Protokoll:

Herr Wegkamp vom beauftragten Gutachterbüro pbo Ingenieurgesellschaft mbH, Aachen, informiert zunächst über die Ausgangssituation in Sachen „Wertstoffsortier- und Abfallbehandlungsanlage, kurz WSAA“. Er erinnert, dass sein Büro nach Kreistagsbeschluss vom 14.06.2023 beauftragt worden sei, eine Vorplanung für zwei mögliche Varianten der zukünftigen abfallwirtschaftlichen Tätigkeit im Bereich der WSAA durchzuführen. Dabei handle es sich zum einen um einen Neubau mit Wertstoffsortierung und zum anderen um einen reinen Umschlag zur Müllverbrennungsanlage. Herr Wegkamp betont, dass mit dieser Vorplanung eine Grundlage für eine finale Entscheidung geschaffen worden sei.
Er verweist darauf, dass in der WSAA immer schon die Metalle aus dem Restmüll aussortiert worden seien. Dies werde bei der Variante „Neubau mit Wertstoffsortierung“ zukünftig auch so bleiben. Das neue Kernelement sei allerdings das zusätzliche Aussortieren der Kunststofffraktion. Herr Wegkamp zählt die Aufgaben der Vorplanung auf. So seien vor allem

 

  • die Varianten weiter ausgearbeitet worden,
  • Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und detaillierte Kostenschätzungen durchgeführt,
  • infrage kommende Fördermittel identifiziert,
  • Möglichkeiten der Kunststoffverwertung eruiert,
  • das Abfallartenspektrum analysiert und nicht zuletzt
  • das Tragwerk der Rottehalle geprüft worden.

 

 

Herr Wegkamp informiert, dass sich eine Fördermaßnahme aus der „Nationale Klimaschutzinitiative“ als passend herauskristallisiert habe. Aus diesem Fördertopf werden kommunale Projekte bei der Abfallentsorgung zur Energieeffizienz- und dem Ressourcenschutz gefördert. Er informiert über die Förderbedingungen und sieht gute Möglichkeiten, dass auch der Rhein-Kreis Neuss in den Genuss von Fördergeldern gelangen könne. Einen Nachteil bei der Variante „Neubau mit Wertstoffsortierung“ dürfe allerdings nicht verschwiegen werden. Betriebe, die an ihrem Standort durch Einsparmaßnahmen oder durch Umstellung auf erneuerbare Energien Treibhausgase (THG) auf direktem Wege einsparen, werden fördermäßig bevorzugt. Durch das reine Aussortieren der Kunststoffe am Standort WSAA sei dies nicht der Fall, weil THG durch das vorhergehende Aussortieren der Kunststoffe erst am Ort der Verbrennung eingespart werde. Herr Wegkamp berichtet über die kürzlich durchgeführte Abfallanalyse und stellt die ersten Zwischenergebnisse vor:

 

  • Der Anteil an Kunststoffen im Restabfall liege mit ca. 16 % deutlich über den bisherigen Annahmen,
  • großtechnisch sei ein Anteil von 14 % als Mischkunststofffraktion ermittelt worden,
  • nach Aussortieren der Verunreinigungen verbleiben 8,5 % sortierte Kunststoffe aus dem Restmüll.

 

Mengenmäßig an erste Stelle stehen im Rhein-Kreis Neuss jedoch die organischen Abfälle im Restabfall. Herr Wegkamp informiert über die unlängst durchgeführte Tragwerksüberprüfung. Da ein anderes Ingenieurunternehmen beauftragt worden sei, verfüge der Kreis nun über ein Zweitgutachten. Die Ausführungen des Erstgutachters seien in diesem Zweitgutachten bestätigt worden. Derzeit drohen keine Gefahren, weil die gravierendsten Mängel bereits behoben worden seien. Durch dieses neue Gutachten habe man nun wieder 2-3 Jahre Zeit gewonnen, danach seien aber sehr kostspielige Arbeiten am Dach, bei der Wandverkleidung und beim Korrosionsschutz des Tragwerks fällig.

Im Gegensatz zur Rottehalle weisen Biofilter- und Verladehalle insgesamt nur einen geringen Sanierungsbedarf auf. Die Biofilterhalle stünde daher für eine Umnutzung zur Verfügung. Hier böte sich die zukünftige Behandlung der Papier-, Pappe- und Kartonagenfraktion (PPK) an. Herr Wegkamp betont, dass durch Umbau der Biofilterhalle im Vergleich zu einem Neubau ca. 1,6 Mio. € eingespart werden können.

Zur Umschlaghalle verweist er auf neue, detailliertere Ergebnisse. Demnach steigen hier die Umbaukosten von 5 Mio. € auf 8,4 Mio. €. Und ob das jetzige Dach der Umschlaghalle überhaupt für eine Photovoltaikanlage geeignet sei, sei bis dato noch unklar. Ein kompletter Neubau dagegen würde 9,4 Mio. € kosten. Da ein Neubau besser an die betrieblichen Erfordernisse angepasst und langlebiger sei und in den Folgejahren weniger Reparatur- und Wartungskosten verursache, sei rein betriebswirtschaftlich betrachtet ein Neubau vorzuziehen. 

Herr Wegkamp informiert, dass auch die detailliertere Betrachtung der Kosten für die Variante „Neubau mit Wertstoffsortierung“ eine neue Kostenschätzung nach sich ziehe. Aktueller Stand: Ca. 20 Mio. € statt 23,6 Mio. €. Hauptursache dafür sei eine alternative Maschinenausstattung.

 

Bei den Behandlungskosten pro t Abfall gebe es allerdings zwei große Fragezeichen. Zum einen sei es zurzeit unmöglich vorauszusagen, ob in Zukunft für die aussortierten Kunststoffe ein Erlös erzielt werden könne oder ob wie aktuell eine Zuzahlung geleistet werden müsse. Zum anderen werden die Verbrennungskosten stetig steigen, insbesondere, weil ab 2024 pro t CO2 zunehmend spürbare Kosten entstehen werden. Herr Wegkamp informiert, dass 1 t Abfall bei der Verbrennung ca. 1 t CO2 erzeuge. Die Kosten beim CO2-Zertifikathandel in 2024 in Höhe von 40 € pro t CO2 werden jährlich weiter ansteigen und 2026 Kosten in Höhe von bis 65 € erzeugen. Das Verbrennen von Kunststoffen erzeuge 2,7 t CO2 pro t. Kunststoffe im Restmüll werden wg. der wesentlich höheren THG- Emissionen die Verbrennungskosten somit stark erhöhen. Die Betreiber von MVA sparen somit beim Kauf von CO2-Zertifikaten, wenn sie angeben, dass die angenommenen Restabfälle praktisch kunststofffrei seien. Bislang gebe es jedoch leider noch keine gesetzlichen Regelungen, dass diese Kostenersparnis weitergegeben werden müsse. Gebe es diese gesetzliche Vorgabe, würde der Verbrennungspreis in 2026 statt bei 136 € pro t bei lediglich 123 € liegen, alleine wg. der CO2 Abgabe. Diese Problematik stelle insbesondere für die Entwicklung der Abfallgebühren eine Kernfrage dar.

 

Herr Wegkamp fasst abschießend zusammen, dass die beiden Hauptfragen in Sachen „zukünftige Abfallgebühren“,

  • wie entwickelt sich der Kunststoffmarkt und
  • wie drastisch werden die Verbrennungspreise ansteigen,

 

aktuell nicht eindeutig beantwortet werden können.

 

 

Herr Lambertz von der Firma TOMRA betont, dass TOMRA weltweit agiere und über 5.000 Mitarbeiter beschäftige. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten liege im Recyclingbereich. So sei TOMRA spezialisiert auf Sortiertechniken und Wertstoffsortierung, stelle z. B.  Rücknahmeautomaten für Pfand-Leergut her. Ein neues Geschäftsfeld bilde das Kunststoffrecycling. Herr Lambertz führt aus, dass einerseits ca. 20 Mio. t Kunststoffe in Europa pro Jahr durch Verbrennung und Deponierung dem Recyclingmarkt entzogen werden, anderseits die Nachfrage nach recycelten Kunststoffen stetig ansteige. Eine Ursache: Immer mehr Markenhersteller haben zugesagt, den Anteil an Recyclaten in ihren Verpackungen zu erhöhen. Auch nehme aus der Petro-Chemie die Nachfrage nach Kunststoffabfällen zu. Herr Lambertz informiert, dass TOMRA aus diesen Gründen plane, noch in 2024 eine Anlage in Viersen zu bauen, in denen Mischkunststoffe aus dem Restmüll behandelt und in die verschiedenen Kunststoffarten sortenrein separiert werden. Geplanter Umsatz: jährlich 80.000 t. Das Investitionsvolumen: 50 bis 60 Mio. €. Er ergänzt, dass es bereits jetzt eine Vielzahl an renommierten Interessenten, also Abnehmer für die aufbereiteten Kunststoffe gebe.

 

TOMRA kalkuliere mit einer Zuzahlung in Höhe von 40-60 € pro t Mischkunststoff, da der Kunststoffmarkt zurzeit sehr schwach sei, dieses sich aber bereits im nächsten Jahr wieder ändern könne. Herr Lambertz fügt hinzu, dass ein weiteres und wesentlich größeres Projekt in Planung sei, diesmal in Zusammenarbeit mit einem petrochemischen Unternehmen. Die Größenordnung hier: 300.000 t pro Jahr. Er hoffe, dass aufgrund geringerer spezifischer Produktionskosten in einer solch großen Anlage dann keine Zuzahlung mehr nötig sei.

Herr Lambertz verweist auf weitere, interessante Zusatzinformationen zu den Mischkunststoffen im Restmüll, auf die er aber aus Zeitgründen in diesem Vortrag nicht mehr eingehen werde.

 

(Anmerkung der Schriftführung: Der komplette Vortrag von Herrn Lambertz ist auf der Homepage des Rhein-Kreises Neuss abgelegt. Pfad: Verwaltung und Politik/ Politik und Wahlen/ Bürgerinfoportal/ Planungs- Klima- und Umweltausschuss/ 26.10.2023)

 

Vorsitzender Herr Markert betont, dass nun viele wichtige Informationen vorliegen, um im Kreistag die richtige Entscheidung treffen zu können. Herr Küpper fasst zusammen, dass der Kreis seit der letzten Sitzung des Planungs-, Klima- und Umweltausschusses eine Vielzahl der Fragestellungen durch die beauftragte Vorplanung beantwortet habe. Er fragt, ob beim reinen Umschlag noch Diskussionsbedarf bestehe, in Sachen Neubau der Halle oder Umbau/ Sanierung. Kreisdirektor Brügge berichtet von der Firma Neste aus Düsseldorf, die mittels Pyrolyse aus Mischkunststoffen Öl herstellen wollen. Vorsitzender Herr Markert ergänzt, dass die Firma AET AG die Ausgangsstoffe aus den Kunststoffabfällen zurückgewinnen könne.

Herr Lambertz informiert, dass sich inzwischen etliche renommierte Firmen mit dem chemischen Recycling von Kunststoffen beschäftigen. Viele können allerdings nur sortenreine Kunststoffarten verarbeiten, keine Mischkunststoffe.

Herr Wappenschmidt fragt, ob durch die Vorplanung weiterhin nur zwei Varianten in Frage kommen. Er betont, dass die Klärung der Fördergeldfrage eine Entscheidungsfindung sehr erleichtern würde. Herr Wappenschmidt erkundigt sich, ob die WSAA nachgerüstet werden könne, z. B., um zukünftig Mischkunststoffe vor Ort in die verschiedenen Sorten zu trennen. Herr Wegkamp bejaht dies, ein weitere Sortierstufe könne später hinzugefügt werden. Aktuell sei dies nicht vorgesehen, da dies wg. der relativ geringen Menge an Mischkunststoff unwirtschaftlich sei. Er betont, dass auch nach der detaillierten Vorplanung die beiden ausgewählten Varianten weiterhin an Nr. 1 und Nr. 2 stehen. Herr Wegkamp sagt, dass bis zum Termin der Entscheidung definitiv mit keiner Fördergeldzusage gerechnet werden könne. Er biete an, eine Projektskizze zusammenzustellen. Bescheiden Fördergeldgeber solch eine Skizze positiv, habe man im Regelfall eine 90-prozentige Sicherheit, auch wirklich gefördert zu werden, allerdings keine 100 Prozent. Danach könne dann der eigentliche Antrag gestellt werden, der dann vom Fördergeldgeber intensiv geprüft werde. Alles in allem dauert solch ein Prozedere in der Regel länger als ein Jahr. Herr Wegkamp betont, dass eine zeitnahe Entscheidungsfindung somit ohne Fördergeldplanung erfolgen müsse.

 

Frau Hugo-Wissemann tendiert zur Variante „Neubau und Wertstoffsortierung“, zum einen aus Klimaschutzgründen und zum anderen wg. der drastisch steigenden Verbrennungskosten. Sie betont, dass sich ihre Fraktion bei der Umschlagvariante für einen Neubau entscheiden würde. Herr Ackburally erkundigt sich zu den Lagerkapazitäten. Herr Lambertz sieht diesbezüglich keine Probleme, da alle Akteure an langfristigen Verträgen interessiert seien. Herr Küpper fasst zusammen, dass wichtige Zahlen noch fehlen, vor allem Wirtschaftlichkeits- und Gegenrechnungen zu folgenden Schwerpunktkomplexen:

  • höhere Investitionen bei der Kunststoffseparation,
  • Zuzahlung bei der Abgabe der Mischkunststoffe und
  • steigende Verbrennungskosten

Herr Küpper sagt zu, diese Zahlen gemeinsam mit pbo zu eruieren und frühzeitig vor der finalen Entscheidungsfindung dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen. Er betont, dass das Warten auf eine Förderzusage zu einer nicht unwesentlichen Zeitverzögerung führen könne und verweist auf die Restlaufzeit der WSAA. Herr Küpper betont, dass es bei der Variante „reiner Umschlag“ sehr hilfreich sei, zeitnah zu entscheiden, ob Umbau/ Sanierung und Neubau weiterhin parallel geprüft werden sollen oder ob einvernehmlich eine Entscheidung für das Eine oder das Andere getroffen werden könne.

 

Vorsitzender Herr Markert sagt, dass aus seiner Sicht die Präferenz für einen Neubau, die Frau Hugo-Wissemann hier im Ausschuss begründet habe, für ihn nachvollziehbar sei, wolle aber einer Entscheidung seiner Fraktion damit nicht vorgreifen. Er verweist noch mal auf die Bitte von Herrn Küpper, bei einer Entscheidung in Sachen Umbau/ Sanierung bzw. Neubau die Verwaltung zeitnah zu informieren.