Betreff
Abschlussbericht zum Projekt REACT-SOE „Arbeitsmarktintegration von zugewanderten Menschen aus Südosteuropa, Mittel- und Osteuropa“
Vorlage
50/3493/XVII/2023
Art
Bericht

Sachverhalt:

Das Projekt „Unterstützung der Arbeitsmarktintegration von zugewanderten Menschen insbesondere aus Südosteuropa, Mittel- und Osteuropa“, kurz „REACT SOE“, des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW) wurde vom Kommunalen Integrationszentrum des Rhein-Kreises Neuss koordiniert und umgesetzt. Das Projekt war auf ein Jahr befristet und wurde aus Mitteln des Landes und des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Am 15.03.2022 wurde der Antrag auf die REACT SOE-Förderung eingereicht. Aufgrund der Genehmigung eines vorzeitigen Maßnahmenbeginns konnte das Projekt am 01.04.2022 starten, obwohl der Rhein-Kreis Neuss den Zuwendungsbescheid zur REACT SOE-Förderung nach langer Bearbeitungsdauer erst am 21.02.2023 erhalten hat. Die Förderung umfasste für den gesamten Durchführungszeitraum eine Personalstelle im Umfang von 1,0 VZÄ.

 

Im Jahr 2022 wurde die Maßnahme durchgehend mit jeweils einer 0,5 VZÄ-Stelle durch die AWO Bezirksverband Niederrhein e. V. gemeinsam mit der AWO Rhein-Kreis Neuss e. V. (Start 25.04.2022) in enger und erfolgreicher Kooperation mit der Diakonie Rhein-Kreis Neuss e. V. (Start 01.04.2022) an den Standorten Neuss, Grevenbroich und Dormagen umgesetzt. Im Jahr 2023 wurde die Maßnahme mit der 0,5 VZÄ-Stelle beim AWO Bezirksverband Niederrhein e. V. bis zum 31.03.2023 fortgesetzt. Dabei wurde die Beratungsarbeit wie folgt aufgeteilt: Diakonie und AWO bedienten mit einer Beratungsstelle gemeinsam einen Standort in der Stadt Neuss, die Diakonie bot zusätzlich eine Beratungsstelle in Dormagen an und die AWO eine weitere Beratungsstelle in Grevenbroich. Beide Verbände verfügten bereits über notwendige Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Arbeit mit der Zielgruppe und über entsprechende Beratungsstrukturen unter anderem in Dormagen, Grevenbroich und Neuss.

 

Ziel der Förderung im Rhein-Kreis Neuss war es, eine niederschwellige, kultursensible und multiprofessionelle Anlaufstelle einzurichten, um die Arbeitsmarktintegration von Eingewanderten aus Südost-, Mittel und Osteuropa, insbesondere aus Rumänien und Bulgarien, im Rhein Kreis Neuss zu fördern und den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Zielgruppe entgegenwirken zu können. Ziel der Beratungs- und Begleitungsarbeit sollte sein, Vertrauen zur Zielgruppe aufzubauen und diese in allen arbeitsmarktspezifischen Fragen, einschließlich der Aufklärung und Sensibilisierung zu ausbeuterischen Praktiken, sowie flankierenden Lebensbereichen, wie Qualifizierung und Kompetenzfeststellung, Wohnen, Sprache, Gesundheit, Sprachmittlung oder anderen einzelfallbezogenen Themen zu beraten und zu begleiten. Ergänzend dazu sollte das Angebot auch eine aufsuchende Sozialarbeit umfassen, um den Zugang zur Zielgruppe zu erhalten, die oft schwer zu erreichen ist. Des Weiteren sollte die interkommunale Zusammenarbeit intensiviert und die notwendige, am individuellen Bedarf der Zielgruppe ausgerichtete, Beratungsarbeit ausgebaut werden.

 

Die Umsetzung des Projektes wurde auf die im Rhein-Kreis Neuss lebende Personengruppe aus Südosteuropa, Mittel- und Osteuropa (SOE) ausgelegt. Dazu gehörten insbesondere eingewanderte Menschen aus Bulgarien (vor allem türkischstämmige Bulgarinnen und Bulgaren), Ungarn, Rumänien, Polen, Serbien, Nordmazedonien und dem Kosovo. Aufgrund einer zwischenzeitlichen entsprechenden Erweiterung und Öffnung des Förderprogramms durch das MAGS umfasste die Zielgruppe auch einen hohen Anteil an Ratsuchenden aus der Ukraine. Zu den weiteren Netzwerkpartnern gehörten Jugendeinrichtungen, Schulsozialarbeiter und Streetworker. Die Beratung konnte in acht Sprachen erfolgen.

 

Das Beratungsangebot wurde an allen Beratungsstandorten intensiv von den umsetzenden Trägern beworben, um ein erstes Netzwerk aufzubauen und die Zielgruppe zu erreichen.

So wurde zu den verschiedensten Institutionen, Organisationen und Einrichtungen Kontakt aufgenommen. Hierzu zählten z. B. Migrationsberatungsstellen, Flüchtlingsberatungsstellen, Schuldnerberatungsstellen, Beratungsstelle Arbeit der Diakonie, Caritas und Jugendmigrationsdienste, Behörden wie das Sozialamt, Agentur für Arbeit, Jobcenter, Kommunales Integrationszentrum, Integrationsämter der Städte Neuss und Dormagen, das Bürgeramt in Neuss aber auch weitere Akteure wie die AWO, das Willy Könen Bildungswerk in Grevenbroich und Neuss (BAMF Sprachkursträger), Beratungs- und Begegnungszentren des AWO Ortsvereins Neuss (u. a. das AWO Café Miteinander Neuss und der AWO Further Hof Neuss), das Familienbüro Grevenbroich, Grundschulen in Grevenbroich, das Technologiezentrum Glehn, das Ukraine Café Grevenbroich-Südstadt, der Interkulturelle Frauentreff in Grevenbroich, das Vernetzungstreffen Grevenbroich „Netzwerk für Geflüchtetenhilfe“ des Deutschen Roten Kreuzes Grevenbroich und weitere.

 

In Bezug auf die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit wurde neben der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter eng mit Partnern und Projekten, wie der IHK-Ausbildung, dem IHK-Projekt „Valikom Transfer“ oder der St. Augustinus Gruppe gearbeitet.

 

Um die Zielgruppe zu erreichen, wurde das Projekt zusätzlich auf der Jobmesse Neuss, die vom Jobcenter Rhein-Kreis Neuss in Kooperation mit dem Weiterbildungsverband Mittlerer Niederrhein organisiert wurde, dem Fest der Kulturen in Neuss am 24.09.2022, dem Erlebnismarkt / der Jobmesse in Grevenbroich am 25.09.2022 und dem Stadtfest Grevenbroich „Sport verbindet“ am 27.08.2022 einem breiten Kreis an Interessierten bekannt gemacht.

 

Um das Projekt bestmöglich bewerben zu können, wurde ein gemeinsamer Flyer entwickelt, der in den genannten Netzwerken verteilt wurde. Ebenso wurden die Flyer in den Sozialräumen der potentiellen Zielgruppe verteilt oder die Zielgruppe wurde in den bekannten Wohnquartieren angesprochen. Darüber hinaus wurde eine Pressemitteilung zum Projekt veröffentlicht und mit einem Artikel im Newsletter des Kommunalen Integrationszentrums auf das Angebot aufmerksam gemacht.   

 

Durch die starke Zunahme an ukrainischen Flüchtlingen haben sich in den Städten Neuss und Dormagen Netzwerke, wie der „Runde Tisch Ukraine“ entwickelt, an denen verschiedene Vereine und Institutionen, Ämter und Ehrenamtliche vertreten waren, um das Beratungs- und Hilfsangebot für ukrainische Flüchtlinge zu koordinieren. An diesen Vernetzungstreffen waren die Projektmitarbeitenden ebenfalls vertreten.

 

In dem Durchführungszeitraum wurden von den beiden Trägern insgesamt 161 Personen aus den folgenden Ländern beraten: Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Nordmazedonien, Serbien, Ukraine, Polen und Kroatien. Von diesen Personen konnten 18 erfolgreich in Ausbildung und Arbeit vermittelt werden, 93 Personen konnten in weitere Qualifizierungsangebote, wie Integrationskurse oder Sprachkurse vermittelt werden und mit weiteren vier Personen wurde eine Kompetenzfeststellung durchgeführt. Die Ratsuchenden wurden je nach Bedarfslage beraten. Der Unterstützungsbedarf lag vorwiegend in den Bereichen arbeitsmarktspezifischer (einschließlich ausbeuterischer Praktiken) oder sozialrechtlicher Fragen, der beruflichen Entwicklung, migrationsspezifischen Fragen und der Sprachförderung. Darüber hinaus wurden die Teilnehmenden in weiteren Lebensbereichen, wie Qualifizierung, Wohnen, Sprache oder anderen einzelfallbezogenen Themen beraten und bei der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt begleitet.

 

Die meisten Ratsuchenden waren motiviert, in den deutschen Arbeitsmarkt integriert zu werden und wurden folglich bei Anträgen auf Anerkennung von Berufsabschlüssen sowie bei der Berufswahl und Erstellung von Bewerbungsunterlagen unterstützt.

 

Im Laufe der Beratungsarbeit, der intensiven Netzwerkarbeit und mit dem Aufbau von Vertrauen zeigte sich, dass mehr und mehr Personen von einer Komm-Struktur angesprochen wurden. Ratsuchende haben das Projekt und die Beratung innerhalb der eigenen Peer-Group weiterempfohlen, was erheblich zu einem besseren Verständnis der Beratungsarbeit und zu einer Akzeptanz bei der Zielgruppe führte. Dies hatte zu Folge, dass zum Ende des Projektes immer mehr Beratungsanfragen vorlagen.

 

Insgesamt konnte im Durchführungszeitraum das Beratungsangebot sehr gut etabliert und ein wichtiger Zugang zur Zielgruppe erreicht werden. Dabei zeigte sich jedoch, dass der Aufbau des Vertrauens insbesondere zur Zielgruppe der Rumänen und Bulgaren schwierig war. So konnte zwar ein Zugang zur Zielgruppe über die intensive Netzwerkarbeit erreicht werden, der Aufbau des Vertrauens bei der Zielgruppe benötigte jedoch deutlich mehr Zeit. Durch schlechte Erfahrungen oder mangelhafte Kenntnisse der Strukturen bzw. der Gesetze in Deutschland, aber auch durch fehlende Strukturen einer Migrantenselbstorganisation vor Ort, war die Zielgruppe anfangs sehr misstrauisch.

Ebenso zeigte sich, dass ein Teil der Zielgruppe schwer Hilfsangebote annehmen konnte und die eigene Wahrnehmung oft nicht mit der Lebenswirklichkeit übereinstimmte. Falsche Erwartungen der Ratsuchenden an die Beratung standen möglichen Lösungsansätzen im Wege, insbesondere was die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen oder Qualifizierungen betrifft. So konnten z. B. die hohen Erwartungen ukrainischer Geflüchteter an eine schnelle Vermittlung in Beschäftigung nicht erfüllt werden, da aufgrund ihres kurzen Aufenthalts in Deutschland und der geringen Deutschkenntnisse keine befriedigenden Jobangebote gemacht werden konnten.

 

Vielen Projektteilnehmenden mit problematischen Wohnbedingungen, wie dem Mangel an Privatsphäre in den städtischen Unterkünften und einem erschwerten Zugang zum privaten Wohnungsmarkt, konnte aufgrund des mangelnden Angebotes von verfügbarem Wohnraum wenig bis keine Hilfe angeboten werden. Dadurch waren die Ressourcen zur Selbstbefähigung der Teilnehmenden eingeschränkt.

 

Über die gesamte Laufzeit zeigte sich eine sehr gute und effiziente Zusammenarbeit der umsetzenden Träger untereinander aber auch in der Zusammenarbeit mit dem Kommunalen Integrationszentrum. Durch regelmäßige gemeinsame Sitzungen konnten Fragen und Absprachen direkt thematisiert werden.

Im Laufe der Durchführung des Projektes zeigte sich, dass die spezifische Zielgruppe einen sehr hohen Beratungsbedarf aufweist, gleichzeitig jedoch ein Mangel an spezialisierten Anlaufstellen besteht. Daher konnte trotz des lobenswerten Projektcharakters aufgrund der kurzen Laufzeit oftmals nur ein kurzzeitiger Mehrwert für die Zielgruppe erreicht werden.

Allerdings konnten mit dem Auslaufen des Projektes einige der Beratenen in die Strukturen des Kommunalen Integrationsmanagements (KIM) überführt werden oder es wurden weitere Anlaufstellen benannt.