Beschluss:

 

Der Kreistag des Rhein-Kreises Neuss beschließt folgende Resolution an die Bundesregierung und die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“:

 

 

I.      Die großen Vorkommen an Braun- und Steinkohle in Nordrhein-Westfalen haben dazu geführt, dass sich der Energiesektor zum wichtigsten Bestandteil des hiesigen Wirtschaftsraumes entwickelt und so die Grundlage für Wohlstand und Beschäftigung im Rhein-Kreis Neuss und Nordrhein-Westfalen geschaffen hat. Die Wirtschaft im Braunkohlengebiet und im Rhein-Kreis Neuss ist stark von mittelständischen, aber im Wesentlichen auch von energieerzeugenden und energieintensiven Unternehmen geprägt. Neben den direkt mit der Energieerzeugung befassten Unternehmen (Braunkohlentagebau und Kraftwerkspark) haben sich hier überdurchschnittlich viele energieintensive Unternehmen angesiedelt. Der Wirtschaftsraum der Region ist wesentlich geprägt durch eine Verbundsstruktur.

 

Die energieintensiven Industrien leisten einen großen Beitrag zur Wertschöpfung und zur Beschäftigung. Hierunter fallen insbesondere die Branchen aus Papier-, Chemie-, Glas-, Stahl- und Metallindustrie sowie aus der Nahrungs- und Futtermittelindustrie. Die Wirtschaft und die Arbeitsplätze sind daher in der Braunkohlenregion stärker als irgendwo sonst in Deutschland von der Energiebranche abhängig. Die gesamte Region wird somit von dem anstehenden und zwischenzeitlich eingeleiteten Strukturwandel in besonderem Maße betroffen.

 

Dies wird auch durch die jüngste Studie, die im Auftrag von IHK Aachen, IHK Köln und IHK Mittlerer Niederrhein erstellt wurde, bestätigt. Hiernach machen allein die energieintensiven Branchen einen Umsatz von 32 Mrd. Euro. Über 90.000 Menschen im gesamten Wirtschaftsraum sind direkt in energieintensiv produzierenden Unternehmen tätig.

 

Durch die enge Verflechtung der Unternehmen und der Wirtschaft mit anderen Sektoren ergibt sich gerade im Bereich der energieintensiven Unternehmen zudem ein erheblicher Multiplikatoreffekt, der bundesweit ausstrahlt. Unabdingbare Basis dieser Unternehmen ist kostengünstige und jederzeit verfügbare Energie.

 

II.   Im November 2016 hat das Bundeskabinett den Klimaschutzplan 2050 beschlossen. Damit will Deutschland die internationalen Zusagen des Pariser Klimaschutzabkommens einhalten. In Paris wurde vereinbart, bis 2050 Klimaneutralität beim CO2-Ausstoss zu erreichen. Der Klimaschutzplan enthält ambitionierte Klimaziele für einzelne Wirtschaftszweige bereits für das Jahr 2030. Er bezieht hierbei den Verkehrssektor, die Industrie- und Energiewirtschaft mit ein. Insbesondere die CO2-Emissionen, die durch die Energiewirtschaft verursacht werden sollen stark reduziert werden. Der hiermit einhergehende Ausstieg aus der Verstromung von Braunkohle stellt damit für den Rhein-Kreis Neuss und die Braunkohlenregion eine große Zukunftsherausforderung dar.

 

In der hiesigen Braunkohlenregion wurden von den ansässigen Unternehmen bereits in der Vergangenheit erhebliche Investitionen zur Modernisierung des Kraftwerksparks und zum Erhalt der Wirtschaft und Wohlstandsfähigkeit unserer Region getroffen. Im Hinblick auf die Klimaschutzziele hat die Energiewirtschaft daher bereits einen großen Beitrag geleistet. Bis 2030 werden durch Teilstilllegungen ca. 50% CO2 eingespart, bis 2050 laufen die Tagebaue endgültig aus. Dieser Weg ist mit dem Klimaschutzabkommen von Paris und den Klimaschutzzielen der EU vereinbar. Aus internationalen Klimaschutz-Vereinbarungen ist ein früherer Ausstieg nicht notwendig. Eine weitere Verkürzung der Laufzeit der Kraftwerke verteuert den Ausstieg aus der Kohle zusätzlich für die Wirtschaft wie für die Allgemeinheit, weil Zeit fehlt, für anstehende und bereits heute verbindlich zugesagte Aufgaben Rückstellungen in den Firmen zu bilden. Andere Sektoren, u. a. Verkehr, Wohnen, Industrie und Bau sind hier erheblich weniger im Fokus und haben bislang nicht annähernd einen entsprechenden Beitrag zum Klimaschutz  erbracht.

 

Der Rhein-Kreis Neuss erkennt die große Bedeutung des Klimaschutzes an und ist sich bewusst, dass dem Klimawandel mit geeigneten Maßnahmen entgegengewirkt werden muss. Aus Sicht des Rhein-Kreises Neuss ist der heimische Energieträger Braunkohle allerdings auf absehbare Zeit ein wichtiger Bestandteil für eine sichere Energieversorgung. Der Braunkohle kommt auch in Zeiten des Energiewandels eine große Bedeutung als Brückentechnologie und zugleich sicherem, verfügbaren und grundlastfähigem Energieträger zu.

 

Am 06.06.2018 hat das Bundeskabinett die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ eingesetzt und mit der Aufgabe betraut, Vorschläge zu erarbeiten um den Strukturwandel im Energieerzeugungssektor einzuleiten und dabei die Balance zwischen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Klimaverträglichkeit zu wahren.

In der Zusammensetzung der Kommission ist das Rheinische Braunkohlerevier jedoch deutlich unterrepräsentiert. Die besondere Betroffenheit des Rheinlands als Wirtschaftsmotor Nordrhein-Westfalens und die besonderen Abhängigkeiten und Auswirkungen bei Eingriffen in den Energiesektor sind in den Beratungen der Kommission dennoch entsprechend zu berücksichtigen. Ein Strukturbruch ist unbedingt zu vermeiden.

 

III. Der Rhein-Kreis Neuss fordert die Bundesregierung und die eingesetzte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ auf, den Strukturwandel konstruktiv zu unterstützen:

 

·      Der Rhein-Kreis Neuss begrüßt die Einrichtung der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ durch die Bundesregierung, um den Prozess des Strukturwandels im Revier zu begleiten. Aufgrund der erheblichen Auswirkungen auf die Wirtschaftskraft und die Arbeitsplätze im Rheinischen Revier sind die Belange der hiesigen Kommunen dabei in den Vordergrund zu stellen. Der Strukturwandel in den Braunkohlengebieten ist verantwortungsvoll und mit Augenmaß zu begleiten und zu unterstützen. Wir bitten die Kommission daher um eine zeitnahe und angemessene Einbindung des Rhein-Kreises Neuss in diesen Prozess.

 

 

·      Wir empfehlen keinen Ausstieg aus der Kohleverstromung vor, wie bisher vereinbart,  dem Jahr 2050. Wenn es jedoch politisch beschlossen werden sollte, dann erwarten wir eine belastbare Folgeschätzung dieser politischen Entscheidung für Wirtschaft, Menschen, Staat und Kommunen.

 

·      Einer bezahlbaren, dauerhaft verfügbaren und sicheren Energieversorgung der Region und seiner Menschen ist eine hohe Priorität einzuräumen.

 

·      Voraussetzung für die Festlegung eines Enddatums ist, dass zu diesem Zeitpunkt die Stromnetze für eine erfolgreiche Energiewende ausgebaut sind und flächendeckend geeignete, effiziente und bezahlbare Speichertechnologien zur Verfügung stehen. Erst wenn dies sichergestellt ist, darf ein Enddatum für die Braunkohle festgelegt werden.

 

·      Der Strukturwandel kann nur gelingen, wenn die Kommission Voraussetzungen dafür schafft, dass leistungsfähige Ersatzarbeitsplätze in der Region entstehen und dadurch die Wirtschaftskraft und die Zukunftsperspektive dauerhaft erhalten bleiben. Hierzu erwartet der Rhein-Kreis Neuss belastbare Ausführungen und geeignete Maßnahmen

 

·      Das regionale Investitionskonzept für die Zukunftsregion Rheinisches Revier muss im Hinblick auf die Umsetzbarkeit regionalbedeutender, zukunftsweisender Projekte vor Ort gestrafft und optimiert werden und zu einem „Regionalen Strukturentwicklungsprojekt“ zielgerichtet weiterentwickelt werden.

 

·      Die Bundesregierung muss den Strukturwandel durch die Bereitstellung erheblicher Finanzmittel unterstützten. Bei der Verteilung der Mittel ist die besondere wirtschaftliche Bedeutung der Braunkohlenregion des Rheinischen Reviers für Gesamtdeutschland gleichberechtigt zu berücksichtigen.

 

·      Die Bundesregierung möge die Voraussetzungen schaffen, dass mit dem Ausstieg aus der heimischen Energieerzeugung im Jahr 2050 keine Verteuerung der Energieversorgung verbunden ist.

 

 


Protokoll:

Kreistagsabgeordneter Dieter Welsink erklärte, dass das Thema Strukturwandel wichtig sei und man sich kritisch und zukunftsorientiert mit dem Thema auseinander setzen müsse. Mit dem Strukturwandel und dem Wegfall der Braunkohleenergie würden auch zahlreiche Arbeitsplätze in der Region wegfallen. Ein Großteil der Wirtschaft in der Region ist von bezahlbarer Energie ebenfalls abhängig. Auch hierfür müsse eine Lösung gefunden werden, bevor die Kraftwerke abgeschaltete würden. Die Kommission solle hierfür sensibilisiert werden. Ebenfalls sei es wichtig, dass die Region mit eingebunden werde und man über Entscheidungen rechtzeitig informiert werde.

 

Kreistagsabgeordneter Rainer Thiel führte aus, dass es kaum eine Region gebe, die so massiv von dem Strukturwandel betroffen sei, wie unsere eigene. Dies hänge mit unserer Verbundstruktur zusammen. Daher sei es wichtig, dass unsere Region sich auch zu den Entscheidungen und den Entwicklungen äußern könne. Mit der Resolution werde zudem darauf hingewiesen, dass man nicht so einfach sich über ein Enddatum endgültig Gedanken machen könne ohne die exakten Auswirkungen zu bedenken. Wir wollen eine Politik, wo auch die Klimaschutzpolitik eine große Rolle spiele.

 

Kreistagsabgeordneter Hans-Christian Markert teilte mit, dass es darum gehe den Strukturbruch in unserer Region zu verhindern und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spreche sich nahhaltig dafür aus sich für den Industriestandort zu bekennen und auch in den nächsten Jahren Industriearbeitsplätze zu erhalten und auszubauen. Es gehe um die Frage, wie sich das eigene Revier in Zukunft entwickeln werde. Ein Strukturbruch wolle jedoch vermieden werden. Kreistagabgeordneter Hans-Christian Markert bedauerte, dass sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag nicht darauf geeinigt habe, wie man die industriepolitische und die klimapolitische Verantwortung zusammenbringe. In der Kommission sitzen Experten unterschiedlicher Herkunft jedoch nicht die im Bundestag vertretenden Parteien. Sie wurde eher willkürlich besetzt und gegründet, sitze in Berlin und solle für eine bundespolitische Entscheidung bis Ende des Jahres Lösungen finden. Die Fraktion Bündis 90/Die Grünen ist sehr daran interessiert den Strukturwandel zu gestalten und sich der Herausforderung zu stellen, aber dabei nicht in Kauf zu nehmen, dass der Klimawandel zu immer mehr Naturereignissen, wie ansteigenden Meeresspiegel oder Starkregen führe.

Es wäre wünschenswert und sinnvoll, eine Strukturkommission im Rhein-Kreis Neuss einzusetzen, sodass  dort Entscheidungen, die das eigene Revier betreffen getroffen werden könnten. Diese Kommission könne im Rahmen eines Wirtschaftsausschusses gebildet werden, um sich fortlaufend in den nächsten Jahren mit dem Thema Strukturwandel zu beschäftigten.

 

Kreistagsabgeordneter Dirk Rosellen wies darauf hin, dass es nicht Aufgabe des Kreistages sei, die Ergebnisse der Kommission vorwegzunehmen. Man solle der Kommission jedoch mitteilen, was für die betroffene Region von Bedeutung sei. Das seien neben dem Klimaschutz auch noch eine sichere Energieversorgung, sowie die Erhaltung von Arbeitsplätzen. Für die Versorgungssicherheit werde die Braunkohle auch heute noch Bedeutung haben. Ein Enddatum festzulegen, ohne dass man die Voraussetzungen für die Veränderung schon insgesamt geschaffen hatte, sei nicht der richtige Weg. Es müsse an den Stromnetzen noch einiges getan werden und auch die Frage von Speicherkapazitäten sei nicht außer Acht zu lassen. Der Kommission solle mitgeteilt werden, was wir für unsere Region erwarten. 

 

Kreistagsabgeordneter Oliver Schulz erklärte, dass zwar viele vernünftige Dinge in der Resolution genannt worden seien, insbesondere den Strukturwandel vernünftig und strukturiert zu begleiten und Brüche in der Struktur zu vermeiden. Ein Ausstieg im Jahr 2050 sei nicht tragbar, man müsse das Pariser Klimaschutzabkommen ernst nehmen und gemeinsam klare Ziele für die Region erarbeiten, um dem Klimawandel entgegenzusteuern.

 

Kreistagsabgeordneter Carsten Thiel betonte, dass der Rhein-Kreis Neuss im Vergleich zu anderen Regionen sehr gut dastehe. Der Rhein-Kreis Neuss weise eine geringe Arbeitslosenquote auf und durch die eigene Energieerzeugung werde auch wirtschaftlich für Wohlstand gesorgt. Man müsse darum kämpfen, dass der Rhein-Kreis Neuss auch nach dem Strukturwandel mindestens genauso gut oder sogar besser dastehe.

 

Kreistagsabgeordneter Erhard Demmer führte aus, dass der Prozess des Klimawandels bereits jetzt im Gange sei. Diskussionen über den Strukturwandel gebe es bereits seit mehreren Jahren, jedoch gebe es bisher keinen vernünftigen Maßnahmenkatalog, wie man den Strukturwandel gestalten werde. Man wolle Arbeitsplätze erhalten und den Klimawandel verhindern. Es müsse möglich sein, diese beiden Ziele zusammenzubringen. Eine Kommission des Rhein-Kreises Neuss im Rahmen eines Wirtschaftsausschusses sei für diese Zusammenbringung durchaus wünschenswert und vorteilhaft.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke erläuterte, dass es bereits seit Jahren Veränderungen, wie beispielsweise die Reduzierung von CO2-Ausstoß durch Effizienzsteigerung, gebe. Es werde seit Jahren ebenfalls daran gearbeitet, Arbeitsplätze zu sichern und neue in der Region anzusiedeln und auszubauen. Es gehe nicht allein um die Arbeitsplatzerhaltung innerhalb der Braunkohleenergie, sondern es müsse die gesamte von Energie abhängige Wirtschaft betrachtet werden, insbesondere die Aluminiumindustrie, Lebensmittelindustrie und chemische Industrie.

 

Kreistagsabgeordneter Johann-Andreas Werhahn betonte, dass die Politik selbstverständlich Verantwortung übernehme und dies auch in den letzten Jahren getan. Der Prozess der CO2 Reduktion zeige dies. Es sei unvermeidbar, dass es einen Strukturwandel werde, es müsse aber daran gearbeitet werden, dass es durch diesen Wandel nicht zu einem Strukturbruch in der Region komme.

 

 


Abstimmungsergebnis:

mehrheitlich beschlossen

 

56 Ja- Stimmen (29 CDU, 18 SPD, 5 FDP, 3 UWG/Die Aktive, LR)

10 Nein-Stimmen (7 Bündnis 90/Die Grünen, 3 Die Linke)