Betreff
Bildungs-und Teilhabepaket für Kinder im Sozialhilfebezug
Vorlage
50/0970/XV/2011
Art
Bericht

Beschlussvorschlag:

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss nimmt den Bericht zur Kenntnis.


Inhalt:

Ausführungen zum Bildungs- und Teilhabepaket für den Sozial- und Gesundheitsausschuss am 10.02.2011

Das Bundeskabinett hat in der Sitzung vom 20. Oktober 2010 den Gesetzentwurf zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB II bzw. SGB XII) beschlossen. In Anknüpfung an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) regelt der Entwurf, für welche Bedarfe Leistungen für Bildung und Teilhabe erbracht werden, um das menschenwürdige Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen sowie von Schülerinnen und Schülern im Bereich der gesellschaftlichen Teilhabe und Bildungsteilhabe sicherzustellen.

 

Die originäre Zuständigkeit für eine Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes wurde auf den Bund übertragen, wobei die kommunalen Träger sich freiwillig hätten beauftragen lassen können. Eine Beauftragung hätte zur Folge gehabt, dass nicht mehr der Bund, sondern die Kommunen für die entsprechende Umsetzung eigenverantwortlich zuständig gewesen wären. Auf Grund einer fehlenden Ermächtigung im Ausführungsgesetz zum SGB II für das Land NRW (Kommune darf nicht Bundesleistungen delegieren) hätte dies im Falle einer Beauftragung zur Folge gehabt, dass der Kreis für die Umsetzung alleine verantwortlich gewesen wäre, eine Heranziehung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden wäre nicht möglich gewesen.

 

Der Deutsche Bundestag hat das Regelbedarfsermittlungs- und Änderungsgesetz am 03.12.2010 in zweiter und dritter Lesung beschlossen. Der Bundesrat hat jedoch in seiner Sitzung am 17.12.2010 diesem Gesetz die Zustimmung verweigert.

Das Bundeskabinett hat daraufhin einen Vorratsbeschluss zur sofortigen Einberufung des Vermittlungsausschusses gefasst, der noch am gleichen Tag zu seiner ersten Sitzung zusammengekommen ist. Im Vermittlungsverfahren sind eine hochrangige Arbeitsgruppe sowie drei Unterarbeitsgruppen zu den Regelsätzen, zum Bildungs- und Teilhabepaket und zum Mindestlohn eingerichtet worden. Den Verhandlungen zum Bildungs- und Teilhabepaket kommt die größte Bedeutung zu. Dies zeigt sich auch daran, dass die hierzu eingerichtete Unterarbeitsgruppe seitens der Bundesregierung von Bundesministerin Dr. von der Leyen selbst geleitet wird.

 

Das Bildungs- und Teilhabepaket soll folgende Leistungen beinhalten:

 

·         Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen; letzteres wird bereits übernommen

·         Schulbedarfspakete pro Kind und Schuljahr in Jahreshöhe von 100,00 Euro, welche bereits jetzt schon zum Leistungsspektrum des SGB II und SGB XII gehören

·         Schulbeförderungskosten

·         angemessene Lernförderung

·         Mittagsverpflegung

·         Bedarfe zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10 Euro monatlich für Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und die Teilnahme an Freizeiten

 

Je nach Bedarf sollen o.g. Leistungen entweder als Geldleistungen bzw. als Gutscheine oder im Rahmen einer Direktabrechnung mit dem Leistungsanbieter erbracht werden.

Seitens der Bundesagentur für Arbeit wurde ursprünglich festgehalten, dass insgesamt 66,00 Euro an Verwaltungsaufwendungen pro Jahr und je Kind unter 18 Jahren in einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II im Jahresdurchschnittsbestand des Vorjahres an Verwaltungsaufwendungen anfielen. Im Rahmen einer Beauftragung wäre hierbei der hälftige Betrag in Höhe von 33,00 Euro dem Kreis zugestanden gewesen.

 

Berechtigte des Bildungs- und Teilhabepaketes sollen Empfänger von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII sowie Empfänger des Kindergeldzuschlages sein. In den Unterarbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses wird darüber hinaus zum einen eine Einbeziehung von Kindern im Wohngeldbezug in den anspruchsberechtigten Personenkreis diskutiert sowie die entsprechende Administrierung (Wohngeldstellen oder eine andere Stelle). Nach Informationen des Deutschen Landkreistages wurde zwar eine Einigung dahingehend erzielt, dass der Personkreis um die Wohngeldempfänger erweitert wird, jedoch nicht, wer für diesen Personenkreis zuständig sein soll.

 

Daneben werden als Ergänzung zum Bildungs- und Teilhabepaket aus dem Oppositionslager vom Bund finanzierte Schulsozialarbeiter an jeder Schule gefordert. Allerdings sind noch keine Überlegungen zur konkreten Ausgestaltung bekannt. Finanziell bewegt sich die Forderung bei ca. 2,5 Mrd. € (ca. 42.000 Schulen x ca. 60 T€ Personalvollkosten für 1 Sozialarbeiter/Jahr).

 

Weiterhin zeichnet sich nach Informationen des Deutschen Landkreistages ab, dass das Bildungs- und Teilhabepaket durch eine entsprechende Einbettung im § 6 SGB II kommunalisiert (Zuständigkeit bei den Kreisen und kreisfreien Städten) werden soll. Ein Beauftragungsweg soll damit ausscheiden. Derzeit ist jedoch nicht abschätzbar, wie eine Kommunalisierung erfolgen soll. Denkbar sind grundsätzlich 2 Modelle, die auch im Vermittlungsschuss erwogen werden sollen.

 

  1. Der Gesetzgeber belässt es bei der Zuweisung im § 6 SGB II, so dass gemäß § 44b SGB II kraft Gesetzes auch diese Aufgabe auf das Jobcenter übertragen wird. Damit würde weiterhin das Jobcenter als gemeinsame Einrichtung das Bildungs- und Teilhabepaket administrativ durchführen (Bewilligung, Abrechnung etc.). Der Rhein-Kreis Neuss als hierfür verantwortlicher Träger wäre wiederum für die Umsetzung verantwortlich (Erarbeitung von Richtlinien, Abschluss von Zielvereinbarungen mit Leistungsanbietern etc.)
  2. Der Gesetzgeber schließt im § 44b SGB II das Bildungs- und Teilhabepaket von der Aufgabenübertragung auf das Jobcenter aus. Damit wäre der Rhein-Kreis Neuss als hierfür verantwortlicher Träger nicht nur für die Umsetzung verantwortlich (Erarbeitung von Richtlinien, Abschluss von Zielvereinbarungen mit Leistungsanbietern etc.), er müsste auch das Bildungs- und Teilhabepaket administrativ durchführen (Bewilligung, Abrechnung etc.), dies jedoch außerhalb des Jobcenters. Behördliche Strukturen wären aufzubauen oder bestehende wären zu ergänzen.

 

 

Das aktuelle Regelbedarfsermittlungs- und Änderungsgesetz veranschlagt für das Bildungs- und Teilhabepaket durchschnittlich 600 Mio. € Leistungsausgaben (eher mehr, da Mittagessen und Lernförderung wohl zu gering veranschlagt sind) zzgl. min. 135 Mio. € Verwaltungskosten. Beides erhöht sich, wenn eine Einbeziehung der Wohngeldkinder tatsächlich erfolgt. Der Bund hätte diese Mehraufwendungen auf der kommunalen Seite zu kompensieren. Dies wird entweder über die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft erfolgen oder im Rahmen einer Anpassung der Erstattung des Verwaltungskostenaufwands der kommunalen Träger durch eine Erhöhung des Verwaltungskostenanteils des Bundes.

 

Für den Rhein-Kreis Neuss können gegenwärtig für die Grundsicherung für Arbeitsuchende nur die Leistungsausgaben des Teilhabepaketes geschätzt werden. Im Bereich des SGB II sind rund 10.000 Personen leistungsberechtigt, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Stand: ARGE Report Dezember 2010). Bei einem Höchstbetrag von 10 € pro Monat (120 € im Jahr) entstünden hierdurch jährliche Ausgaben in Höhe von 1,2 Mio. Euro. Die Ausgaben für das Bildungspaket (Mittagsverpflegung, Lernförderung, eintägige Schulausflüge und Schulbeförderungskosten) können für den Rhein-Kreis Neuss nicht quantifiziert werden, da der individuelle Leistungsanspruch hierauf in der Höhe nicht begrenzt werden soll.

 

Der Rhein-Kreis Neuss und die  kreisangehörigen Kommunen haben bereits eine Markterkundung der Leistungsanbieter (Transparenzgewinnung über Angebote und Anbieterstrukturen von Teilhabe- und Bildungsleistungen in den entsprechenden Bereichen) in ihren Zuständigkeitsgebieten vorgenommen. Die zurzeit möglichen Vorbereitungsmaßnahmen sind damit abgeschlossen und eine Markttransparenz für den Fall der Umsetzung  gewährleistet. Die aktuell bestehende Zusammenarbeit mit dem Jobcenter Rhein-Kreis Neuss sowie mit dem Rhein-Kreis Neuss bzgl. des Bildungs- und Teilhabepaketes wird je nach Ausgangslage des Gesetzgebungsverfahrens sowohl dem Jobcenter Rhein-Kreis Neuss als auch dem Rhein-Kreis Neuss ermöglichen, zeitnah und vorbereitet eine entsprechende Umsetzung in die Wege zu leiten.

 

Die weitere Entwicklung wird im nächsten Sozial- und Gesundheitsausschuss dargestellt.