Beschlussempfehlung:
Der Beirat bei der Unteren Naturschutzbehörde erhebt keinen Widerspruch gegen die Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG im Rahmen des Plangenehmigungsverfahrens der Unteren Wasserbehörde für die ökologische Aufwertung von Kringsgraben und Mühlenbach im Bereich der Schutzgebiete und -objekte nach dem Landschaftsplan III - Meerbusch / Kaarst / Korschenbroich - des Rhein-Kreises Neuss.
Sachverhalt:
Der Deichverband Meerbusch-Lank beabsichtigt die Umgestaltung der Verbandsgewässer Kringsgraben und Mühlenbach in der Stadt Meerbusch mit dem Ziel der ökologischen Aufwertung. Die Maßnahmen bedarf einer wasserrechtlichen Plangenehmigung der Unteren Wasserbehörde gem. § 68 Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG), § 74 des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW (VwVfG NRW). Ein entsprechender Antrag liegt der Unteren Wasserbehörde vor.
Mit den vorgesehenen Maßnahmen sollen Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie (RL 2000/60/EG) nach dem Umsetzungsfahrplan der Kooperation Linke Rheinzuflüsse Neuss-Uerdingen umgesetzt werden. Die Planung umfasst Maßnahmen im Mündungsbereich des Mühlenbachs zwischen Deichdurchlass und Rheinufer sowie einen Teilabschnitt des Kringsgrabens (s. Übersichtsplan).
Die Planungsunterlagen sind aufgrund ihres Umfangs überwiegend nur digital abrufbar. Sie können im Bürgerinfo-Portal des Rhein-Kreises Neuss unter
https://session.rhein-kreis-neuss.de/bi/info.php
geladen werden.
Der Vorlage beigefügt sind Ausdrucke des Übersichtsplanes, der Landschaftspflegerischen Begleitplanung, des artenschutzrechtlichen Fachbeitrages, der Umweltverträglichkeitsstudie (Vorprüfung) sowie der FFH-Verträglichkeitsstudie.
Bei der beantragten Plangenehmigung handelt es sich um eine Entscheidung mit Konzentrationswirkung wie ein Planfeststellungsbeschluss, d. h., es werden in dieser Genehmigung alle öffentlich-rechtlichen Entscheidungen mit eingeschlossen. Dies betrifft auch evtl. erforderliche naturschutzrechtliche Entscheidungen wie artenschutzrechtliche Ausnahmen nach § 45 BNatSchG oder naturschutzrechtliche Befreiungsentscheidungen nach § 67 BNatSchG. Ungeachtet dessen ist es im Verfahren Aufgabe der Unteren Naturschutzbehörde, festzustellen, ob die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung dieser naturschutzrechtlichen Entscheidungen vorliegen. Hierzu ist gem. § 75 LNatSchG NRW der Naturschutzbeirat zu beteiligen.
Zudem stellen die geplanten und über eine reine Gewässerunterhaltung hinaus gehenden Maßnahmen an den Gewässern einen (wenn auch positiven) Eingriff in Natur und Landschaft dar, der im Hinblick auf die Eingriffsregelung nach den §§ 13 ff BNatSchG zu bewerten ist.
Da der Planungsraum im Wesentlichen innerhalb des Naturschutzgebietes (NSG) 6.2.1.3 „Ilvericher Altrheinschlinge“ nach dem Landschaftsplan III (LP III), gleichzeitig FFH-Gebiet DE-4706-301 „Ilvericher Altrheinschlinge“ nach der Richtlinie (RL) 92/43/EWG, liegt, ist auch die Verträglichkeit der Maßnahmen mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebietes zu beurteilen.
Teile des Planungsraumes liegen innerhalb des Landschaftsschutzgebietes 6.2.2.1 „Rheinaue“ nach dem LP III.
Letztlich ist sicherzustellen, dass durch die Maßnahmen keine artenschutzrechtlich relevanten Verbote nach den §§ 39 ff BNatSchG ausgelöst werden.
Geplante Maßnahmen
im Bereich des Kringsgrabens
· Gewährleistung der Vorfluterfunktion
· Stabilisierung der Uferböschungen zu den parallel verlaufenden Wegen
· Vergrößerung des Gewässerraums
· Förderung einer gewässertypischen Ufervegetation
· Schaffung von fließgewässertypischen Sohl- und Uferstrukturen
· Verminderung von Einträgen aus den angrenzenden Flächen
Die Maßnahmen am Kringsgraben erfolgen in der Hauptsache am neu zu gestaltenden Nordufer und umfassen Gehölzpflanzungen, die strukturierend und artenreich sind.
Geplante Maßnahmen
im Bereich des Mühlenbachs
· Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit für die Bachfauna zumindest während der Fischlaichzeit
· Einrichtung einer naturnahen Aufstiegshilfe
· Herstellung abgeflachter, standfester Ufer ohne harten technischen Verbau
· Ersatz und Neubau eines bestehenden Fußgängerüberweges mit Verlagerung von der Mündung in Richtung Deich
· Anpflanzung kleinflächiger Ufergehölze und einzelner Laubbäume
· Anlage von Grasfluren unter Verwendung auch autochthonen Saatgutes
Die Umbaumaßnahmen am Mühlenbach werden ohne größere Rodungserfordernisse durchgeführt. Ersatzpflanzungen sind unter Berücksichtigung von Auengehölzen der potentiell natürlichen Vegetation zuzüglich der Schwarzpappel durchzuführen.
Zu den Details der Planungsinhalte wird auf die beiliegenden und digital abgelegten Unterlagen verwiesen.
Naturschutzrechtliche
Wertung der geplanten Maßnahmen
Da die vorgesehenen Umgestaltungsmaßnahmen den Verboten für das Naturschutzgebiet 6.2.1.3 sowie für das Landschaftsschutzgebiet 6.2.2.1 nach dem LP III widersprechen, ist für ihre Vereinbarkeit mit diesen Regelungen eine Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG erforderlich.
Diese kann auf Antrag gewährt werden, wenn
1. dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art notwendig ist oder
2. die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Die erforderlichen Anträge können durch die Einreichung der Plangenehmigungsunterlagen als vorliegend angesehen werden.
Die Vereinbarkeit der vorgesehenen Maßnahmen mit den Erhaltungszielen ist sicherzustellen, da ansonsten eine (zu vermeidende) ausnahmsweise Zulassung (§§ 33, 34 BNatSchG) geprüft werden müsste.
Zur Vermeidung der Realisierung von artenschutzrechtlichen Verboten und damit eines Ausnahmeverfahrens nach § 45 BNatSchG ist die artenschutzfachliche Verträglichkeit der vorgesehenen Maßnahmen zu prüfen und zu bewerten.
Der mit den Maßnahmen verbundene Eingriff in Natur und Landschaft ist zu bewerten und ggfs. zu Kompensieren.
Alle erforderlichen naturschutzrechtlichen Entscheidungen einschließlich der Eingriffsregelung werden in der Plangenehmigung ausgesprochen.
Ein Widerspruchsrecht des Naturschutzbeirates besteht gem. § 75 LNatSchG NRW zu der Entscheidung der Unteren Naturschutzbehörde für die Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG (Schutzgebiete und -objekte).
Zur Befreiung gem.
§ 67 Abs. 1 BNatSchG
Die vorgesehenen Maßnahmen führen insgesamt zu einer deutlichen ökologischen Aufwertung der Gewässerabschnitte und darüber hinaus. Es besteht unzweifelhaft ein öffentliches Interesse an der Durchführung von Maßnahmen im Sinne der WRRL zur Erzielung eines guten ökologischen Potentials. Die hier vorgesehenen Maßnahmen am Kringsgraben und am Mühlenbach sind geeignet, dieses Ziel in Ansätzen zu erreichen, soweit es die örtlichen Gegebenheiten zulassen. Die mit den Maßnahmen verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft sind weit überwiegend temporär und münden in eine Verbesserung des heutigen Zustandes. Die Vereinbarkeit der Planung und der Maßnahmen in Durchführung und angestrebten Zustand mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebietes ist gegeben. Artenschutzrechtliche Verbote werden nicht realisiert. Das Interesse an der Durchführung der geplanten Maßnahmen überwiegt in diesem Fall das Interesse an der ungestörten Beibehaltung des heutigen Zustands im Naturschutzgebiet und Landschaftsschutzgebiet.
Die Untere Naturschutzbehörde beabsichtigt daher, im Plangenehmigungsverfahren festzustellen, dass die Voraussetzungen zur Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 Ziff. 1 BNatSchG von den entgegenstehenden Verboten des Landschaftsplanes III vorliegen.
Zur Vereinbarkeit
mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebietes
Die FFH-Vorprüfung kommt zu dem Ergebnis, dass die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung des FFH-Gebietes durch das Vorhaben allein oder im Zusammenhang mit anderen Vorhaben auszuschließen ist. Dem kann zugestimmt werden.
Zu den artenschutzrechtlichen
Verbotstatbeständen
Der Fachbeitrag Artenschutz kommt nach Prüfung zu dem aus Sicht der Unteren Naturschutzbehörde schlüssigen Ergebnis, dass Verbotstatbestände aus dem Artenschutzrecht nicht realisiert werden und eine artenschutzrechtliche Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG nicht erforderlich wird.
Zur
Eingriffsregelung
Nach § 30 Abs. 1 Ziff. 5 LNatSchG NRW gilt die wesentliche Umgestaltung von Gewässern und ihren Ufern nur als Eingriff in Natur und Landschaft i. S. d. § 14 BNatSchG, wenn sie nicht einer ökologischen Verbesserung zur Erreichung der Ziele nach § 27 WHG (Ziele nach WRRL) dient.
Im vorliegenden Fall dient die Umgestaltung der Gewässer diesen Zielen. Gleichwohl wird ein Überschuss nach ökologischen Wertpunkten erzielt.