Sachverhalt:
Mitte August 2022 hat das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales (BMAS) den Referentenentwurf eines Zwölften Gesetzes
zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze –
Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) dem Landkreistag NRW (LKT
NRW) im Rahmen einer Verbändeanhörung übermittelt.
Das Bundeskabinett hat am 14.09.2022 den
Gesetzentwurf für ein Bürgergeld-Gesetz beschlossen. Die erste Lesung im
Deutschen Bundestag ist für den 13.10.2022 vorgesehen, die Verabschiedung für den
11.11.2022. Die Zustimmung des Bundesrats soll am 25.11.2022 erfolgen, damit
die Regelungen zum 01.01.2023 in Kraft treten können.
Das Bürgergeld löst Arbeitslosengeld II und
Sozialgeld ab. Das Ziel der Einführung des Bürgergelds ist, gesetzliche Rahmenbedingungen
dafür zu schaffen, dass sich Menschen im Leistungsbezug stärker auf
Qualifizierung, Weiterbildung und die Arbeitsuche konzentrieren können. Das
Bürgergeld soll nach der Gesetzesbegründung mehr Chancengerechtigkeit,
gesellschaftliche Teilhabe und soziale Sicherheit ermöglichen. Die Potenziale
der Menschen und die Unterstützung für eine dauerhafte Integration in den
Arbeitsmarkt rücken stärker in den Mittelpunkt.
Aufgrund der Vielzahl an Änderungen wird im
Folgenden auf die wesentlichen Aspekte eingegangen:
Änderung der Fortschreibung der
Regelbedarfe:
Die Fortschreibungen der Regelbedarfe soll
künftig die zu erwartende regelbedarfsrelevante Preisentwicklung zeitnaher und
damit wirksamer widerspiegeln. Dazu sollen die aktuellsten verfügbaren Daten
über die regelbedarfsrelevante Preisentwicklung für die Fortschreibung zusätzlich
berücksichtigt werden. Die Regelbedarfe sollen zum 01.01.2023 wie folgt
ansteigen:
Nicht mit
Partnern zusammenlebende Erwachsene |
502 € |
Mit Partnern
zusammenlebende Erwachsene; Erwachsene in
besonderer Wohnform (nur SGB XII); Erwachsene in
stationären Einrichtungen (nur SGB XII) |
451 € |
Erwachsene
unter 25 Jahren im Haushalt der Eltern (nur SGB II) |
402 € |
Jugendliche
von 14 bis unter 18 Jahren |
420 € |
Kinder von 6
bis unter 14 Jahren |
348 € |
Kinder bis
unter 6 Jahren |
318 € |
Karenzzeit:
In den ersten zwei Jahren des
Leistungsbezugs soll die sogenannte Karenzzeit für Vermögen und Kosten der
Unterkunft eingeführt werden. Die Karenzzeit soll dafür sorgen, dass während
der ersten zwei Jahre bei einer Bedürftigkeitsprüfung Vermögen nicht
berücksichtigt wird, sofern es nicht erheblich ist (60.000 € für den
erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und weitere 30.000 € je Person in der
Bedarfsgemeinschaft) und Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe anerkannt
werden.
Sinn und Zweck der Karenzzeit sei, dass sich
Leistungsberechtigte auf die Arbeitssuche und die Wiederaufnahme von Arbeit
konzentrieren können, anstatt mit beginnendem Leistungsbezug eine neue Wohnung
suchen zu müssen oder Vermögen verwerten zu müssen. Der vereinfachte Zugang
während der Pandemie habe gezeigt, dass bei Einräumung einer Karenzzeit
Leistungen einfacher und zielsicherer möglich sind. Dies soll zu einer höheren
Akzeptanz des Sicherungssystems führen.
Änderungen im Bereich Vermögen:
Für jedes Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft
sollen 15.000 € vom Vermögen abgesetzt werden. Weiterhin werde bei
selbstgenutzten Hausgrundstücken oder Eigentumswohnungen die Wohnfläche in
größerem Umfang als bisher anerkannt (Hausgrundstück: 140 m²; Eigentumswohnung
130 m²). Ab der fünften Person sollen jeweils 20 m² hinzukommen. Dadurch soll
bewirkt werden, dass Eigentum dem Bezug von Bürgergeld nicht grundsätzlich
entgegensteht.
Versicherungsverträge, die der
Alterssicherung dienen, sollen nicht als Vermögen berücksichtigt werden. Da
Selbständige oft eine andere Anlagenform wählen, seien die
Versicherungsverträge bei dieser Personengruppe unabhängig von der Anlagenform
zu betrachten.
Änderungen im Bereich Kosten der Unterkunft:
Die Kosten der Unterkunft sollen bei
Mietwohnungen oder selbstgenutzten Wohneigentum für die Dauer der Karenzzeit in
tatsächlicher Höhe anerkannt werden. Die geltenden Regelungen zur
Erforderlichkeit eines Umzuges sollen weiterhin in Kraft bleiben. Da der
Prüfungsaufwand zunächst entfalle, führe dieses Verfahren zu einer Erhöhung der
Rechtssicherheit und zur Verwaltungsvereinfachung.
Weiterhin sollen die Kosten der Unterkunft
bis zu 12 Monate nach dem Tod eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft als
angemessen anerkannt werden.
Änderungen im Bereich Einkommen:
Die Grundabsetzungsbeträge für Schüler,
Studierende und Azubis sollen auf 520 € erhöht werden, als Anreiz zur Aufnahme
und zum Aufrechterhalten einer Beschäftigung. Zusätzlich erfolge eine Erhöhung
des Freibetrags im Bereich zwischen 520 € und 1.000 € auf 30 % des erzielten
Erwerbseinkommens. Weiterhin soll das Mutterschaftsgeld nicht mehr angerechnet
werden und es erfolge eine Umstellung der Freistellung von
Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten von monatlicher auf
jährlicher Berücksichtigung. Zusätzlich werde einmaliges Einkommen nur im Monat
des Zuflusses berücksichtigt und nicht mehr auf sechs Monate aufgeteilt.
Kooperationsplan:
Die Eingliederungsvereinbarung im SGB II
soll durch einen von Leistungsberechtigen und Integrationsfachkräften gemeinsam
erarbeiteten Kooperationsplan abgelöst werden. Dieser diene als „roter Faden“
im Eingliederungsprozess und stelle ein Kernelement des Bürgergeld-Gesetzes
dar. Der Kooperationsplan soll von rechtlichen Folgen entlastet werden und
dokumentiere die gemeinsam entwickelte Eingliederungsstrategie. Zusätzlich baue
der Kooperationsplan auf einer Potenzialanalyse des Leistungsberechtigten auf,
in der Entwicklungsbedarfe und individuelle Stärken festgestellt werden
(formale Qualifikation und Soft Skills).
Zu Beginn des Leistungsbezugs und auch vor
der Erstellung eines Kooperationsplanes soll die Kooperationszeit
gelten. Die Zusammenarbeit soll in dieser Zeit grundsätzlich ohne Rechtsfolgenbelehrungen
erfolgen. Wenn in der Kooperationszeit jedoch Absprachen zu Mitwirkungshandlungen
(Eigenbemühungen, Maßnahmeteilnahmen und Bewerbungen auf Vermittlungsvorschläge)
vom Leistungsberechtigten nicht eingehalten werden, sollen diese Pflichten
durch Aufforderungen mit Rechtsfolgenbelehrungen rechtlich verbindlich
festgelegt werden. Eine Rückkehr zu einer Zusammenarbeit ohne
Rechtsfolgenbelehrung könne erfolgen, wenn in der Kooperationszeit 12 Monate
lang keine Mitwirkungspflichten verletzt werden. Die Kooperationszeit bestehe außerhalb
der Vertrauenszeit.
Mit Erstellung des Kooperationsplans soll
zunächst eine sechs monatige Vertrauenszeit gelten, in der
Leistungsminderungen bei Pflichtverletzungen ausgenommen seien. Das Ziel sei
die Ermöglichung eines vertrauensvollen Beratungs- und Integrationsprozesses.
Die sechsmonatige Vertrauenszeit bestehe nur bei erstmaliger Erstellung des
Kooperationsplans beziehungsweise beim erstmaligen Ersetzen einer bisherigen
Eingliederungsvereinbarung durch einen Kooperationsplan. Während der
Vertrauenszeit soll regelmäßig überprüft werden, ob die erwerbsfähigen
Leistungsberechtigten die im Kooperationsplan festgehaltenen Absprachen
einhalten. Die Wahrnehmung von Beratungsterminen könne weiterhin, auch während
der Vertrauenszeit, nach dem zweiten Meldeversäumnis rechtsverbindlich
eingefordert werden.
Für Konfliktfälle im Zusammenhang mit dem
Prozess der Erstellung, Durchführung und Fortschreibung der Inhalte eines
Kooperationsplans soll ein Schlichtungsmechanismus geschaffen werden. Auf Wunsch
des Leistungsberechtigten könne eine zuvor unbeteiligte Person durch das
Jobcenter hinzugezogen werden. Die Ausgestaltung des Schlichtungsmechanismus im
Einzelnen obliege in der gemeinsamen Einrichtung gemäß § 44c Abs. 2 S. 2 Nr. 2
SGB II der Entscheidung der Trägerversammlung.
Bestehende Eingliederungsvereinbarungen
sollen bis Ende 2023 auf Kooperationspläne umgestellt werden.
Ganzheitliche Betreuung/Integration:
Es soll eine ganzheitliche Betreuung
(Coaching), die die jeweilige Lebenssituation insgesamt in den Blick nimmt,
eingeführt werden. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte weisen häufig vielfältige
und komplexe Problemlagen auf, die ihre Beschäftigungsfähigkeit grundlegend
beeinträchtigen. Die
Integrations- und Beratungsformen ergeben sich aus dem individuellen Bedarf und
können deshalb gesetzlich nicht festgelegt werden. Gemäß § 16k SGB II ist die
Schaffung eines Vertrauensverhältnisses wesentliche Grundlage des Erfolgs. Aus
diesem Grund sollen erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht mit Rechtsfolgen
verbunden zur Teilnahme am Coaching verpflichtet werden.
Abschaffung des Vermittlungsvorrangs:
Ziel des Bürgergeld-Gesetzes sei eine
dauerhafte Integration in Arbeit, durch die die Hilfebedürftigkeit möglichst
weitgehend vermindert bzw. überwunden wird. Durch die Abschaffung des
Vermittlungsvorrangs sollen erwerbsfähige Leistungsberechtigte keine
Beschäftigung mehr aufnehmen müssen, die aufgrund der Qualifizierung
grundsätzlich nicht den Anforderungen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
entsprechen. Zudem seien erwerbsfähige Leistungsberechtigte bisher häufig
aufgrund des Vermittlungsvorrangs Beschäftigungsverhältnisse eingegangen, die
nicht dauerhaft zur Beendigung des Leistungsbezugs geführt haben.
Regelungen der Leistungsminderung:
Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte
Neuregelung der Leistungsminderungen ist im Regierungsentwurf enthalten
(Festhalten an Mitwirkungspflichten, Leistungsminderungen bei 30 % des
Regelbedarfs gedeckelt, keine Kürzung bei den Kosten der Unterkunft sowie bei
außergewöhnlicher Härte, flexibles Sanktionsende). Bei nachträglicher
Pflichterfüllung oder Bereiterklärung zur Pflichterfüllung sei die
Leistungsminderung aufzuheben. Eine persönliche Anhörung zur Pflichtverletzung
sei auf Wunsch des Leistungsberechtigten möglich.
Die verschärften Sonderregelungen für die
Personengruppe unter 25 Jahren entfallen. Dafür soll diese Personengruppe bei
einer Pflichtverletzung innerhalb von vier Wochen ein Beratungs- und Unterstützungsangebot
erhalten. Diese Regelungen spiegeln sich bereits jetzt im sogenannten
„Sanktionsmoratorium“ wider, dass zum 01.07.2022 in Kraft getreten ist.
Änderungen im SGB XII:
Die Regelungen zu den Kosten der Unterkunft
und Einkommen sollen weitestgehend übernommen werden. Allerdings erfolge im SGB
XII die Angemessenheitsprüfung bei den Kosten der Unterkunft dennoch und komme
einer Warnfunktion gleich. Hintergrund hierfür sei die Tatsache, dass die
Leistungsberechtigten des Dritten und Vierten Kapitel SGB XII nicht mehr in den
Arbeitsmarkt integriert werden können und somit dauerhaft im Leistungsbezug
bleiben. Die grundsätzlichen Regelungen zum Vermögen werden ebenfalls in das
SGB XII übertragen. Besonderheiten seien die Erhöhung des Freibetrages auf
10.000 € und die Freistellung eines angemessenen Kraftfahrzeuges. Zur
Klarstellung wird normiert, dass es sich bei der Leistungsabsprache zur
Aufnahme einer zumutbaren Tätigkeit um eine reine Obliegenheit handele und aus
ihr weder für den Sozialhilfeträger noch für die leistungsberechtigte Person
unmittelbar Rechtspflichten und Rechtsansprüche folgen. Damit werde zusätzlich
verdeutlicht, dass es sich bei den Leistungsabsprachen nicht um Maßnahmen zur
Integration von Leistungsbeziehenden nach dem Dritten und Vierten Kapitel des
SGB XII in den Arbeitsmarkt durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit handele,
sondern um die Unterstützung bei der Ausübung einer Betätigung.
Zu dem vorangegangenen Referentenentwurf
haben der LKT NRW und der Deutsche Landkreistag (DLT) Stellung genommen.
Gemeinsame Inhalte der Stellungnahmen des
LKT NRW und des DLT zum vorherigen Referentenentwurf:
Die Gemeinsamkeiten in den Stellungnahmen
des LKT und des DLT liegen insbesondere in der Kritik zu der kurzen Zeit für
die Möglichkeit zur Stellungnahme und bei der Einführung der Karenzzeit bei den
Kosten der Unterkunft und der Vermögensprüfung. Die in dem Entwurf für § 12 SGB
II vorgesehenen Änderungen werden vor allem wegen ihrer „Signalwirkung“ für die
steuerzahlende Bevölkerung im Wesentlichen kritisch gesehen. Es besteht die
Sorge, dass insbesondere diese Inhalte des Bürgergeldgesetzes nur schwerlich zu
vermitteln sind und in der Öffentlichkeit wenig Akzeptanz finden werden.
Weiterhin werden in den Stellungnahmen
ausgeführt, dass entgegen der Zielsetzung des Entwurfs, die dauerhafte
Integration in den Arbeitsmarkt stärker in den Mittelpunkt zu stellen, das SGB
II sich einem bedingungslosen Grundeinkommen nähere. Arbeitsanreize würden
systematisch reduziert. Zusätzlich werde die Motivation durch den vorliegenden
Entwurf, in den Arbeitsmarkt einzusteigen, nicht gestärkt, sondern geschwächt.
Die Einführung einer Karenzzeit, während der
in den ersten beiden Jahren des Leistungsbezugs nur erhebliches Vermögen
berücksichtigt wird, widerspreche letztlich dem Nachranggrundsatz, dem
Grundsatz der Selbsthilfe sowie dem des „Förderns und Forderns“. Zusätzlich
werde die Angemessenheitsprüfung im Bereich Vermögen und Kosten der Unterkunft
lediglich auf die Zeit nach der Karenzzeit verschoben, sodass es sich lediglich
um eine vorläufige Verwaltungsvereinfachung handele. Generell wird die
Karenzzeit als unverhältnismäßig lang eingestuft. Der DLT schlägt eine Kürzung
der Karenzzeit auf sechs Monate vor.
Es wird letztlich darauf hingewiesen, dass
die Regelung des § 22 SGB II zu einer Aufwärtsspirale in der Preisentwicklung
der örtlichen Mietmärkte beitragen kann, die perspektivisch nicht mehr
beherrschbar erscheint und letztlich dem allseitigen Ziel des Erhalts bzw. der
Schaffung bezahlbaren Wohnraums zuwiderläuft. Und schließlich widerspricht das
Signal, bei den Heizkosten zwei Jahre lang die tatsächlichen Kosten zu
übernehmen, den jetzigen Bestrebungen und Bemühungen in der Energiekrise, Heiz-
(und insgesamt Energie-) kosten einzusparen.
Grundsätzlich wird kritisiert, dass
sämtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit den aktuellen Diskussionen zur
Energiepreisentwicklung völlig außer Acht gelassen werden. Dieses aktuell
dringende Problem solle in der Reform Berücksichtigung finden.
Die Einführung eines Kooperationsplans
stelle keine wesentliche Neuerung zur bisher gelebten Praxis dar. Kritisch
stehe man auch der Einführung einer Vertrauenszeit gegenüber, da völlig offen
sei, inwiefern sich die Leistungsberechtigten in dem Karenzzeittraum
tatsächlich auf die Arbeitssuche konzentrieren. Es sei derzeit schwer
abzuschätzen, ob die Änderungen tatsächlich eine Vereinfachung für die
Integrationsfachkräfte im Jobcenter bedeuten und den kooperativen Ansatz in der
Integrationsarbeit stärken werden. Durch die Vertrauenszeit fehle es an einer
Handhabe für die Integrationsfachkräfte da
die Zielsetzungen des Förderns, aber auch des Forderns u.U. erst frühestens
nach sechs Monaten zur Wirkung kommen. Darüber hinaus sei zu beachten, dass der
fachliche Anspruch an die Integrationsfachkräfte wachsen werde.
Die sozialpolitische Wirkung der Anerkennung
von selbst genutzten Hausgrundstücken oder Eigentumswohnungen im Zusammenwirken
mit den Karenzzeiten und anderen Erleichterungen sei nicht zu unterschätzen.
Die neuen Regelungen zum Einkommen und
Vermögen dürfe insbesondere von Bürgerinnen und Bürgern, die arbeiten und in
die Sozialversicherung einzahlen, aber trotzdem am Existenzminimum leben, als
äußerst ungerecht wahrgenommen werden. Die beabsichtigten Änderungen bei der
Anrechnung von Einnahmen im Sinne von § 11 SGB II werden nicht als
Weiterentwicklung und Verwaltungsvereinfachung angesehen.
Weiterhin seien die Reformpläne des BMAS
finanziell nicht hinreichend hinterlegt. Aufgrund der umfassenden Änderungen
vor allem betreffend die neue Ausrichtung der Vermittlungsarbeit bedürfe es
einer deutlichen Aufstockung des Eingliederungs- und des
Verwaltungskostenbudgets der Jobcenter.
Weiterhin wird kritisiert, dass in dem
Referentenentwurf eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe enthalten seien,
die in der Umsetzung zu Rechtsstreitigkeiten führen dürften.
Im Bereich Sanktionen wird unter anderem
kritisiert, dass bei Meldeversäumnissen eine Kürzung der Leistungen für maximal
einen Monat möglich ist.
Begrüßt werden die Nicht-Anrechnung von
Mutterschaftsgeld, der Erwerbseinkommen von Schülerinnen und Schülern bis 520
€, das ganzheitliche Coaching sowie die jährliche Berücksichtigung von
Aufwandsentschädigungen. Daneben wird der positive Aspekt des Kooperationsplans
mit dem Fokus auf gute Kommunikation zwischen Integrationsfachkraft und
Leistungsberechtigten besonders hervorgehoben.
Es wird vorgeschlagen, die vertikale
Einkommensanrechnung in den vorliegenden Gesetzesentwurf aufzunehmen.
Weitere Inhalte der Stellungnahme des LKT
NRW:
Der LKT NRW bemisst die Zeitspanne für die
Einführung des Bürgergeldes mit den damit verbundenen Umstellungen (Schulungen
der Mitarbeitenden, Umgestaltung der Antragsformulare etc.) als sehr
herausfordernd. Zusätzlich fällt das geplante Inkrafttreten zusammen mit der
Weiterbewilligung der Leistungen für die Ukraine-Vertriebenen an, sodass dies
zu einer Doppelbelastung führen würde.
Insbesondere vor dem Hintergrund aktueller
Kostensteigerungen (Inflation-, Heiz- und Energiekosten) wird die Einführung
einer Gesamtangemessenheitsgrenze (vgl. neu § 35 Abs. 7 SGB XII) kritisiert.
Denn perspektivisch werde es keine Möglichkeit geben, eine „Gegenrechnung“ von
Grundmiete, Betriebskosten und Heizkosten vornehmen zu können.
Weitere Inhalte der Stellungnahme des DLT:
Der DLT führt in seiner Stellungnahme aus,
dass die Einführung einer Karenzzeit im Dritten Kapitel SGB XII (Hilfe zum
Lebensunterhalt) zu einem verfassungswidrigen Aufgabendurchgriff des Bundes auf
die Landkreise führe, da die Zuständigkeitsbestimmung in § 3 Abs. 2 SGB XII
nicht aufgehoben wurde.
Der DLT kritisiert insbesondere die
Mehrkosten auf kommunaler Seite. Im Entwurf werden Mehrausgaben von rund 650
Mio. Euro – davon 54 Mio. € für die Kommunen – für das Jahr 2023 ausgewiesen,
die auf 1,7 Mrd. Euro – davon 73 Mio. Euro für die Kommunen – im Jahr 2026
anwachsen sollen. Der DLT bezweifelt, dass diese Einschätzungen den potenziell
deutlich anwachsenden Zahlen von Leistungsberechtigten gerecht werden, die
durch die Preissteigerungen sowie Karenzregelungen bei den Kosten der
Unterkunft und Vermögen zu erwarten sind.
Die Karenzzeit nach einem Todesfall im
Bereich der Kosten der Unterkunft wird positiv bewertet. Allerdings solle nach
Meinung des DLT auf die Angemessenheitsprüfung im SGB XII zu Beginn des Leistungsbezugs
verzichtet werden. Innerhalb der Karenzzeit können sich die
Angemessenheitswerte ändern, sodass die Prüfung der Angemessenheit nach Ablauf
der Karenzzeit erneut durchgeführt werden muss.
Mögliche Auswirkungen:
Grundsätzlich kann prognostiziert werden,
dass durch das Einführen einer Karenzzeit Mehrausgaben im Bereich der Kosten
der Unterkunft im SGB II und im Dritten Kapitel SGB XII für die Kommunen
entstehen werden.
Der durch die Angemessenheitsprüfung
entstehende Verwaltungsaufwand wird lediglich auf die Zeit nach der Karenzzeit
verschoben. Fraglich ist, wie hoch die Akzeptanz möglicher Kürzungen nach
Ablauf der Karenzzeit ist.
Durch das Abbauen der Voraussetzungen im
Bereich Einkommen, Vermögen und Kosten der Unterkunft kann mit einem Anstieg
der Anspruchsberechtigung gerechnet werden.