Beschlussvorschlag:
Der Schul-und Bildungsausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.
Sachverhalt:
1) Schulpflicht
Geflüchtete
Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der Ukraine durchlaufen nach Beschluss der
EU i. d. R. kein Asylverfahren. Sie haben ein sofortiges Aufenthaltsrecht und
können eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Aufenthaltsgesetz für zunächst ein
Jahr mit der Möglichkeit auf Verlängerung um weitere zwei Jahre erhalten. Mit
Erhalt der Aufenthaltserlaubnis werden sie einer Kommune zugewiesen und müssen
dort ihren Wohnsitz nehmen. Sobald dies erfolgt ist, besteht für die
betroffenen Kinder und Jugendliche nach § 34 (1) Schulgesetz die Schulpflicht.
In
der 12. Kalenderwoche wurden im Rhein-Kreis Neuss ca. 600-700 geflüchtete
Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter gezählt. In der 18.
Kalenderwoche waren bereits 528 Schülerinnen und Schüler der Erstförderung an
einer Schule im Rhein-Kreis Neuss zugewiesen.
2) Grundlage
Grundlage für die Beschulung der geflüchteten Schülerinnen und Schüler
ist der Erlass „Integration und Deutschförderungen neu zugewanderter Schülerinnen
und Schüler. Hiernach hat das Erlernen der deutschen Sprache Priorität, damit
die Beteiligung am Unterricht möglichst bald und umfassend erfolgen kann.
3) Schulbesuch
a) Anmeldung
an einer Schule
Die
Zuweisung eines Schulplatzes erfolgt durch die örtlichen zuständigen
staatlichen Schulämter. Vorrang bei der Schulplatzvergabe haben Schulpflichtige
gegenüber noch nicht schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen. Im Rahmen der
Zuweisung erfolgt eine Beratung der ankommenden Familien aus der Ukraine zur angemessenen
Beschulung ihrer Kinder. Diese leistet das Kommunale Integrationszentrum (KI).
Denkbar
ist auch, dass Kinder und Jugendliche direkt bei Schulleitungen vorstellig
werden ohne vorherige Beratung und Zuweisung durch die Schulaufsichtsbehörden.
In Abstimmung mit dem zuständigen Schulamt, dem Schulträger und der Schule soll
der Schulbesuch grundsätzlich auch auf diesem Weg ermöglicht werden.
Die
Schulaufsicht hat dafür Sorge zu tragen, dass eine gleichmäßige Zuweisung auf
alle Schulen im Rhein-Kreis Neuss erfolgt.
Es
erfolgt eine Abstimmung einmal wöchentlich zur Schulplatzvergabe (obere und
untere Schulaufsicht, Schulträger, Bildungsbüro, Kommunales Integrationszentrum).
b) Schuleingangsuntersuchung
Gem. § 54 (2) S.2 Nr. 1 SchulG besteht die Verpflichtung schulärztlich
untersuchen zu lassen. Im Rhein-Kreis Neuss führt das Gesundheitsamt in den
Flüchtlingsheimen die Schuleingangsuntersuchungen durch und überprüft auch den
Impfstatus.
Schulleitungen informieren das Gesundheitsamt bei Auskunft neu
zugewanderter Schülerinnen und Schüler damit die Schuleingangsuntersuchung
veranlasst wird.
c) Schulbesuch
in der Primarstufe und Sekundarstufe I
Neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler können in drei
unterschiedlichen Organisationsformen eine Deutschförderung erhalten
1)
eine
innere Differenzierung (vollständige Teilnahme am Regelunterricht)
2)
in
teilweiser äußerer Differenzierung (Besuch einer eigenen Lerngruppe und Teilnahme am Regelunterricht)
3)
in
vollständiger Differenzierung (in eigenen Lerngruppen)
Die Schule darf die Organisationsform der Differenzierung festlegen.
d) Schulbesuch
in der Sekundarstufe II: Gymnasiale Oberstufe
In der Regel verfügen die Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine
nicht über ausreichende Deutschkenntnisse um dem Unterricht folgen zu können.
Daher werden sie zunächst nicht in die Gymnasiale Oberstufe, vor allem nicht in
die Qualifikationsphase der Gesamtschulen und Gymnasien aufgenommen. Probeweise
Aufnahme bei entsprechend vorhandenem Sprach- und Lernstand sind möglich.
Viele Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe lernen im
Distanzunterricht.
Für die Schülerinnen und Schüler, die in der 11. Klasse sind, ist das
Schuljahr besonders wichtig, da in der Ukraine das Abitur nach dem 11.
Schuljahr erreicht wird. Ein guter Abschluss ist sehr wichtig, da im
Ukrainischen System nur die oberen 10 Prozent kostenfrei studieren dürfen.
Bezirksregierung unterstützt vorerst das Distanzlernen.
Der Rhein-Kreis Neuss gibt diesen Schülerinnen und Schüler die
Möglichkeit zur Nutzung der Selbstlernzentren in den Berufskollegs.
e) Schulbesuch
in der Sekundarstufe II: Berufliche Bildung
Die der Schulpflicht in der Sekundarstufe II unterliegenden
Schülerinnen und Schüler, die noch über keine deutschen Sprachkenntnisse zur
erfolgreichen Teilnahme am Unterricht in einer Regelklasse verfügen, werden am
Berufskolleg in die Internationalen Förderklassen aufgenommen. Im Rhein-Kreis
Neuss sind diese am BBZ Dormagen und Grevenbroich eingerichtet.
In der 14. Kalenderwoche wurden dort 76 Schülerinnen und Schüler
beschult.
Besondere Bestimmungen gibt es im Programm Fit für Mehr für den Unterricht für geflüchtete Jugendliche im
Alter von 16 bis 25 Jahren. Fit für Mehr
ist zum einen für noch schulpflichtige geflüchtete Jugendliche in der
Sekundarstufe II die unterjährig in den Berufskollegs aufgenommen werden,
vorgesehen und zum anderen für nicht mehr schulpflichtige Jugendliche im Alter
über 18 Jahren.
f) KI,
LASI
KI:
Kommunales Integrationszentrum
Kommunale Integrationszentren haben vorrangig den Auftrag durch
Koordinierungen, Beratungs- und Unterstützungsleistungen Einrichtungen des
Regelsystems in der Kommunen im Hinblick auf die Integration von Menschen mit
Einwanderungsgeschichte zu sensibilisieren und zu qualifizieren. Die Lehrkräfte
in den Kommunalen Integrationszentren beraten Kinder, Jugendliche und deren
Eltern, beim Seiteneinstieg, zu Bildungs- und Ausbildungswegen,
Ganztagsangeboten, außerschulische Angeboten und Übergangen.
Das Kommunale Integrationszentrum des Rhein-Kreises Neuss ist mit der
Schulaufsicht und einem Fachberater vernetzt und somit als zu favorisierende Vermittlungsstelle
von ukrainischen Kindern an die Schulen anzusehen. Das Kommunale
Integrationszentrum bietet Elternberatungen
- vor Ort in den Kommunen
- im Kreishaus Neuss
- digital
LASI:
Landesstelle schulische Integration
LASI begleitet die in den Kommunalen Integrationszentren tätigen
Lehrkräfte in Form der Vernetzung und fachlichen Unterstützung. Die
Koordinierung und Unterstützung der zugewanderten Lehrkräfte bildet eine
besondere Aufgabe.
4) Ressourcen
und Verstärkung
Um der Beschulung aller
Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine gerecht zu werden, bedarf es der
Mobilisierung aller vorhandenen Ressourcen:
a)
Das
Land NRW stellt 5.000 Integrationsstellen für Lehrkräfte, vor allen für die
Deutschförderung
b)
Der
Etat für Aushilfskräfte im Rahmen der „Integration durch Bildung“ kann bei
Bedarf verstärkt werden
c)
Die
Stellenreserve des MSB, 1.052 Stellen, wird nicht mehr zurückgehalten, sondern
zur Beschulung der geflüchteten Schülerinnen und Schüler eingesetzt.
d)
Flexible
Mittel für den Vertretungsunterricht dürfen in allen Schulformen zur Erteilung
von Vertretungsunterricht eingesetzt werden, zusätzlich können freie
Lehrerstellen herangezogen werden.
e)
Akquise
von Lehrkräften und anderen Berufsgruppen für den Schuldienst NRW
-
Werbung
bei Pensionärinnen und Pensionären, Lehrkräfte in Beurlaubung mit dem Ziel
einer vorzeitigen Rückkehr und Erhöhung der Stundenzahl bei Lehrkräften in
Teilzeit
-
Anschreiben
an Lehrkräfte der LEV Datenbank mit dem Ziel noch nicht dauerhaft Beschäftigte
für einen befristeten Einsatz zu gewinnen (www.verena.nrw.de)
-
Einsatz
von Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter mit bis zu 6 Stunden/Woche bis
Dezember 2022
-
Ansprache
von ukrainischen Lehrkräften. Die Beschäftigung ist im Rahmen bestehender
Regelungen als Lehrkräfte oder sonstiges (sozial-)pädagogisches Personal
möglich. Ein Erlass ist in Vorbereitung.
-
Bei
Bedarf Ausbau der Weiterbildungsmaßnahme „Qualifikationserweiterung Deutsch als
Zielsprache (DaZ)“ für Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen.
5) Unterstützungssysteme
und –angebote
a) Schulpsychologie
In allen 53 Kreisen bzw.
kreisfreien Städten gibt es eine schulpsychologische Beratungsstelle. Sie
bietet u. a. Hilfe im Umgang mit dem psychischen Belastungen und möglichen
Konfliktsituationen in Folge des Russland-Ukraine-Konflikts.
Der Schulpsychologische Dienst
des Rhein-Kreises Neuss unterstützt bereits seit 2016 (Einrichtung einer
landesschulpsychologischen Stelle) die schulische Integration durch Bildung (IdB),
d. h. die Schulen bei der Unterrichtung der zunächst ab 2015) zugewanderten
Schülerinnen und Schüler und hilft dabei, Schule zu einer stabilisierenden
Säule im Leben dieser Kinder und Jugendlichen zu machen.
Mit Einrichtung dieser
IdB-Stelle konnte der Schulpsychologische Dienst sein Beratungs- und
Fortbildungsangebot zum Thema „Integration: Migration/Flucht“ ausweiten und die
Zusammenarbeit mit Lehrkräften und Schulen intensivieren, was jetzt und im
kommenden Schuljahr auch der Beschulung von Kindern und Jugendlichen aus der
Ukraine zugutekommt.
Die Leiterin des
Schulpsychologischen Dienst, Frau Bellen, wird in der Sitzung diese
Beratungstätigkeiten, Kooperationsformen und schulunterstützende Maßnahmen
vorstellen.
b) Schulsozialarbeit
Für neu zugewanderte
Schülerinnen und Schüler stehen in NRW explizit 226 Stellen für
multiprofessionelle Teams, die für Soziale Arbeit an Schulen genutzt werden zur
Verfügung. Sie unterstützen die persönliche und soziale Entwicklung von Kinder
und Jugendlichen, beraten und begleiten sie und ihre Eltern.
Über die Neuausrichtung der
Schulsozialarbeit im Rhein-Kreis Neuss wurde im Schul- und Bildungsausschuss am
01.02.2022 berichtet (40/1013/XVII/2022).
c) Schulpflichtige Kinder und Jugendliche
können auch am Programm „Ankommen und
Aufholen“ teilnehmen. Im Rahmen dieses Aktionsprogramms stellen Bund und
Land finanzielle Mittel für vier Programmbausteine Extra-Geld, Extra-Personal,
Extra-Zeit und Extra-Blick zur Verfügung um die Folgen der Pandemie an den
Schulen bestmöglich aufzuarbeiten.
d) Herkunftssprachlicher
Unterricht (HSU): ein
Angebot für Schülerinnen und Schüler die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen
e) Schulnahes
Bildungsangebot in zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE)
Hier werden bereits vor ihrem
Schulzugang erste Deutschkenntnisse vermittelt.
Im Rhein-Kreis Neuss ist die ZUE im BBZ
Hammfeld voll besetzt mit geflüchteten Ukrainern. Die untere Schulaufsicht im
Rhein-Kreis Neuss führt das schulnahe Bildungsangebot fort.
6) Schulraum
Der Schulträger ist gem. § 79
SchulG NRW verpflichtet, die für einen ordnungsgemäßen Unterricht
erforderliches Gebäude (und Räume) zur Verfügung zu stellen.
Schülerinnen und Schüler mit
sonderpädagogischem Förderbedarf wurden im Rhein-Kreis Neuss noch nicht
gemeldet, lediglich Schülerinnen und Schüler für die Internationale
Förderklassen am BBZ. Daher sind die Räumlichkeiten an den kreiseigenen Schulen
ausreichend.
7) Ganztags-
und Betreuungsangebote
In gebundenen Ganztagsschulen
nehmen Schülerinnen und Schüler gemäß den Vorgaben des Erlasses teil.
In offenen Ganztagsschulen
(OGS) der Primarstufe ist eine Anmeldung der Schülerinnen und Schüler notwendig
und für 1 Jahr bindend. Die Aufnahme der Kinder kann im Rahmen der vorhandenen
Platzkapazitäten ermöglicht werden.
Bisher (Stand 19.04.2022) erfolgten an den
Förderschulen des Rhein-Kreises Neuss keine Anmeldungen von ukrainischen
Kindern.