Beschlussempfehlung:
Sachverhalt:
- Antrag der Kreistagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
vom 03.03.2021
Die Kreistagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben für die Sitzung des Finanzausschusses beantragt, der Finanzausschuss möge dem Kreistag empfehlen zu beschließen, die Erhebung der Eintrittskosten für die ständigen Sammlungen der Kreismuseen für das Haushaltsjahr 2021 mit sofortiger Wirkung zu allen Besuchszeiten für alle Menschen aufzuheben (Anlage). Dementsprechend sollen die Ertragssachkonten in den entsprechenden Produkten angepasst werden. Als Begründung wurde u.a. angeführt, dass durch die Kostenfreiheit die Kreismuseen zu einem öffentlichen Raum werden, der allen Menschen zugangsfrei zur Verfügung steht und so von möglichst vielen Menschen in Anspruch genommen werden kann.
In der Sitzung des Finanzausschusses am 11.03.2021 wurde der Antrag einstimmig beschlossen und zur weiteren Beratung an den Kulturausschuss verwiesen (Beschluss FI/20210311/Ö6).
Freie Eintritte in Museen werden
bereits seit längerem kontrovers diskutiert. Befürworter argumentieren mit dem
Bildungsauftrag von Museen als öffentliche Einrichtungen, der beinhalte, auch
Menschen mit niedrigerem Einkommen oder bildungs- oder kulturfernen Schichten einen
Zugang zu ermöglichen. Kritiker weisen meist auf Einnahmeverluste hin, die in
der Regel nicht kompensiert werden können. Außerdem wären Hemmschwellen eher
die fehlenden niedrigschwelligen Angebote.
- Kulturzentrum Sinsteden
Im Kulturzentrum Sinsteden des Rhein-Kreises Neuss stehen zwei
Schwerpunkte gleichberechtigt nebeneinander: international hoch geschätzte,
zeitgenössische Skulptur und Landwirtschaft. In zwei Skulpturen-Hallen werden
die Werke des Bildhauers Ulrich Rückriem gezeigt, die Maschinen des
Landwirtschaftsmuseums befinden sich in einer weiteren großen Halle. Die für
Wechselausstellungen und kleinere Veranstaltungen genutzte fränkische Hofanlage
beherbergt ebenfalls mehrere Sammlungen.
Für diese Einrichtung wurde
bereits in der Sitzung des Kreistages am 26.06.2018 wurde eine Änderung der
Nutzungs- und Entgeltordnung beschlossen. Seit dem 15.07.2018 wird dort auf die
Erhebung des Eintritts in die Ausstellungen verzichtet. Eine Ausnahme bilden
Sonderveranstaltungen, für die der Eintritt im Einzelfall mit Aushang
bekanntgegeben wird. Hierunter fallen z.B. Blues-Konzerte, Sinstedener Klassik
und Lesungen.
Mit der Abschaffung des
Eintritts sollte das Kulturzentrum Sinsteden damit zu einem frei zugänglichen
Ort der Kunst werden. Der Kreis erhoffte sich so einen größeren
Besucherzuspruch insbesondere von Menschen, die sonst eher selten oder nie ein
Museum besuchen.
Zieht man die Besucherzahlen des
Kulturzentrums Sinsteden heran, ist diesen zu entnehmen, dass sich durch die
Eintrittsfreiheit die Zahl der Besuchenden nicht verändert hat. Die Zahl der
Besuchenden des Kulturzentrums Sinsteden sind im Zeitraum von 2017 bis 2019
weitestgehend gleich geblieben (2017: 17.013, 2018: 16.881, 2019: 16.286). 2020
wurde bei der Betrachtung coronabedingt außer Acht gelassen.
- Kreismuseum Zons
Das Kreismuseum Zons ist ein Museum für Angewandte Kunst, Kunsthandwerk
und Kulturgeschichte. Einen Schwerpunkt innerhalb dieser Bereiche bilden die
Themenkomplexe Jugendstil und Textil. Der regionale Bezug zum Rhein-Kreis Neuss
ist ausgehend von den Sammlungen peripher.
Dauerhaft in den Räumlichkeiten präsentiert werden in der Regel die
Jugendstil-Zinnexponate, das Vergoldewerkzeug der Sammlung Doris und Kurt
Lappe, die Wandbehänge des Künstlers Helmut Hahn sowie archäologische
Fundstücke aus den Grabungsarbeiten auf dem Burggelände. Daneben werden drei
bis sieben Wechsel- bzw. Sonderausstellungen gezeigt. Studioausstellungen
werden dabei mitunter mit den ständigen Ausstellungen kombiniert. Für größere
oder zusätzliche Ausstellungen werden die Dauerausstellungen zeitweilig
abgebaut.
·
Differenzierung
Dauer- und Sonderausstellungen
Eine räumliche Trennung zwischen Dauer- und Sonderausstellungen ist im
Kreismuseum Zons durch die Gegebenheiten des Gebäudes nicht möglich. Zudem ist
die räumliche Einteilung in Dauer- und Wechselausstellung nicht statisch, sondern
alterniert.
Freier Eintritt allein für die ständigen Sammlungen, wie im Antrag der
Kreistagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angeregt, wäre daher nicht
oder nur mit einem zusätzlichen personellen Aufwand bei der Bewachung umzusetzen.
· Eintritte und Ermäßigungen
Grundsätzlich ist es ein Ziel des Hauses, ein Museum zu sein, in
welchem sich Menschen aller Altersklassen und mit jedem Bildungshintergrund
wohlfühlen. Um Besucherinnen und Besuchern diese Möglichkeit zu bieten und finanzielle
Barrieren zu umgehen, gibt es bereits eine Preisdifferenzierung und Reihe von
Angeboten.
Der Eintritt für Erwachsene in das Museum beträgt regulär 4 Euro. Kinder, Jugendliche, Inhaber der Juleica (Jugendleiterausweis), Ehrenamtskarteninhaber und Schwerbehinderte zahlen 1,50 Euro sowie Familien 7 Euro. Der Preis einer Jahreskarte beträgt 24 Euro, der einer Familienjahreskarte 30 Euro. Der Preis für museumspädagogische Führungen beträgt einen Euro, für die Fahrt mit dem Museumsbus 2 Euro.
Bei Vorlage der Familienkarte ermäßigt sich der Eintritt für Kinder und Jugendliche auf 1,00 Euro sowie für Familien auf 6 Euro. Freien Eintritt in das Museum haben Kinder bis 6 Jahre, Mitglieder des Deutschen Museumsbundes, Mitglieder des Internationalen Museumsverbandes (ICOM) und Mitglieder des Vereins der Freunde und Förderer des Kreismuseums Zons.
Ferner bietet das Kreismuseum Zons seit dem Jahr 2011 jeden Mittwoch und jeden
ersten Samstag freien Eintritt für alle Bewohnerinnen und Bewohner des
Rhein-Kreises Neuss. Daneben sponsert der Förderverein des Museums jeden
Freitag im November den Eintritt für alle Besuchenden. Darüber hinaus gibt es
zahlreiche Sondertage mit freiem Eintritt (Internationaler Museumstag,
Drehorgelfestival, Tag des offenen Denkmals usw., Familientage) sowie
Sonderaktionen mit kostenlosem oder reduziertem Eintritt (Zwergentage, Ententage,
Zipfelmützentage etc.).
·
Mehraufwand
bei Verzicht auf Eintrittseinnahmen in die Ausstellungen
Der voraussichtliche Einnahmeverlust bei einem Einnahmeverzicht auf den Eintritt für die Dauer- und Sonderausstellungen beläuft sich bei Betrachtung der Jahre 2017 – 2019 auf rund 10.000 €.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass selbst bei einer Eintrittsfreiheit in das Kreismuseum aufgrund der versicherungsrechtlichen Regelungen weiterhin eine Aufsicht für die Ausstellungen zu stellen ist. Auch der Eingangsbereich müsste für den Shop besetzt sein, so dass für den Rhein-Kreis Neuss kein Personal eingespart werden kann.
Sollte ein Verzicht auf den Eintritt wie im Antrag der Kreistagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nur zeitweise – für 2021- vorgesehen werden, kann die Wiedereinführung des Eintritts zu einem deutlichen Rückgang der Besuchszahlen führen.
- Sachstand
und aktuelle Entwicklungen zum Thema
Die Erfahrungen zeigen, dass an Tagen mit freiem Eintritt ohne
zusätzliches Programm keine oder kaum andere Besuchergruppen kommen als
gewöhnlich. Es ist zu vermuten, dass das bereits kulturaffine Publikum durch
den freien Eintritt zu Mehrfachbesuchen animiert wird und ggf. auch bei einer
Eintrittspflicht gekommen wäre.
Dieses Verhalten korrespondiert mit zahlreichen Studien, die bezüglich
des Themas gemacht worden sind. So wird etwa im Fazit zur Besucherstudie im
Museum Folkwang angemerkt: "Nach wie vor dominierte das eher ältere und zu
über 80 % akademisch gebildete Publikum, die Zugewinne bezogen sich primär auf
junge Menschen mit Abitur bzw. Hochschulabschluss aus der Region. Die
klassische bildungsbürgerliche Klientel des Museums änderte sich also
strukturell nicht. Die Einführung des kostenfreien Eintritts bedeutete zwar den
Wegfall einer Zugangsbarriere, andere wichtige Hemmnisse bleiben jedoch
bestehen."
Auch die in Auftrag gegebene Studie
zur Evaluation des freien Eintritts in Dauerausstellungen für die baden-württembergischen
Landesmuseen und das Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe in 2019 zeigt,
dass der freie Eintritt in Museen keine allgemeingültige Lösung ist, um mehr
Menschen bzw. Nicht-Besucher anzusprechen.
Es wurde festgestellt, dass in manchen
Museen das Stammpublikum häufiger kam und sich junge Besucherinnen und Besucher
angesprochen fühlten. Personen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen oder
grundsätzlichem Desinteresse an Museen konnten hingegen durch den freien
Museumseintritt kaum erreicht werden.
Als mögliches Instrument zur Öffnung der Museen ist der
freie Eintritt damit stark differenziert zu betrachten. Oft gibt es
kurzfristige Effekte einer Steigerung der Besucherzahlen, nicht nachweisen
lässt sich jedoch eine grundlegende Veränderung der Besucherstruktur.
Studienergebnisse zeigten ferner, dass zudem Einnahmen im
Museumsshop und Café in den untersuchten Museen mit freiem Eintritt geringer
waren als in vergleichbaren eintrittspflichtigen Museen.
Das Fazit der Studie war, dass freier
Eintritt ins Museum nicht als einheitliche Lösung gelten kann, um grundsätzlich
mehr Besuchende anzulocken. Museen müssen die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer
Zielgruppen analysieren, um anhand dieser Ergebnisse individuelle Angebote für
die eigene Institution zu entwickeln. Dies kann bei jedem Museum anders
ausfallen.
- Bewertung
Es ist wichtig, neben der Möglichkeit
der Eintrittsfreiheit weitere Faktoren zur Analyse der Bedürfnisse und
Erwartungen, z.B. zeitgemäße Vermittlungsangebote, besuchergerechte
Öffnungszeiten, die Erreichbarkeit des Museums, die Infrastruktur der Einrichtung
oder auch die Berücksichtigung des persönlichen Zeitbudgets der Besuchenden, in
die Betrachtung miteinzubeziehen.
Letztlich ist nicht der Eintritt die Barriere, die Personen aus
bildungsfernem Milieu davon abhält ins Museum zu kommen, sondern vielmehr ein
vermeintliches Desinteresse oder die Angst, sich falsch zu benehmen oder
zugeben zu müssen, dass man etwas nicht versteht. Um Museen zu einem Ort für
jedermann zu machen, sollte daher ein anderer Ansatz gewählt werden.
Aus diesem Grund wird vorgeschlagen, die Themen Vermittlung, Teilhabe
und kulturelle Bildung stärker in den Fokus zu rücken und die bestehenden musealen
Angebote für Kinder und Jugendliche auszuweiten, um Hemmschwellen und
Vorurteile bezüglich Kunst und Kultur abzubauen. Durch eine Investition in
Bildung und Kommunikation für diese Besuchergruppen könnten langfristig neue
Besuchergruppen erreicht werden.
Das Thema der Eintrittsfreiheit und des niedrigschwelligen Zugangs in
kulturelle Einrichtungen könnte bei der Erarbeitung des interkommunalen
Kulturentwicklungsplans für den Rhein-Kreis Neuss aufgegriffen und im Rahmen
der Öffentlichkeitsbeteiligung erörtert werden. Das Ergebnis sollte abgewartet
und dann als Grundlage für eine Entscheidung über die Eintrittsfreiheit in das
Kreismuseum Zons herangezogen werden.