Sachverhalt:
Vor Beratung des Satzungsentwurfes fanden
diverse Treffen der Kindertagespflegepersonen sowie Einzelgespräche statt.
Hierbei sind die Anliegen der Kindertagespflegepersonen erörtert worden. Zu
dieser Zeit hatte die Interessensgemeinschaft sich noch nicht gegründet.
Die neu gegründete Interessensgemeinschaft
Kindertagespflege Korschenbroich hat sich mit Schreiben vom 5. Juni 2023 an den
Kreistag gewandt, um ihre Interessen bezüglich der Neufassung der Satzung des
Rhein-Kreises Neuss über die Förderung von Kindern in Kindertagespflege und
Systemumstellung bei der Festsetzung der laufenden Geldleistung an die
Kindertagespflegepersonen zu bekunden. Hierzu wird wie folgt Stellung genommen:
A. Allgemeines
Die selbständige Kindertagespflege, bei der die
Tagespflegeperson selbst über den Abschluss des Betreuungsverhältnisses und die
in ihrer Einrichtung anzuwenden Pädagogik entscheidet und nicht an die
Weisungen der Personensorgeberechtigten gebunden ist, stellt nach Maßgabe von §
22 SGB III ein einer Kindertagesstätte ähnliches Angebot der Kinderbetreuung im
familiären Rahmen dar. Insoweit erbringt die Tagespflegeperson eine
unternehmerische Leistung, die es ihr erlaubt, mit der Betreuung von Kindern
Gewinne zu erzielen. Eine Erzieherausbildung ist für die Erbringung dieser
unternehmerischen Leistung nicht erforderlich.
Die Geldleistungen, die die
Kindertagespflegeperson über die Zahlung des Jugendamtes erhält, stellen nach
Maßgabe eines Schreibens des BMF vom 11.11.2016 zur „Ertragssteuerlichen Behandlung
der Kindertagespflege“ IVC6-S2246/07/100002:005-2016/0958810 eine
steuerpflichtige Einnahme aus freiberuflicher Tätigkeit dar. Dies ist der
Interessensgemeinschaft aus der jährlich für das Finanzamt zu erstellenden
Einnahme-/Ausgaberechnung auch bekannt.
Die
vom Jugendamt und dem Jugendhilfeausschuss empfohlene Neufassung der Satzung
des Rhein-Kreises Neuss über die Förderung von Kindern in Kindertagespflege und
Systemumstellung bei der Festsetzung der laufenden Geldleistung an die
Kindertagespflegepersonen erlaubt es diesem Personenkreis, nennenswerte
unternehmerische Gewinne erzielen zu können. Bei Ausschöpfung des gesetzlich
erlaubten Rahmens mit der Betreuung von maximal fünf Kindern je 39 Stunden in
der Woche können mit Inkrafttreten der neuen Satzung Erträge von monatlich
5.700,- € erzielt werden. Demgegenüber verdient eine Erzieherin in der Kita
nach dreijähriger Ausbildung und drei Jahren Berufserfahrung ca. 3.340 € brutto
monatlich, nach 19 Jahren Berufserfahrung 4.580 € brutto monatlich.
Die
Diskussion, welche Gewinne für die Leistung der Kindertagespflegeperson als
angemessen anzusehen ist, leidet immer wieder daran, dass die Möglichkeit
dieser Personengruppe, Gewinne zu erzielen, nicht erkannt werden, andererseits
diese selbständige Tätigkeit immer wieder in Beziehung zu angestellten
Erzieherinnen und Erziehern gesetzt wird, die lohnabhängig und weisungsgebunden
ihre Tätigkeit verrichten.
Unter
Berücksichtigung dieser Grundsätze werden die Einzelheiten wie folgt
beantwortet:
B.
Einzelheiten
- Kindertagespflegepersonen werden häufig
bei Entscheidungen, die ihre Arbeit betreffen, außen vorgelassen:
Fachberaterinnen stehen in regelmäßigem
Austausch mit Kindertagespflegepersonen, auch in Form von
Kindertagespflegepersonen-Treffen, bei denen die Kindertagespflegepersonen
stets aufgefordert werden, ihre Wünsche zu äußern. Vorschläge und Anregungen
werden regelmäßig in Teamsitzungen und mit der Abteilungsleitung besprochen
und, sofern als möglich und sinnvoll erachtet, umgesetzt. Letztes Kindertagespflegepersonen-Treffen
in Korschenbroich im November 2022: hier wurden die Vertreter der zukünftigen
IG aufgefordert formlos schriftlich ihre Wünsche und Anregungen für den JHA im
Februar bis 31.12.2022 einzureichen, was allerdings bislang nicht erfolgte.
- Verzicht auf die gesetzlich jährlich
vorgesehene Anpassung der Geldleistung für die Kindertagespflegepersonen:
Die Darstellung der Interessensgemeinschaft
ist nicht korrekt. Denn durch die Systemumstellung hat eine Anpassung der
Geldleistung von durchschnittlich ca. 4 % stattgefunden. Damit geht die
Anpassung über den vom Landesgesetzgeber vorgeschriebenen Wert von 3,46 %
hinaus.
- Keine
Regelung der jährlichen Anpassung in der Satzung:
Da
die Anpassung bereits landesrechtlich in § 37 Kinderbildungsgesetz (KiBiz)
geregelt ist, wurde diese aus der Satzung herausgenommen. Die
Kindertagespflegepersonen werden vom Jugendamt rechtzeitig schriftlich über die
Erhöhung informiert.
- Krankheitsregelung:
Eine
Anpassung der Krankentage auf 21 Tage steht im Widerspruch zur
unternehmerischen Status der Kindestagespflegeperson, stellt diese systemwidrig
mit Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer gleich und wäre darüber hinaus mit
erheblichen Mehrkosten verbunden, die nicht durch die Beiträge der Eltern
gedeckt sind. Bei einem durchschnittlichen Ausfall von 11 Tagen pro
Kindertagespflegeperson pro Jahr beliefe sich die Geldleistung, die in diesem
Fall nicht an das Jugendamt zurückerstattet werden könnte, auf ca. 130.000 €.
Zudem fallen Mehrkosten von ca. 150.000 € an, da pro Kommune eine weitere
Vertretungskraft sowie eine Vertretungskraft für die Großtagespflegestellen
vorgehalten werden müsste, um dem gesetzlichen Vertretungsanspruch zu erfüllen.
Ungeachtet
des unternehmerischen Risikos der Krankheit ist festzustellen, dass bereits
heute der Rhein-Kreis Neuss die Kindertagespflegepersonen unterstützt, das
unternehmerische Risiko der Krankheit zu tragen. Hierzu gehört:
·
Absicherung
der Erträge in der ersten Woche der Krankheit durch das Jugendamt gemäß der
Neufassung der Satzung ab dem 01.08.2023;
·
Sicherung
der Stellung von Ersatzkräften ohne Zusatzkosten für die von der Krankheit betroffenen Kindertagespflegeperson;
·
Beteiligung
an den Kosten der gesetzlichen Krankenkasse zu 50%;
·
Beteiligung
an den Kosten der gesetzlichen Rentenversicherung zu 50%;
·
Beteiligung
an der privaten Zusatzversicherung zur Absicherung des Krankheitsrisikos ab der
vierten Woche zu 50%;
- Rückzahlung
der Geldleistungen:
Die
Berechnungsgrundlage wurde in der vorgeschlagenen Satzung neu geregelt, so dass
zukünftig eine tag- und im Förderantrag festgelegte stundengenaue Abrechnung
für jedes einzelne Kind erfolgt. Somit ist dieser Punkt abgearbeitet.
- Kindertagespflegepersonen
können keine Rücklagen bilden:
Entgegen
der Darstellung der Interessengemeinschaft erzielen Kindertages- pflegepersonen
Erträge, die es ermöglichen, eine Rücklage zu bilden. Bei Anwendung einer
kaufmännischen Buchführung können diese auch bilanziell erfasst werden.
- Regelung
zur Erstattung der Elternbeiträge:
Es
wird kritisiert, dass die Eltern keine Erstattung der Elternbeiträge (gem.
neuer Satzung) erhalten, obwohl die Geldleistung an die Kindertagespflegeperson
eingestellt wird bzw. diese zurückgezahlt werden muss.
Bei
dieser Darstellung wird verkannt, dass Elternbeiträge keine Gebühr in der Form
einer Leistung für eine Gegenleistung darstellen, sondern diese sich an den
Kosten der Kindertagespflege selbst bei Zahlung des Höchstbeitrages lediglich
beteiligen. Insoweit wird auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in der
Zeit des Kitastreiks im Jahr 2020 verwiesen.
- Vergleich
mit anderen Kommunen:
Soweit
ein Vergleich mit anderen Kommunen durchgeführt wird, empfiehlt es sich, nicht
auf die einzelne Leistung zu schauen, sondern eine Gesamtbetrachtung
durchzuführen. Hierbei ist festzustellen, dass der Rhein-Kreis Neuss den
Kindertagespflegepersonen die höchsten Erträge in der Kreisgemeinschaft
sichert, auch gerade, um Rücklagen für Sondersituationen zu ermöglichen.
- Sitz und Stimme in den
Jugendhilfeausschuss:
Dieses Anliegen wird nach Rücksprache mit
dem Vorsitzenden im nächsten Jugendhilfeausschuss unter Beachtung der
Bestimmungen im SGB VIII, dem Ausführungsgesetz zum KJHG NW und der Satzung des
Jugendamtes des Rhein-Kreis Neuss beraten.
C. Ergebnis
Die Verwaltung empfiehlt, im Interesse der
Kindertagespflegepersonen, der einstimmigen Beschlussempfehlung des
Jugendhilfeausschusses zu folgen.