Betreff
Gemeinwohlorientierte Haushalt
Vorlage
20/3283/XVII/2023
Art
Beschlussvorlage

Beschlussempfehlung:

Der Ansatz zur Erstellung einer Gemeinwohlbilanzierung wird nicht weiter verfolgt.

 


Sachverhalt:

 

Gemeinwohlbilanz

Der Finanzausschuss beauftragte in seiner Sitzung am 15.03.2022 die Verwaltung, sich über das Konzept der Gemeinwohlbilanz zu informieren und darüber zu berichten.

Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist eine 2010 in Österreich entstandene Reformbewegung, welche das Wirtschaften einer Verwaltung auf ein näher zu definierendes Gemeinwohl ausrichten möchte. Nach dieser Idee soll u.a. der kommunale Haushalt Kriterien wie Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Demokratie, Mitbestimmung und Transparenz abbilden und messbar machen.

Die erste Gemeinwohl-Region Deutschlands liegt mit den Kommunen Steinheim, Brake und Willebadessen sowie zehn Unternehmen im Kreis Höxter. Das Projekt lief von Januar 2019 bis April 2021 und endete mit einer Zertifizierung und einer Gemeinwohlbilanzierung der Kommunen und Unternehmen. Unterstützung erhielten die Kommunen über das LEADER-Projekt der Stiftung Gemeinwohlökonomie NRW. Die Bewertung in der Gemeinwohlbilanzierung erfolgt durch detaillierte Selbsteinschätzung, welche durch einen Auditor auf Plausibilität überprüft wurde.

Zu den bisher gemachten Erfahrungen der Kommunen:

 

Stadt Brakel:

Die Rezertifizierung müsste erfolgen. Im Zeitraum von Ende 2020 bis Mitte 2023 sind jedoch keine signifikanten Ergebnisse erarbeitet worden. Aufgrund der Tatsache, dass der Handlungsspielraum durch rechtliche Vorgaben eher gering ist, wird es eine weitere Rezertifizierung nicht geben. Der potentielle Mehrnutzen rechtfertig aus Sicht der Stadt Brakel den Einsatz der Ressourcen nicht.

Eine Steuerungsrelevanz ist kaum gegeben. Der personelle Aufwand war und ist hoch. Ohne externe Begleitung ist eine Gemeinwohlbilanzierung nicht möglich.

 

Stadt Willebadessen:

Das Thema wurde zunächst strittig diskutiert. Die Erstellung der ersten Gemeinwohlbilanzierung hat neben monetären Ausgaben auch einen erheblichen Personaleinsatz gefordert. Die Mitnahme und Motivation der Mitarbeitenden war dabei eine große Herausforderung. Auch die Stadt Willebadessen wird eine Rezertifizierung nicht durchführen. Man habe durch den ersten Bericht eine Standortbestimmung erhalten und die Aspekte im Sinne einer Gemeinwohlökonomie, die man bereits erfüllt, sichtbar gemacht.

 

 

Stadt Steinheim:

Die Stadt Steinheim war die erste Kommunalverwaltung, die eine Gemeinwohlbilanzierung erstellt hat und beabsichtigt auch eine dauerhafte Rezertifizierung. Die derzeitige Rezertifizierung ist allerdings ein ¾ Jahr im Verzug, da der Prozess viele Ressourcen bindet. Eine Erstellung ohne externe Hilfe wird als ausgeschlossen bewertet.

Die Fokussierung auf die Gemeinwohlökonomie bindet tendenziell mehr finanzielle Ressourcen. Ferner bewegt man sich insbesondere bei Vergaben in rechtlichen Grauzonen. Eine Anpassung der rechtlichen Vorgaben mit Berücksichtigung von Gemeinwohlwerten müsste erfolgen.

 

In den Kommunalverwaltungen werden viele Aspekte der Gemeinwohlbilanzierung bereits systemimmanent beachtet. Durch rechtliche Vorgaben wie das Tariftreue- und Vergabegesetz, Landesgleichstellungsgesetz, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, TVöD sowie eine Vielzahl an ökologischen Zertifizierungen (Blauer Engel, Fair Trade Kommune …), werden bereits eine Vielzahl an Gemeinwohlaspekten berücksichtigt. Auch die Klimaschutzmanagerin des Rhein-Kreis Neuss trägt viele der angesprochenen Aspekte in ihrem Reporting zusammen.

Ebenfalls werden der Gemeinwohlökonomie auch Grenzen durch rechtliche Vorgaben gesteckt. Das Vergaberecht definiert das wirtschaftlichste Angebot in der Regel unter monetären Kriterien. Die Haushaltsführung der Kommunen muss sparsam und wirtschaftlich sein.

Daher bewegt man sich derzeit oftmals in einer rechtlichen Grauzone, da es bei strikter Anwendung der Gemeinwohlökonomie zur Zielkonflikten zwischen den rechtlichen Vorgaben und der Erfüllung der Gemeinwohlwerte kommt.

Die Erstellung einer Gemeinwohlbilanzierung fordert einen hohen Ressourceneinsatz und lässt sich ohne externe Unterstützung nicht nebenher bewältigen. Eine Sensibilisierung, das Verwaltungshandeln verstärkt an Gemeinwohlwerten, insbesondere der ökologischen Nachhaltigkeit, zu orientieren, erfolgt bereits durch die Beschäftigung mit der Thematik.

Nach den in den anderen Kommunen gemachten Erfahrungen scheint das Konzept aus Sicht der Verwaltung nicht geeignet zu sein. Es bindet viele Ressourcen ohne das ein messbarer Mehrwert erkennbar ist. Die Projekte sind in den untersuchten Kommunen nicht über den ersten Anlauf hinausgekommen, eine Verstetigung findet bewusst nicht statt. Der Haushalt ist als entsprechendes Steuerungsinstrument nicht geeignet.