Beschlussempfehlung:
Der Naturschutzbeirat erhebt keinen Widerspruch gegen die Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. § 75 Abs. 1 LNatSchG NRW für die Freiraum- und Gartengestaltung nach der vorgelegten Planung.
Sachverhalt:
Auf dem Grundstück Waldstraße 24 in Dormagen-Straberg wurden der Abbruch der bestehenden Baukörper und die Errichtung eines Zweifamilienhauses mit Pkw-Doppelgarage im Wege eines Baugenehmigungs- und Befreiungsverfahrens genehmigt. Der Naturschutzbeirat wurde hierzu in der Sitzung am 12.02.2019 mit dem Recht des Widerspruchs beteiligt und erhob keinen Widerspruch.
In seinem Beschluss beauftragte der Naturschutzbeirat die Untere Naturschutzbehörde damit, soweit rechtlich möglich, vernünftige Maßnahmen in Auflagen festzulegen und in Gesprächen mit dem Bauherrn anzubringen, um
· das Vogelschlagrisiko zu verringern (Gestaltung/Modifikation der Fenster und Pflanzung
von 1-2 Bäumen als Vegetationsstopper),
·
die Lichtverschmutzung zu verringern (Art und
Ausrichtung der Leuchtkörper) und
· eine naturnahe Gestaltung des Neubaus zu fördern.
Die o.g. 3 Aspekte wurden neben Kompensationsmaßnahmen und weitergehenden Nebenbestimmungen entsprechend in die Auflagen der Befreiung aufgenommen.
Nunmehr begehrt der Antragsteller ergänzend die Gewährung von Befreiung für die
eingereichte Freiraum- und Gartenplanung des Grundstückes.
Im Rahmen der
Planung sollen geringe Flächenanteile für ein Gartenhaus, einen Spielbereich, eine
Versickerungsanlage und einen Brunnen sowie Wege in Anspruch genommen bzw.
versiegelt werden. Gegenüber dem mit Baugenehmigung und Befreiung derzeit
genehmigten Zustand reduziert sich der vollversiegelte Flächenanteil um 17 m²,
während sich der teilversiegelte Flächenanteil um 21 m² erhöht.
Der Standort liegt im baulichen Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB sowie im
Geltungsbereich des Landschaftsplans II - Dormagen - des Rhein-Kreises Neuss
(LP II) im festgesetzten Naturschutz- und FFH-Gebiet „Waldnaturschutzgebiet
Knechtsteden“ (LP II, Ordnungs-Nr. 6.2.1.4).
Die
Festsetzung als Naturschutzgebiet erfolgt insbesondere
1. zur
Erhaltung und Förderung von Lebensgemeinschaften und Lebensstätten wildwachsender
Pflanzen- und wildlebender Tierarten insbesondere zur Erhaltung und Entwicklung
der wertvollen FFH-Lebensraumtypen
•
Hainsimsen-Buchenwald
(9110),
•
Waldmeister-Buchenwald
(9130) und
•
Stieleichen-Hainbuchenwald
(9160)
2. zur
Erhaltung der Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse gemäß der Anhänge II
oder IV der FFH-Richtlinie oder der Vogelschutzrichtlinie, insbesondere: Mittelspecht,
Schwarzspecht, Nachtigall, Pirol, sowie zur Erhaltung der gefährdeten bzw.
stark gefährdeten Arten der Roten Liste der BRD/NRW, insbesondere Ringelnatter,
Springfrosch, Haselmaus sowie und die artenreichen Fledermaus- und
Totholzkäfervorkommen,
3. zur
Förderung und Sicherung eines Habitats für Vögel, für ziehende und rastende
Vögel des Anhang I bzw. des Art. 4 (2) der Vogelschutzrichtlinie, insbesondere:
den Uhu,
4. zur
Erhaltung und Entwicklung eines zusammenhängenden naturnahen Waldgebietes,
insbesondere durch Maßnahmen zur Erhöhung des Natürlichkeitsgrades der
Waldkomplexe durch:
·
eine naturnahe
Waldbewirtschaftung,
·
Umwandlung von
Nadelholz-, Roteichen- und Pappelforsten in die Waldgesellschaften der potentiell
natürlichen Vegetation
5. zur
Sicherung eines der großen Waldrefugialräume in NRW.
6. zur Erhaltung und Wiederherstellung von schutzwürdigen
Böden; insbesondere der Böden mit einem sehr hohen Biotopentwicklungspotential
(z.B. Braunerden) und Böden mit einer hohen bis sehr hohen Regelungs- und
Pufferfunktion/Bodenfruchtbarkeit (z.B. Gley-Para-Braunerden).
Schützenswert sind in ihrer natürlichen Vergesellschaftung insbesondere die Traubenkirschen-Erlen-Eschenwälder, die Eichen-Hainbuchenwälder, die Hainsimsen-Buchenwälder die Waldmeister-Buchenwälder sowie die naturnahen Fließgewässerabschnitte und die naturnahen Kleingewässer. Schützenswert sind des Weiteren die natürliche Artenvielfalt der Schnecken, Insekten, Reptilien, Amphibien, Vögel und Fledermäuse im Gebiet sowie die Vorkommen vieler gefährdeter Tier- und Pflanzenarten.
Gemäß § 23 Abs. 2 BNatSchG sind
nach Maßgabe näherer Bestimmungen im Landschaftsplan alle Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung,
Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebietes oder seiner Bestandteile
oder zu einer nachhaltigen Störung führen können. Nach den Festsetzungen des LP
II (Ordnungs-Nr. 6.2.1) ist im Naturschutzgebiet u.a. insbesondere verboten:
•
bauliche
Anlagen im Sinne der Bauordnung für das Land NRW zu errichten, auch wenn sie
keiner Baugenehmigung oder Bauanzeige bedürfen, sowie die Außenseite
bestehender baulicher Anlagen zu ändern (Verbot Ziff. 1),
•
Straßen, Wege oder Plätze zu errichten, zu ändern oder
bereitzustellen (Verbot Ziff. 4.),
•
Aufschüttungen, Verfüllungen, Abgrabungen,
Ausschachtungen oder Sprengungen vorzunehmen, Bodenmaterial zu entnehmen oder
die Bodengestalt auf andere Weise zu verändern (Verbot Ziff. 5),
•
ober- oder unterirdische Leitungen - Freileitungen,
Kabel, Rohrleitungen - zu verlegen oder zu ändern, Zäune oder andere
Einfriedigungen zu errichten oder zu ändern (Verbot Ziff. 6),
•
Bäume, Sträucher oder sonstige Pflanzen einzubringen
oder auszusäen (Verbot Ziff. 11),
•
Flächen außerhalb der befestigten oder
gekennzeichneten Straßen, Wege, Park- oder Stellplätze zu betreten, auf ihnen
zu reiten oder sie zu befahren (Verbot Ziff. 12).
Die geplanten
baulichen Maßnahmen am o.g. Standort, d.h. die Errichtung eines Geräteschuppens,
eines Abstellplatzes für Müllcontainer, eines Spielbereiches für die Kinder,
einer Auffahrt/Zufahrt, von Wegen um das Haus herum, einer Terrasse, eines
Lichtschachtes, eines Zugangs zur Einliegerwohnung, einer Entwässerungsanlage
und eines Brunnens mit entsprechender Leitungsverlegung verstoßen gegen die
o.g. Verbotstatbestände.
Gemäß § 67 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. § 75 Abs. 1 LNatSchG NRW kann von Verboten des Landschaftsplanes auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn
1. dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall
zu einer unzumutbaren Belastung führen würde
und die Abweichungen mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege
vereinbar sind.
Im
vorliegenden Fall wurde bereits am 14.09.2012 eine naturschutzrechtliche
Befreiung für den angemessenen Umbau und die Erweiterung des bestehenden
Wohnhauses und zuletzt am 03.05.2019 für den Neubau des Wohnhauses gewährt.
Nunmehr erfolgt die Planung des Gartens und der Außenanlagen. Die Versagung
einer neuerlichen Befreiung für diese Anlagen würde eine unzumutbare Belastung für
den Eigentümer und die künftigen Bewohner darstellen, da ein Hausgarten mit Außenanlagen
zu einer adäquaten Nutzung des mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstückes
gehört. Eine Vereinbarkeit mit den Belangen von Naturschutz und
Landschaftspflege kann mittels Kompensationspflanzungen bewirkt werden.
Die
Vereinbarkeit mit den Belangen des Naturschutzes an dieser Stelle im Ausläufer
des Naturschutz- und FFH-Gebietes wurde im Übrigen durch die
FFH-Verträglichkeitseinschätzung des vorangegangenen Bauvorhabens belegt. Es
sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass durch die Errichtung der nunmehr
geplanten Garten- und Außenanlagen ergänzend zum Wohnhaus erhebliche oder
nachhaltige Beeinträchtigungen des Naturschutz- und FFH-Gebietes oder seiner
wertbildenden Bestandteile zu befürchten wären. Es sind zudem (Auflage lt. Befreiungsbescheid
vom 03.05.2019) zusätzliche Anpflanzungen zum Waldrand hin aus heimischen Arten
als „Puffer“ zum NSG- und FFH-Gebiet vorzunehmen.
Eine
Trennung innerhalb des Gartens in einen intensiven und einen extensiven Bereich
wird die Entstehung zukünftiger Konflikte durch die genehmigte Bebauung und die
folgerichtige Nutzung des entstehenden Gartens vermeiden, so dass keine
naturschutzfachlichen und –rechtlichen Bedenken gegen die vorliegende Planung
der Gartengestaltung bestehen. Diese entspricht vielmehr einer konsequenten
Fortsetzung der Architektur des genehmigten Baukörpers. Die Randbereiche des
Grundstückes werden als Puffer zu den Schutzgebietsflächen gestaltet und
entsprechend bepflanzt. Bei der Auswahl der Pflanzen im intensiven
Gartenbereich wurde auf eine Mischung heimischer und nicht heimischer Arten
geachtet und die Verwendung blütenreicher Individuen berücksichtigt. Es sind in
den aufgeführten Pflanzenlisten keine Arten zu erkennen, die negative
Auswirkungen auf die Naturschutz- und FFH-Gebietsflächen erwarten ließen.
Weitergehende
Gesichtspunkte, die eine Versagung der Befreiung angebracht erscheinen ließen
oder erforderten, sind nicht ersichtlich, so dass die beantragte Befreiung gem.
§ 67 Abs. 1 Ziff. 2 BNatSchG somit auch für die geplante Freiraum- und
Gartengestaltung gewährt werden kann.
Die
Verwaltung beabsichtigt daher, dem Antragsteller eine Befreiung von den
entgegenstehenden Verbotstatbeständen des Naturschutz- und FFH-Gebietes für die
Freiraum- und Gartenplanung zu erteilen.
Der Naturschutzbeirat
wird um Entscheidung im Rahmen seines Widerspruchsrechtes gem. § 75 Abs. 1
LNatSchG NRW gebeten.