Sitzung: 24.08.2023 Gesundheitsausschuss
Vorlage: 53/3106/XVII/2023
Protokoll:
Herr Dr. Pukies, seit zehn Jahren
niedergelassener Hausarzt im Rhein-Kreis Neuss, hielt einen Vortrag zur
ärztlichen Versorgung im Rhein-Kreis Neuss.
Dr. Pukies wies darauf hin, dass die
Situation verbesserungsbedürftig sei und, wenn man sich die derzeitige
Entwicklung der ärztlichen Versorgung anschaue, für die Zukunft
besorgniserregend aussehe. Wenn eine ausreichende Versorgung sichergestellt
werden soll, dann müsse hier entschlossen gehandelt werden. Einige der
Probleme, die der ausreichenden Versorgung im Weg stünden seien, unter anderem
schlechte Rahmenbedingungen, gestiegener Bürokratie-Aufwand, stagnierende bzw.
reduzierte durchschnittliche Arztzeiten, weniger Ärzte, die sich niederlassen
wollen, und, wie auch in anderen Bereichen, ein drohender
Fachkräftemangel.
Herr Dr. Pukies hat Verbesserungsvorschläge
und einen Konzeptentwurf zur Entwicklung einer „Modellregion moderne
menschliche Medizin Rhein-Kreis Neuss“ vorgestellt.
Die Präsentation zum Vortrag ist der
Niederschrift angehangen.
Nach dem Vortrag entstand eine Diskussion
zwischen Herrn Dr. Pukies und den Ausschussmitgliedern:
Herr Dezernent Küpper:
Zunächst wurde sich für den gut zusammengefassten
Vortrag bedankt, der es ermöglichte einen Einblick in das komplexe System der
ärztlichen Versorgung zu erhalten, die vorherrschenden Probleme aufzuzeigen,
aber auch problemlösende Ansätze vorzuschlagen. Zu Beginn dieser Thematik im
Gesundheitsausschuss gab es den Antrag der CDU-Fraktion, FDP, und der
UWG-Zentrum, einen Runden Tisch einzurichten. Hier wäre nach den Vorträgen nun
die Frage, ob ein Runder Tisch zielführend sein kann?
Herr Dr. Pukies:
Ein Runder Tisch wäre wahrscheinlich zu
wenig. Hier müsse eine Verknüpfung nicht nur von politischen Akteuren
stattfinden, sondern darüber hinaus auch eine praxis- und ziel- bzw.
lösungsorientierte Verknüpfung und Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure im
Gesundheitswesen. Sei es in der Form von der vorgeschlagenen Modellregion oder
auch durch die Einrichtung von Stabsstellen, welche die ärztliche Versorgung
betreuen und die (jungen) Ärzte bei Problemen aktiv unterstützen.
Herr Prof. Dr. Welsink:
Man sei sich der Problematik und
Verantwortung bewusst, aber man werde auch durch gewisse Strukturen
ausgebremst. Es müsse mehr geschehen und sowohl Management als auch
vorherrschende Prozesse müssten effizienter gestaltet werden und das auch über
die Frage der Zuständigkeit hinaus. Hier dürfe nicht die Verantwortung
abgegeben werden, sondern müsse selbst angepackt und aktiv Lösungen erarbeitet
werden, um die ärztliche Versorgung dauerhaft sicherzustellen. Es müsse zudem
betont werden, dass die medizinische Versorgung (wie auch die
Bildungsversorgung) für eine Region absolute Wettbewerbsfrage sei. Mit dem
Gesundheitsausschuss sei man im Rhein-Kreis Neuss schon gut aufgestellt, jetzt
müsse man aber weiter Leben reinbringen und die zu lösenden Probleme gemeinsam
aktiv angehen.
Herr Junggeburth:
Wie schätzen Sie das von der AOK und Barmer
vorgestellte Modellvorhaben nach § 64d SGB V ein, welches die Übertragung
ärztlicher Tätigkeiten an Pflegefachpersonen regelt?
Herr Dr. Pukies:
Dies schätze er als richtig und auf lange
Sicht sogar notwendig ein. Geschulte und erfahrene medizinische Fachangestellte,
welche sich der Grenzen ihrer Fähigkeiten und Befugnisse bewusst sind, sollten
gewisse Tätigkeiten der Ärzte übernehmen können. Zudem könnte das Fachpersonal
unterstützendes Patienteninformationsmaterial zu verschiedenen
Krankheitsbildern und Behandlungs-Modellen vorbereiten.
Frau Shahbaz:
Der Vorschlag des Kompendiums
(Patienteninformationsmaterial), sowie die Übertragung gewisser ärztlicher
Tätigkeiten an Fachpersonal scheint in der Tat notwendig und machbar. Wie
schätzen Sie aber die Lage unter den Ärzten ein? Sind alle Ärzte in der
Hinsicht so durchlässig wie sie? Würden sie es zulassen, dass ihre Mitarbeiter
quasi einen ähnlichen medizinischen Status annehmen würden wie die Ärzte
selbst?
Herr Dr. Pukies:
Die jüngeren Ärzte bzw. Studierenden seien
sich der Lage bewusst und hätten sich mit der praktischen Notwendigkeit dessen
abgefunden. Die anderen, welche dies als falsch ansehen, würden sich im Laufe
der Zeit mit der entsprechenden neuen Wirklichkeit anfreunden müssen.
Spätestens jedoch, wenn die Gegner dieses Vorhabens aus dem Berufsleben
ausscheiden, würde sich diese neue Vorgehensweise der Notwendigkeit halber
durchsetzen. Allerdings müsse man beachten, dass das Fachpersonal, welches neue
Tätigkeiten übernähme, für die eigentlich aufgetragenen Aufgaben weniger Zeit
hätte und somit mehr Fachpersonal benötigt werden würde. Ansonsten würde sich
die Lücke nur von den Ärzten auf das Fachpersonal verschieben.
Frau Shahbaz stimmte Herrn Dr. Pukies zu und
würde zudem ein Modell befürworten, in dem Fachpersonal, welches die
entsprechenden Vorbedingungen mitbringt, die Möglichkeit gegeben werden würde,
sich zu qualifizieren und mehr Aufgaben zu übernehmen.
Herr Dr. Pukies:
Dies wäre eine wünschenswerte Entwicklung
und auch etwas, dass man in der vorgeschlagenen Modellregion versuchen sollte
umzusetzen. So könne man zum Beispiel entsprechende Schulungen hierzu
entwickeln und im Rhein-Kreis Neuss anbieten und die Region somit attraktiver
machen. Aber hierfür müsse man natürlich die entsprechenden Strukturen
schaffen.
Herr Ackburally:
In dem Vortrag wurde schön beschrieben, wie
man junge Ärztinnen und Ärzte direkt nach dem Studium für ein Engagement im
regionalen Bereich gewinnen kann, wenn man es schafft, die beruflichen Chancen
zusammenzubringen mit den passenden Lebens- und Wohnchancen vor Ort.
Insbesondere im ländlichen Raum sei dies nochmal als existentielleres Problem
zu sehen, da hier teilweise auch ein Mangel an Praxen bestehe. Welche
Möglichkeit und Chancen sehen Sie, bzw. was wäre aus Ihrer Sicht erforderlich,
um gerade in den ländlicheren Gebieten in der Fläche eine ausreichende
Versorgung sicherstellen zu können und junge Menschen für ein Engagement auf
dem Land gewinnen zu können?
Herr Dr. Pukies:
Leider gibt es hier keine Patentlösung für.
Aber um ein positives Beispiel zu nennen, so gab es im Rhein-Kreis Neuss früher
sieben Bezirke, sieben verschiedene Notdienste/Nachtdienste. Diese konnten mittlerweile
zusammengeführt werden und somit die Auslastung der Ärzte hierdurch verringert
werden. In Japan, einem Land welches noch größere demographische Probleme
aufweise, gebe es zudem noch weitere Vorgehensweisen, die uns zumindest als
Gedankenanstoß dienen könnten. Hier werden z.B. die älteren Bürger am Morgen zu
Gesundheitszentren/Tageskliniken gefahren. Somit würde die verfügbare Arztzeit
maximiert werden, da die Ärzte keine zusätzliche Fahrtzeit hätten.
Frau Wienands:
Wäre also eventuell mehr Zentrierung eine
Lösung, die man überdenken könnte? Und stellt darüber hinaus eine geringere
Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen vielleicht auch ein Problem in den
nachwachsenden Generationen dar? Das könnte man dann vielleicht durch
Zusammenschlüsse ein wenig auffangen. Wäre dies vielleicht ein Lösungsansatz?
Herr Dr. Pukies:
Der Hausärzteverband habe vor ein paar Tagen
ein Genossenschaftsmodell vorgestellt, mit dem diese Problematiken gelöst
werden sollen. Hierbei soll die Genossenschaft vom Hausärzteverband genau
dorthin gehen, wo kein anderer mehr hinmöchte. Die Genossenschaft versuche dann
die angehenden Ärzte mit erfahrenen Ärzten nicht-kommerziell zu unterstützen.
Ob das auch genauso klappt, wie vorgestellt, müsse sich natürlich noch zeigen.
Nachfrage: Würde eine Stabsstelle sowas
unterstützen können, oder wäre das kontraproduktiv?
Herr Dr. Pukies:
Eine Stabsstelle mit zumindest Personal für
Networking und Social Media Repräsentation scheint sinnvoll, um die jungen
Ärzte zu unterstützen und nicht nur negative, sondern auch die positiven
Aspekte des Berufs medial aufzuarbeiten.
Nachdem es keine weiteren Nachfragen gab,
wurde Herrn Dezernent Küpper von Frau Brand das Wort erteilt:
Es scheint, dass sich alle einig seien, dass
es nötig ist, hier weiter zu wirken, um die ärztliche Versorgung für den
Rhein-Kreis Neuss für die Zukunft sicherzustellen. Die Frage sei nun, wie man
konkret weiter vorgehen könne. Es wurde vorgeschlagen, den Antrag auf die
Kreierung der Runden Tische zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung für
Hausärzte und Kinderärzte in einem fortlaufenden Engagement des Ausschusses
aufgehen zu lassen und die einzelnen Themen bzw. Probleme nacheinander
anzugehen. Da der Antrag von der CDU-Fraktion gestellt wurde, stellte Herr
Küpper die Frage an die CDU-Fraktion, ob es in Ordnung ist, den Antrag somit
für das Beschlusscontrolling als abgeschlossen anzusehen und nun im Rahmen des
fortlaufenden Engagements neu zu starten.
Herr Ladeck antwortete: Als antragstellende
Fraktion könne man sich dem Vorschlag anschließen und befürworte die
weitergehende Behandlung der Thematik als fortlaufendes Engagement.