Beschlussempfehlung:
Der Naturschutzbeirat erhebt keinen Widerspruch gegen die Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. § 75 Abs. 1 LNatSchG NRW für Abbruch und Neuerrichtung des Einfamilienwohnhauses sowie die Anlage der Muldenversickerung nach der vorgelegten Planung.
Sachverhalt:
Das auf dem Grundstück Olympiasiegerstraße 4 in Neuss-Holzheim befindliche Einfamilienwohnhaus soll abgebrochen und durch ein gleichartiges Wohngebäude an gleicher Stelle ersetzt werden. Die Entwässerung soll über eine Muldenversickerung im Gartenbereich vorgenommen werden.
Nach Durchführung der Baumaßnahme verringert sich der Anteil der versiegelten Flächen von ca. 202 m² (Altbestand inklusive Zuwegungen, Hofflächen etc.) auf 160,46 m² (Neubau inklusive Terrasse, Stellplatz und Zuwegung). Durch die Neubebauung werden keine zusätzlichen Flächen versiegelt. Der zusätzlich entsiegelte Flächenanteil von ca. 41 m² wird den Garten- und Grünflächen zugeschlagen. Da die geplante Bebauung inklusive der versiegelten Flächen sich im Bereich der vorhandenen Bebauung befindet, erfolgt planmäßig kein Eingriff in den Baum- und Gehölzbestand.
Die Errichtung der Versickerungsmulde erfolgt im Bereich der Grünflächen des rückwärtigen Gartenlandes. Baumfällungen und Gehölzrodungen sind hierfür planmäßig nicht erforderlich. Die Muldenoberflächen werden nach der Herstellung begrünt.
Das Bauvorhaben liegt im baulichen Außenbereich i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB sowie im Geltungsbereich des Landschaftsplanes I – Neuss – des Rhein-Kreises Neuss.
Der
Landschaftsplan I setzt für diesen Bereich das Landschaftsschutzgebiet „Erftaue mit Niederungstal und
Gillbachniederung“ (Ordnungs-Nr. 6.2.2.7) fest.
Die
Schutzfestsetzung als Landschaftsschutzgebiet erfolgte insbesondere
·
wegen seiner
botanischen, ornithologischen, kulturhistorischen und zoologischen Bedeutung,
·
als prägendes
Landschaftselement,
·
wegen seiner
Refugialfunktion für an Fließgewässer gebundene Organismen,
·
wegen seiner
Bedeutung für die Erholung und
·
wegen seiner
hohen Grenzlinienwirkung in der ansonsten baum- und strauchlosen
Agrarlandschaft.
Der
Landschaftsplan I stellt hier das Entwicklungsziel 1 – Erhaltung einer mit
natürlichen Landschaftselementen reich oder vielfältig ausgestatteten
Landschaft – dar.
Gemäß § 26 Abs. 2 BNatSchG sind
nach Maßgabe näherer Bestimmungen im Landschaftsplan alle Handlungen verboten, die den Charakter des
Gebietes verändern können oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen. Nach
den Festsetzungen des LP I (Ordnungs-Nr. 6.2.2) ist im Landschaftsschutzgebiet
u.a. insbesondere verboten:
·
bauliche
Anlagen im Sinne der Bauordnung für das Land NRW zu errichten, auch wenn sie
keiner Baugenehmigung oder Bauanzeige bedürfen, sowie die Außenseite
bestehender baulicher Anlagen zu ändern (Verbot Buchstabe a),
·
Aufschüttungen
oder Abgrabungen vorzunehmen oder die Bodengestalt auf andere Weise zu
verändern (Verbot Buchstabe h) und
·
ober- oder
unterirdische Versorgungsleitungen (Frei- oder Rohrleitungen) anzulegen oder zu
ändern (Verbot Buchstabe i).
Die Neuerrichtung des Einfamilienwohnhauses als bauliche Anlage i.S.d. § 2 Abs. 1 BauO NRW sowie die Anlage der Muldenversickerung unter Veränderung der Bodengestalt (inklusive Verlegung eines Entwässerungsrohres und Errichtung eines Kontroll- bzw. Filterschachtes) verstoßen gegen die o.g. Verbotstatbestände.
Gemäß § 67 Abs. 1 BNatSchG i. V. m. § 75 Abs. 1 LNatSchG NRW kann von Verboten des Landschaftsplanes auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn
1. dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2. die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichungen mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar sind.
In Bezug auf
den Abbruch mit anschließender Neuerrichtung des Einfamilienwohnhauses würde
die Versagung der Befreiung von den o.g. Verbotstatbeständen zu einer
unzumutbaren Belastung für den Antragsteller führen. Infolge des Abrisses des
Altbaus und Neuerrichtung eines gleichartigen Einfamilienwohnhauses an dieser
Stelle ergeben sich im Ergebnis eine Reduktion des versiegelten Flächenanteils
und eine geringere Inanspruchnahme des Landschaftsschutzgebietes im Vergleich
zum Status quo. Die Abweichung von den Verbotstatbeständen des
Landschaftsschutzgebietes ist insofern mit den Belangen von Naturschutz und
Landschaftspflege vereinbar. Vor dem Hintergrund der ökologischen Verbesserung
der Ausgangslage wäre eine Versagung der Befreiung nicht zumutbar.
Die
Errichtung der Versickerungsmulde dient der Entwässerung des auf dem Grundstück
anfallenden Niederschlagswassers. Die Versickerung des Niederschlagswassers vor
Ort leistet einen Teilbeitrag für die Grundwasserneubildung, die bei Einleitung
in das Abwasser- und Kanalnetz nicht gewährleistet wäre. Diese liegt im
öffentlichen Interesse. Der mit der Errichtung der Versickerungsmulde
einhergehende Eingriff ist gering und kann entsprechend kompensiert werden. Die
Fläche für die Muldenversickerung wird im Anschluss wieder begrünt. An der
Böschungsoberkante werden zwei solitäre Sträucher als Kompensation gepflanzt.
Insgesamt überwiegt hier das öffentliche Interesse an einer standortgebundenen
Niederschlagswasserentwässerung und Förderung der natürlichen
Grundwasserneubildung die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege.
Die
Verwaltung beabsichtigt daher, dem Antragsteller eine Befreiung von den
entgegenstehenden Verbotstatbeständen des Landschaftsschutzgebietes für Abbruch
und Neuerrichtung des Einfamilienwohnhauses (unzumutbare Belastung i.S.d. § 67
Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) sowie die Anlage der Muldenversickerung (überwiegendes
öffentliches Interesse i.S.d. § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) zu erteilen.
Der
Naturschutzbeirat wird um Entscheidung im Rahmen seines Widerspruchsrechtes
gem. § 75 Abs. 1 LNatSchG NRW gebeten.