis und ja, es gebe größere Probleme mit den Fehlwürfen. Grundsätzlich schwierig sei es auch immer dann, wenn Sammlung und Weiterverarbeitung in verschiedenen Händen lägen. Eine präventive Abfallberatung sei auch immer wesentlich.

Frau Junker, Geschäftsführung RETERRA Rheinland, stellt die RETERRA Service GmbH vor, die bereits vor einiger Zeit aus strategischen Gründen aus dem Entsorgungskonzern Remondis ausgelagert worden sei. RETERRA betreibe u. a. die Kompostierungsanlage des Rhein-Kreises Neuss in Korschenbroich, insgesamt seien es aber inzwischen mehr als 70 Kompostierungs- und Vergärungsanlagen in ganz Deutschland. Die Geschäftsbereiche umfassen die Verwertung organischer Reststoffe, die Aufbereitung dieser Stoffe und die Vermarktung der erzeugten Düngerstoffe und auch der in den Vergärungsanlagen erzeugten Energie. Frau Junker informiert über die neueste Vergärungsanlage von RETERRA, im nahen Erftstadt gebaut. Dort werde das Pfropfenstromverfahren angewendet, das gleiche System wie in Witten. Sie stellt weitere Anlagen vor und informiert anschließend über die derzeitige Arbeitsweise der Kompostierungsanlage in Korschenbroich.

Frau Junker erklärt, wie in der Kompostierungsanlage in Korschenbroich zukünftig einerseits Strom und andererseits Biomethan erzeugt werden könne. Sie referiert über technische Grundlagen und zeigt auf, wie die Bestandsanlage in Korschenbroich mit einer zusätzlichen Vergärungsstufe gekoppelt werden könne. Frau Junker informiert über einen Vorschlag der RETERRA, wo und wie Fermenter, Biogasspeicher, Einspeiseanlage, Kompostierungstunnel und – mieten in die vorhandene Kompostanlage integriert werden können. Die Skizze könne eine Detailplanung aber nicht ersetzen. Abschließend erfolgt eine Abschätzung über die erzeugbaren Mengen an Biomethan bzw. Strom.

Frau Junker betont, dass in der Korschenbroicher Anlage pro Jahr mehr als 5.000 MWh Strom erzeugt werden könne, der Strombedarf von über 1.000 Mehrpersonenhaushalten. Allerdings werde in einem Blockheizkraftwerk auch viel Wärme erzeugt, nutzbar z. B. als Fernwärme. Ob dies wg. der etwas abseits liegenden Korschenbroicher Anlage so realisiert werden könne, müsse noch geklärt werden. Werde Biomethangas hergestellt und in ein Gasnetz eingespeist, können über 850 Haushalte komplett mit Gas versorgt werden. Die Menge an erzeugter Wärme sei bei der Gasproduktion zudem wesentlich geringer.

Herr Küpper wünscht Informationen zu Einspeise- und Eigenverbrauchsmengen aus der neuen Vergärungsanlage in Erftstadt. Herr Oechtering, Geschäftsführer der RETERRA, betont, dass die Vergärungsanlage in Erftstadt über 5 Millionen KWh, umgerechnet 5.000 MWh Strom pro Jahr erzeuge. Der Eigenbedarf dieser Anlage liege bei etwa 1,5 Millionen KWh, das heißt, dass 3,5 Millionen KWh ins Netz eingespeist werden. Wärmeerzeugung und Wärmeverbrauch liegen in etwa in der gleichen Größenordnung. Herr Fischer fragt zur angedeuteten CO2- Verflüssigung. Herr Oechtering informiert, dass bei einem Prototyp in den Niederlanden das CO2 vom Biomethan abgetrennt und auf minus 160 Grad heruntergekühlt werde, damit das Co2 dann in flüssiger Form transportiert werden könne. Eingesetzt wird dieses CO2 z. B. als Düngemittel in Treibhäusern und als technisches Gas. Für die CO2-Bilanzierung ist das Verfahren mit Abtrennung des großen nicht brennbaren CO2- Anteils vom brennbaren Biomethan natürlich besser als die Verbrennung des kompletten, also unbehandelten Gases. Herr Oechtering verweist darauf, dass die Korschenbroicher Anlage den Nachteil habe, dass dort kein potentieller Abnehmer für die erzeugte Wärme vorhanden sei. Daher käme hier eigentlich nur die Gaseinspeisung in Frage.


Herr von Canstein
informiert, dass EON erst kürzlich in Bayern eine Anlage mit CO2-Abspaltung gebaut habe und das CO2 dort gut vermarktet werde. Er gehe davon aus, dass das in der Korschenbroicher Anlage erzeugte und abgetrennte CO2 ebenfalls viele potentielle Abnehmer haben werde. Herr von Canstein rechnet vor, dass in Korschenbroich jährlich ca. 11 Gigawattstunden, also 11.000 MWh aus dem Biomethangas erzeugt werden könne. Dieses reiche aus, sämtliche Gebäude der Kreisverwaltung und zusätzlich deren Fahrzeugflotte energetisch zu versorgen. Er fragt, ob in der Nähe der Kompostierungsanlage eine Erdgasleitung liege. Herr von Canstein erkundigt sich ebenfalls, was sich für die Bürger im Rhein-Kreis Neuss monetär ändern würde, bei Installation einer Vergärungsanlage. Frau Hugo-Wissemann lobt das fundierte Konzept von RETERRA für die Zukunft der Kompostierungsanlage in Korschenbroich und fragt, ob ggfs. die Wärme nicht in Kooperation mit der Landwirtschaft in Gewächshäusern genutzt werden könne. Herr Oechtering betont, dass unter heutigen Bedingungen der Betrieb einer Vergärungsanlage wirtschaftlich interessant sei. Entscheidend für die zukünftigen Entwicklungen seien aber Faktoren wie die Investitionshöhe, Abschreibungszeiten, gesetzliche Vorgaben, insbesondere durch das Erneuerbare Energiegesetz EEG und vor allem aber die nicht absehbare Entwicklung der Energiepreise. Herr Oechtering führt aus, dass die vorgestellte Konzeption erst einmal ein Vorschlag von RETARRA sei, auf Wunsch der Kreisverwaltung erarbeitet. Der Kreis sei Eigentümer und entscheide somit über die weiteren Planungen und über die verschiedenen Modelle einer eventuellen Zusammenarbeit. Zur möglichen Beheizung eines Gewächshauses weist er auf Probleme hin. Vor allem könne der Wärmebedarf nicht ganzjährig konstant in einer ausreichenden Menge geliefert werden, vor allem in den kalten Monaten, wenn die Anlieferungsmengen sinken. Herr Oechtering plädiert für eine Gaserzeugung samt Aufbereitung und Einspeisung in das Gasnetz. Herr Römer erkundigt sich zum Störstoffanteil in den angelieferten Bioabfällen in Korschenbroich. Frau Junker betont, dass hier der Störstoffanteil nicht auffällig sei. Störstoffe müssen natürlich immer aufwendig aussortiert werden, um einen marktfähigen Kompost zu erzeugen. Aber der heutige Anteil an Störstoffen würde weder die Prozesse bei der Kompostierung noch bei der Vergärung stören.

Vorsitzender Herr Markert betont, dass zum Thema sicherlich noch weitere Beratungen erfolgen werden und verweist darauf, dass es noch ein weiteres Verwertungsverfahren für Bioabfall gebe, das sog. hydrothermale Karbonisierungsverfahren. Er habe dem Umweltdezernenten Herrn Küpper vorgeschlagen, zu diesem Thema in einer der nächsten Sitzungen ebenfalls einen Referenten einzuladen.