Beschlussvorschlag:

1. Der Kreistag des Rhein-Kreises Neuss fordert Bundestag und Bundesregierung auf,

umgehend politische und soweit wie möglich auch rechtliche Klarheit über den Prozess

des Kohleausstiegs zu schaffen. Basis hierfür ist der Abschlussbericht der Kohlekommission. Dabei geht es im ersten Schritt vor allem um die gesetzlich zu verankernde Abschaltung von 3 GW Braunkohlekapazität bis 2022 und die im Gegenzug ebenfalls gesetzlich zu verankernde Bereitstellung von entsprechenden Strukturhilfen und Anpassungsgeldern für die in der Braunkohle Beschäftigten.

 

2. Darüber hinaus fordert der Kreistag dazu auf, alle Aktivitäten im Vorfeld des Braunkohleabbaus einzustellen, die Fakten für den Abbau schaffen und den Beschlüssen zum Kohleausstieg der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung zuwiderlaufen könnten. Das gilt insbesondere für Umsiedlungen und Grundabtretungen gegen den Willen der Betroffenen, die weitere Zerstörung der Dörfer und der Infrastruktur und des Hambacher Waldes sowie für die Errichtung neuer, dem Bergbau direkt oder indirekt dienender Infrastruktur.

 

3. Der Kreistag bittet den Landrat sowie die regionalen Bundestags- und Landtagsabgeordneten, sich in diesem Sinne gegenüber der Bundes- und Landesregierung einzusetzen.


Protokoll:

Kreistagsabgeordneter Hans Christian Markert erläuterte den Antrag.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke merkte an, dass der Antrag keine neuen Aspekte beinhalte. Daher sehe er für einen Dringlichkeitsantrag keinen Bedarf.

 

Kreistagsabgeordneter Rainer Thiel erklärte ebenfalls, dass die Dringlichkeit des Antrages nicht nachvollziehbar sei. Dass die Bundesregierung das Thema schneller behandeln solle, sei unstrittig. Entscheidend müsse sein, dass alle hinter einer eins zu eins Umsetzung des Kohlekommissionsvorschlages stehen. Der erste Punkt des Antrages sei bereits vom Kreistag beschlossen worden. Der zweite Punkt des Antrages sei jedoch sachlich nicht hilfreich, auch was die Umsiedlungen betreffe. Im Rahmen der Kommissionsempfehlung sollte ein geordneter Ausstieg ermöglicht werden und damit sei auch ein gesellschaftlicher Konsens verbunden. Wenn der Ausstieg als befriedende Funktion erfolgen solle und sogar noch den Hambacher Forst gerettet werden solle, müsse dies unter Umständen in Garzweiler kompensiert werden. Dies sei auch nicht im Sinne der Tagebaukommunen, da eine Nachfolgelandschaft übergeben werden sollte, auf der die Kommunen etwas entwickeln können. Er würde empfehlen den Antrag zurückzunehmen, da die als dringlich bezeichneten Aspekte bereits im Eckpunktepapier des Kreistages vom 27.03.2019 gemeinsam formuliert worden seien. Eine Einstellung der Umsiedlungen sei nicht im Interesse der Menschen im Rhein-Kreis Neuss.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke führte aus, dass der Antrag sich selbst widerspreche. Im ersten Absatz stehe, dass den Empfehlungen der Kohlekommission gefolgt werden sollte und im zweiten Absatz komme zum Ausdruck, dass keine Umsiedlungen mehr erfolgen sollten. Die Kohlekommission habe allerdings beschlossen, dass bis 2038 die Kohleverstromung weiterhin gesetzt sei. Um eine Kohlegewinnung dafür sicherzustellen, müsse der Tagebau funktionieren. Wenn der Bevölkerung nun erklärt würde, dass aufgrund des Kohlekompromisses keine Umsiedlungen mehr stattfinden, würde das nicht der Wahrheit entsprechen. Es werde ein kompliziertes Verfahren, dass sich über Jahrzehnte noch erstrecken könne, um einen ordentlichen Ausstieg zu ermöglichen. Des Weiteren würden benötigte Genehmigungen eine große Rechtsunsicherheit darstellen. Deswegen wäre es wünschenswert, wenn der Rhein-Kreis Neuss eine Sonderwirtschaftszone werde. Dass, wie im Antrag beschrieben, das Braunkohleausstiegsgesetz auf 2020 verschoben werden solle, sei ihm neu, so Landrat Hans-Jürgen Petrauschke.

 

Kreistagsabgeordneter Hans Christian Markert erläuterte, dass die Fraktion in der Errichtung eines Appells in Richtung Bundesregierung eine Dringlichkeit sehe. Er weise zurück, dass der Antrag nicht dem Kohlekompromiss entspreche. Es gehe in dem Antrag darum die Ergebnisse des Kohlekompromisses in die Wege zu leiten. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen habe auf Nachfrage im Wirtschaftsministerium bestätigt bekommen, dass in Berlin die Tendenz zur Aufspaltung des Ausstieges der Stein- und Braunkohle gehe und die Braunkohle dabei zeitlich hinter die Steinkohle gestellt werden solle. Damit würde bis zur Umsetzung des Kohlekompromisses eine halbe Wahlperiode des Bundestages vergehen. Die Appellfunktion des Antrages solle darauf drängen, dass die Umsetzung des Braunkohleausstieges zügig erfolge. Die Betroffenen des Ausstieges dürften nicht im Unklaren gelassen werden. Es müsse klar gegenüber Beschäftigten, Firmen und Tagebauanwohnern kommuniziert werden, was in den nächsten Jahren passieren müsse.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke bestätigte, dass nach seinem Kenntnisstand Braun- und Steinkohle zunächst getrennt behandelt werden solle. Für die beiden Bereiche würden andere Fördermittel in Anspruch genommen werden. Allerdings sei ihm gegenüber nicht bestätigt worden, dass das Braunkohleausstiegsgesetz erst im nächsten Jahr erfolgen solle.

 

Kreistagsabgeordneter Dirk Rosellen erklärte, dass die FDP-Kreistagsfraktion ebenfalls keine besondere Dringlichkeit des Antrages erkennen könne. Es seien keine Aspekte im Antrag benannt worden, die nicht bereits vor einigen Wochen bekannt gewesen seien. Der erste Teil des Antrages sei bereits im Eckpunktepapier der Bundesregierung enthalten, sodass eine Beschlussfassung dazu nicht mehr notwendig sei. Der zweite Teil des Antrages gehe über die Empfehlungen der Braunkohlekommission hinaus und könne deswegen nicht unterstützt werden.

 

Kreistagsabgeordneter Dr. Dieter Welsink teilte mit, dass die CDU-Kreistagsfraktion die Dinglichkeit des Antrages nicht nachvollziehen könne. Aus dem Antrag sei keine Lösung für das Problem erkennbar. Der Kreistag habe besonders in dieser Region die Aufgabe die Betroffenen mitzunehmen. Die Probleme sollten dort diskutiert werden, wo die Menschen sind. Die Betroffenen hätten ihre Heimat im Kreisgebiet und müssten in dem Prozess eine Chance bekommen. Deswegen sei es nicht zielführend mit diesem Aktionismus weiteren Druck zu erzeugen, sondern dem Prozess Raum zu geben.

 

Kreistagsabgeordneter Rainer Thiel erklärte, dass Rechtssicherheit und Klarheit durch die Leitentscheidung der rot-grünen Landesregierung zur Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler bestehen würde. Dort seien ausdrücklich Umsiedlungen vorgesehen worden. Dieser Rahmen stelle die derzeit größte Rechtssicherheit für dieses Gebiet dar. Er merkte an, dass es weder auf Bundes- noch auf Landesebene eine Zusage der Grünen gebe, dass der Kompromiss von ihnen mitgetragen werde. An dieser Stelle gehe es nicht um Klimaschutz, denn um die Klimaschutzziele zu erreichen, reiche es nicht aus den früheren Braunkohleausstieg zu erreichen. Dafür müssten alle ihre Beiträge leisten, nicht nur Nordrhein-Westfalen.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke gab zu Bedenken, ob über den Antrag heute abgestimmt oder das Thema im Kreisausschuss am 28.08.2019 nochmals behandelt werden solle. Der Kreistag habe im März einen guten gemeinsamen Kompromiss zu dem Thema gefunden. Es wäre schade, wenn sich die Fraktionen an diesem Punkt jetzt auseinanderdividieren würden.

 

Kreistagsabgeordneter Manfred Haag betonte, dass es keine Rechtssicherheit gebe. Dafür müssten erst Bundesgesetze geschaffen werden. Er berichtete, dass bei der Indelandveranstaltung in Düren die Verlässlichkeit der Politik ein zentrales Thema gewesen sei. Er habe den Eindruck, dass der Kreis Düren mit der Indelandgesellschaft bereits so agiere wie der Kohlekompromiss ausgehandelt worden sei. Dort werde bereits konkret gearbeitet. Er hob hervor, dass jetzt die Grundlagen auf Bundesebene geschaffen werden müssten, um Verlässlichkeit bieten zu können. Der Bürgermeister von Jülich habe deutlich auf der Veranstaltung gesagt, dass deswegen die Gesellschaft bereits vor 15 Jahren gegründet worden sei. Mit dem vorgelegten Antrag werde der Druck auf die Bundesregierung hochgehalten, damit in diesem Jahr noch die Gesetze geschaffen und Mittel freigegeben werden.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke wies darauf hin, dass niemand anzweifle, dass die Gesetze noch in diesem Jahr geschaffen würden. An alle beteiligten Stellen werde die Erwartung gestellt, dass schnell auf Basis des Kohlekompromisses gearbeitet werde. In Erwartung auf die Mittel werde bereits jetzt konkret gearbeitet.

 

Kreistagsabgeordnete Kirsten Eickler meinte, dass die Beiträge der CDU und SPD-Kreistagsfraktionen die Ursache seien, warum der Bürger diese Parteien nicht mehr wählen wolle. Der zweite Teil des Antrages sei nicht genau gelesen worden. Im Antrag werde davon gesprochen, dass die Maßnahmen, die dem Kompromiss entgegenstehen könnten, eingestellt werden sollen. Es sei unverständlich, warum sich dagegen nun gesperrt werde. Diese Abwehr gegen den Antrag zeige deutlich, dass im Hintergrund noch an Stellschrauben gedreht werde und das sei genau der Grund, warum es zum Politikverdruss in der Bevölkerung komme.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke erklärte, dass dem Antrag unter anderem zu entnehmen sei, dass es keine Umsiedlungen geben solle. Dadurch werde suggeriert, dass keine Umsiedlungen mehr erfolgen sollten bis eine neue gesetzliche Regelung geschaffen wurde. Es gebe eine Leitentscheidung an die sich gehalten werden müsse. Seiner Meinung nach stehe der zweite Absatz im Widerspruch zum ersten Absatz.

 

Kreistagsabgeordneter Hans Christian Markert wies darauf hin, dass auch die Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen davon ausgehe, dass die Arbeit in der Landes- bzw. Bundesregierung aufgenommen und der Kohlekompromiss eins zu eins aufgenommen würde. Er nehme zur Kenntnis, dass der Landrat andere Informationen habe, als die von den Grünen vorgetragenen Informationen aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Wenn die Informationen des Landrates zutreffen und bis Ende des Jahres den Gesetzesentwurf vorlegen würden, könne dem Antrag problemlos zugestimmt werden. Weiterhin merkte er an, dass die angesprochene Leitentscheidung seiner Meinung nach in Kürze keinen Bestand mehr habe, da eine neue Leitentscheidung angekündigt worden sei. Die Fraktion habe den Eindruck, dass durch das Herauszögern einer neuen Leitentscheidung Zeit gewonnen werden solle und damit Tun durch Unterlassen erfolge. Der Antrag solle heute dennoch zur Abstimmung gestellt werden, damit nicht im Herbst erklärt werde, dass doch kein Gesetzesentwurf vorliege.

 

Kreistagsabgeordneter Johann-Andreas Werhahn meinte, dass nicht mit Unterstellungen gespielt werden sollte. Das sei der Grund, warum das Vertrauen der Bevölkerung zerstört werde. Die dauernde Widersprüchlichkeit der Aussagen der Politik führe dazu. Der Antrag ziele darauf ab über Aspekte beschließen zu wollen, die vom Kreistag nicht beeinflussbar seien. In Berlin würde es keinen interessieren, wenn der Kreistag hier eine Dringlichkeitsentscheidung treffe. Das Gesetzgebungsverfahren zum Kohlekompromiss sei mit Sicherheit nicht vom Kreistag beeinflussbar, außer, wenn die Fraktionen mit ihren Bundestagsabgeordneten kommunizieren.

 

Kreistagsabgeordneter Hans Christian Markert meinte, dass der Antrag nicht uminterpretiert und in der ursprünglichen Form zur Abstimmung gestellt werden solle.

 

Kreistagsabgeordneter Dr. Dieter Welsink erklärte, dass das Verfahren der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zu ihrem Antrag verwunderlich sei. Nicht nur der Landrat habe versucht Brücken zu bauen, sondern alle Fraktionen. Zudem werde das Thema in jedem Kreisausschuss diskutiert.

 


Abstimmungsergebnis:

mehrheitlich abgelehnt

 

10 Ja-Stimmen (Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, Eickler)

54 Nein-Stimmen (CDU, SPD, FDP, UWG/Die Aktive, Zentrum, Dr. Patatzki, Landrat)