Protokoll:

 

Herr Dr. Pukies, seit zehn Jahren niedergelassener Hausarzt im Rhein-Kreis Neuss, hielt einen Vortrag zur ärztlichen Versorgung im Rhein-Kreis Neuss.

 

Dr. Pukies wies darauf hin, dass die Situation verbesserungsbedürftig sei und, wenn man sich die derzeitige Entwicklung der ärztlichen Versorgung anschaue, für die Zukunft besorgniserregend aussehe. Wenn eine ausreichende Versorgung sichergestellt werden soll, dann müsse hier entschlossen gehandelt werden. Einige der Probleme, die der ausreichenden Versorgung im Weg stünden seien, unter anderem schlechte Rahmenbedingungen, gestiegener Bürokratie-Aufwand, stagnierende bzw. reduzierte durchschnittliche Arztzeiten, weniger Ärzte, die sich niederlassen wollen, und, wie auch in anderen Bereichen, ein drohender Fachkräftemangel. 

 

Herr Dr. Pukies hat Verbesserungsvorschläge und einen Konzeptentwurf zur Entwicklung einer „Modellregion moderne menschliche Medizin Rhein-Kreis Neuss“ vorgestellt.

 

Die Präsentation zum Vortrag ist der Niederschrift angehangen.

 

Nach dem Vortrag entstand eine Diskussion zwischen Herrn Dr. Pukies und den Ausschussmitgliedern:

 

Herr Dezernent Küpper:

Zunächst wurde sich für den gut zusammengefassten Vortrag bedankt, der es ermöglichte einen Einblick in das komplexe System der ärztlichen Versorgung zu erhalten, die vorherrschenden Probleme aufzuzeigen, aber auch problemlösende Ansätze vorzuschlagen. Zu Beginn dieser Thematik im Gesundheitsausschuss gab es den Antrag der CDU-Fraktion, FDP, und der UWG-Zentrum, einen Runden Tisch einzurichten. Hier wäre nach den Vorträgen nun die Frage, ob ein Runder Tisch zielführend sein kann?

 

Herr Dr. Pukies:

Ein Runder Tisch wäre wahrscheinlich zu wenig. Hier müsse eine Verknüpfung nicht nur von politischen Akteuren stattfinden, sondern darüber hinaus auch eine praxis- und ziel- bzw. lösungsorientierte Verknüpfung und Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen. Sei es in der Form von der vorgeschlagenen Modellregion oder auch durch die Einrichtung von Stabsstellen, welche die ärztliche Versorgung betreuen und die (jungen) Ärzte bei Problemen aktiv unterstützen. 

 

Herr Prof. Dr. Welsink:

Man sei sich der Problematik und Verantwortung bewusst, aber man werde auch durch gewisse Strukturen ausgebremst. Es müsse mehr geschehen und sowohl Management als auch vorherrschende Prozesse müssten effizienter gestaltet werden und das auch über die Frage der Zuständigkeit hinaus. Hier dürfe nicht die Verantwortung abgegeben werden, sondern müsse selbst angepackt und aktiv Lösungen erarbeitet werden, um die ärztliche Versorgung dauerhaft sicherzustellen. Es müsse zudem betont werden, dass die medizinische Versorgung (wie auch die Bildungsversorgung) für eine Region absolute Wettbewerbsfrage sei. Mit dem Gesundheitsausschuss sei man im Rhein-Kreis Neuss schon gut aufgestellt, jetzt müsse man aber weiter Leben reinbringen und die zu lösenden Probleme gemeinsam aktiv angehen.

 

Herr Junggeburth:

Wie schätzen Sie das von der AOK und Barmer vorgestellte Modellvorhaben nach § 64d SGB V ein, welches die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Pflegefachpersonen regelt?

 

Herr Dr. Pukies:

Dies schätze er als richtig und auf lange Sicht sogar notwendig ein. Geschulte und erfahrene medizinische Fachangestellte, welche sich der Grenzen ihrer Fähigkeiten und Befugnisse bewusst sind, sollten gewisse Tätigkeiten der Ärzte übernehmen können. Zudem könnte das Fachpersonal unterstützendes Patienteninformationsmaterial zu verschiedenen Krankheitsbildern und Behandlungs-Modellen vorbereiten.

 

Frau Shahbaz:

Der Vorschlag des Kompendiums (Patienteninformationsmaterial), sowie die Übertragung gewisser ärztlicher Tätigkeiten an Fachpersonal scheint in der Tat notwendig und machbar. Wie schätzen Sie aber die Lage unter den Ärzten ein? Sind alle Ärzte in der Hinsicht so durchlässig wie sie? Würden sie es zulassen, dass ihre Mitarbeiter quasi einen ähnlichen medizinischen Status annehmen würden wie die Ärzte selbst?

 

Herr Dr. Pukies:

Die jüngeren Ärzte bzw. Studierenden seien sich der Lage bewusst und hätten sich mit der praktischen Notwendigkeit dessen abgefunden. Die anderen, welche dies als falsch ansehen, würden sich im Laufe der Zeit mit der entsprechenden neuen Wirklichkeit anfreunden müssen. Spätestens jedoch, wenn die Gegner dieses Vorhabens aus dem Berufsleben ausscheiden, würde sich diese neue Vorgehensweise der Notwendigkeit halber durchsetzen. Allerdings müsse man beachten, dass das Fachpersonal, welches neue Tätigkeiten übernähme, für die eigentlich aufgetragenen Aufgaben weniger Zeit hätte und somit mehr Fachpersonal benötigt werden würde. Ansonsten würde sich die Lücke nur von den Ärzten auf das Fachpersonal verschieben.

 

Frau Shahbaz stimmte Herrn Dr. Pukies zu und würde zudem ein Modell befürworten, in dem Fachpersonal, welches die entsprechenden Vorbedingungen mitbringt, die Möglichkeit gegeben werden würde, sich zu qualifizieren und mehr Aufgaben zu übernehmen.

 

Herr Dr. Pukies:

Dies wäre eine wünschenswerte Entwicklung und auch etwas, dass man in der vorgeschlagenen Modellregion versuchen sollte umzusetzen. So könne man zum Beispiel entsprechende Schulungen hierzu entwickeln und im Rhein-Kreis Neuss anbieten und die Region somit attraktiver machen. Aber hierfür müsse man natürlich die entsprechenden Strukturen schaffen.

 

Herr Ackburally:

In dem Vortrag wurde schön beschrieben, wie man junge Ärztinnen und Ärzte direkt nach dem Studium für ein Engagement im regionalen Bereich gewinnen kann, wenn man es schafft, die beruflichen Chancen zusammenzubringen mit den passenden Lebens- und Wohnchancen vor Ort. Insbesondere im ländlichen Raum sei dies nochmal als existentielleres Problem zu sehen, da hier teilweise auch ein Mangel an Praxen bestehe. Welche Möglichkeit und Chancen sehen Sie, bzw. was wäre aus Ihrer Sicht erforderlich, um gerade in den ländlicheren Gebieten in der Fläche eine ausreichende Versorgung sicherstellen zu können und junge Menschen für ein Engagement auf dem Land gewinnen zu können?  

 

Herr Dr. Pukies:

Leider gibt es hier keine Patentlösung für. Aber um ein positives Beispiel zu nennen, so gab es im Rhein-Kreis Neuss früher sieben Bezirke, sieben verschiedene Notdienste/Nachtdienste. Diese konnten mittlerweile zusammengeführt werden und somit die Auslastung der Ärzte hierdurch verringert werden. In Japan, einem Land welches noch größere demographische Probleme aufweise, gebe es zudem noch weitere Vorgehensweisen, die uns zumindest als Gedankenanstoß dienen könnten. Hier werden z.B. die älteren Bürger am Morgen zu Gesundheitszentren/Tageskliniken gefahren. Somit würde die verfügbare Arztzeit maximiert werden, da die Ärzte keine zusätzliche Fahrtzeit hätten.

 

Frau Wienands:

Wäre also eventuell mehr Zentrierung eine Lösung, die man überdenken könnte? Und stellt darüber hinaus eine geringere Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen vielleicht auch ein Problem in den nachwachsenden Generationen dar? Das könnte man dann vielleicht durch Zusammenschlüsse ein wenig auffangen. Wäre dies vielleicht ein Lösungsansatz?

Herr Dr. Pukies:

Der Hausärzteverband habe vor ein paar Tagen ein Genossenschaftsmodell vorgestellt, mit dem diese Problematiken gelöst werden sollen. Hierbei soll die Genossenschaft vom Hausärzteverband genau dorthin gehen, wo kein anderer mehr hinmöchte. Die Genossenschaft versuche dann die angehenden Ärzte mit erfahrenen Ärzten nicht-kommerziell zu unterstützen. Ob das auch genauso klappt, wie vorgestellt, müsse sich natürlich noch zeigen. 

 

Nachfrage: Würde eine Stabsstelle sowas unterstützen können, oder wäre das kontraproduktiv?

 

Herr Dr. Pukies:

Eine Stabsstelle mit zumindest Personal für Networking und Social Media Repräsentation scheint sinnvoll, um die jungen Ärzte zu unterstützen und nicht nur negative, sondern auch die positiven Aspekte des Berufs medial aufzuarbeiten.

 

Nachdem es keine weiteren Nachfragen gab, wurde Herrn Dezernent Küpper von Frau Brand das Wort erteilt:

 

Es scheint, dass sich alle einig seien, dass es nötig ist, hier weiter zu wirken, um die ärztliche Versorgung für den Rhein-Kreis Neuss für die Zukunft sicherzustellen. Die Frage sei nun, wie man konkret weiter vorgehen könne. Es wurde vorgeschlagen, den Antrag auf die Kreierung der Runden Tische zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung für Hausärzte und Kinderärzte in einem fortlaufenden Engagement des Ausschusses aufgehen zu lassen und die einzelnen Themen bzw. Probleme nacheinander anzugehen. Da der Antrag von der CDU-Fraktion gestellt wurde, stellte Herr Küpper die Frage an die CDU-Fraktion, ob es in Ordnung ist, den Antrag somit für das Beschlusscontrolling als abgeschlossen anzusehen und nun im Rahmen des fortlaufenden Engagements neu zu starten.

 

Herr Ladeck antwortete: Als antragstellende Fraktion könne man sich dem Vorschlag anschließen und befürworte die weitergehende Behandlung der Thematik als fortlaufendes Engagement.